VwGH 2008/22/0591

VwGH2008/22/05913.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch die Lukesch Hintermeier & Partner Rechtsanwälte GesbR in 3100 St. Pölten, Andreas Hoferstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 7. Juni 2006, Zl. Fr 7991/02, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von "Serbien und Montenegro", gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer erstmals am 21. Mai 1991 illegal nach Österreich gereist sei. Nach Abweisung seines Asylantrages habe er Österreich im April 1999 verlassen. Am 22. August 2002 sei er mit einem Visum wieder eingereist und habe erneut einen Asylantrag gestellt. Auch dieser sei rechtskräftig abgewiesen worden. Am 8. Juli 2003 habe er die österreichische Staatsbürgerin Barbara M. geheiratet und am 19. August 2003 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" eingebracht. Bei seiner Vernehmung am 24. September 2003 habe er ausgesagt, dass er seit der Hochzeit nur mehr telefonischen Kontakt mit seiner Ehefrau hätte, ihr Aufenthalt wäre ihm unbekannt, ebenso ihre Geburtsdaten.

Barbara M. habe bei ihrer Vernehmung am 8. Oktober 2003 ausgesagt, sie hätte mit der Hochzeit ihrem damaligen Freund einen Gefallen tun wollen, dieser hätte für die Vermittlung der Ehe Geld erhalten und es wäre der Zweck der Heirat gewesen, dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Es wäre nicht beabsichtigt gewesen, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Sie hätte lediglich für die Dauer einer Woche mit dem Beschwerdeführer in der Wohnung seiner Tante gemeinsam gewohnt und sei dort für den Fall gemeldet gewesen, dass die Ehe von der Behörde kontrolliert würde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 29. März 2005 sei die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil diese ausschließlich oder vorwiegend zum Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft gegründet werden sollte. Die belangte Behörde nehme daher als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer die Ehe lediglich deshalb eingegangen sei, um in den Genuss einer längerfristigen Aufenthaltsberechtigung zu kommen, wobei von vornherein nicht geplant gewesen sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Artikel 8 EMRK zu führen. Dieses Verhalten rechtfertige die Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung schwer gefährdet. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG sei erfüllt.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit August 2002 (wieder) in Österreich und habe hier auch Verwandte, hinsichtlich derer eine besonders intensive verwandtschaftliche Beziehung in der Berufung nicht betont worden sei. Der Beschwerdeführer gehe in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach. Zu berücksichtigen sei aber, dass seine Aufenthaltsberechtigungen überwiegend durch unrichtige Angaben und Vorlage von rechtswidrig zu Stande gekommenen Dokumenten erlangt worden seien. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Diese Überlegungen würden auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 60 FPG gelten. Die belangte Behörde könne keine günstigen Parameter erblicken, wonach diese Bestimmung zu Gunsten des Beschwerdeführers anzuwenden wäre. Wegen der aufgezeigten versuchten Erschleichung von Berechtigungen und der Umgehung der österreichischen Rechtsordnung sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann.

Nach Abs. 2 Z 9 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0630).

Der Beschwerdeführer meint, § 60 Abs. 2 Z 9 FPG setze voraus, dass ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Artikel 8 EMRK nie geführt worden sei, diesbezüglich habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Vorerst ist klarzustellen, dass sich ein Fremder gemäß § 30 Abs. 1 NAG für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen darf, wenn ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Artikel 8 EMRK nicht geführt wird. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ("Aufenthaltsehe") ist jedoch (darüber hinaus) erforderlich, dass eine Missbrauchsabsicht bereits bei Eheschließung bestanden hat. Dem Gesetz liegt aber nicht die Intention zu Grunde, dass ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfte, wenn der Fremde zu irgendeinem (früheren) Zeitpunkt mit dem (späteren) Partner ein Familienleben geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, 2006/21/0391).

Im vorliegenden Fall durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG als erfüllt werten. Zum einen wurde durch die Nichtigerklärung der Ehe bindend festgestellt, dass diese in rechtsmissbräuchlicher Absicht geschlossen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0727). Weiters hat sich der Beschwerdeführer unbestritten für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen. Im Zusammenhalt mit dem Hinweis auf den Inhalt der Aussagen des Beschwerdeführers ("Nach der Hochzeit habe nur mehr telefonischer Kontakt bestanden.") und seiner damaligen Ehefrau ist die Bescheidbegründung zweifelsfrei dahin zu verstehen, dass nicht nur geplant gewesen sei, ein gemeinsames Familienleben nicht zu führen, sondern dass ein solches auch nicht geführt wurde. Die Beschwerde enthält kein Argument für eine Annahme, es wäre zu irgendeinem Zeitpunkt (nach der Eheschließung) tatsächlich ein Familienleben geführt worden. Auf den somit verwirklichten Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG aufbauend durfte die belangte Behörde auch die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG bejahen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, 2006/21/0232, demzufolge dieser auch gemeinschaftsrechtlich verpönte Rechtsmissbrauch auch dem strengeren Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG entspricht).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen, ist schon wegen der Nichtigerklärung der Ehe der Boden entzogen. Dies gilt auch für seine Anregung, die Aufhebung des "§ 2 Abs. 2 Z 4" (gemeint wohl: § 2 Abs. 4 Z 11) FPG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Weiters kann dem Beschwerdevorbringen nicht gefolgt werden, wonach zwar die Verfahrensbestimmungen des FPG auf den vorliegenden "Altfall" anzuwenden seien, nicht jedoch die materiellen Bestimmungen. Der Verwaltungsgerichtshof hat eindeutig klargestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, 2007/18/0130), dass auch vor Inkrafttreten des FPG erfüllte Sachverhalte nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen sind.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Es bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass das Aufenthaltsverbot dringend geboten und zulässig im Sinn der dargestellten Rechtslage sei. Angesichts der Missbrauchshandlungen durch das Stellen eines letztlich unbegründeten Asylantrages und das Schließen einer "Aufenthaltsehe" ist das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes derart gewichtig, dass die aus dem inländischen Aufenthalt seit 2002 und seiner Berufstätigkeit abzuleitenden gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers zurückzutreten haben.

Letztlich sind keine Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 3. April 2009

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