VwGH 2008/22/0553

VwGH2008/22/055314.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des VP in G, geboren am 29. Mai 1972, vertreten durch Mag. Helmut Caks, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/I/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. August 2005, Zl. Fr 83/1-2005, betreffend ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen moldawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie § 39 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf den erstinstanzlichen Bescheid und schloss sich den dortigen Ausführungen "vollinhaltlich" an.

Die Behörde erster Instanz hatte in ihrem Bescheid vom 19. Jänner 2005 ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach seinen Angaben am 22. August 2000 illegal in das Bundesgebiet gereist und hier einen Antrag auf Gewährung des Asylrechtes gestellt habe, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Er sei viermal wegen des Verdachtes des Diebstahls (Ladendiebstahl) bzw. einmal "wegen mittelbarer unrichtiger Beurkundung" zur Anzeige gebracht worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. Mai 2003 sei er nach den §§ 127, 129 Z 1 und 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden. Er habe in Österreich eine Lebensgefährtin, die einen (nicht gemeinsamen) Sohn habe. Bereits mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. Oktober 2002 sei der Beschwerdeführer nach § 228 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Die erstinstanzliche Behörde folgerte in rechtlicher Hinsicht, der festgestellte Sachverhalt rechtfertige die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden könnte. Der Beschwerdeführer habe in gewerbsmäßiger Weise durch die Begehung von Einbruchsdiebstählen in fremdes Vermögen eingegriffen. Weiters habe er ausschließlich deshalb ein Asylverfahren unter falschem Namen angestrengt, um zumindest eine gewisse Zeit relativ unbehelligt seine kriminellen Aktivitäten entfalten zu können.

Die belangte Behörde stellte "ergänzend" lediglich fest, dass sich das Asylverfahren des Beschwerdeführers im Stadium der Berufung befinde und durch das Aufenthaltsverbot zwar die Kontaktnahme zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin und deren Sohn erschwert werde, es jedoch möglich sei, diese Kontakte durch Besuche im Ausland aufrecht zu erhalten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtfehlverhalten in Betracht zu ziehen. Der vom Gericht ausgesprochenen bedingten Verurteilung komme im fremdenpolizeilichen Verfahren keine Relevanz zu. Die Art und Weise der von ihm begangenen Straftat lasse ein Charakterbild erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber den zum Schutz fremden Eigentums erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daraus folge, dass im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Die belangte Behörde hat zwar die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wiedergegeben, sie hat es jedoch unterlassen, die diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten darzustellen. Demnach wurde die von der belangten Behörde getroffene negative Zukunftsprognose des Beschwerdeführers insoweit untauglich begründet (vgl. das hg. Erkenntnisse vom 23. November 2004, 2004/21/0112, unter Hinweis auf jenes vom 19. November 2002, 98/21/0361). Obwohl sie in ihrer Begründung darauf hingewiesen hat, dass das "Gesamtfehlverhalten" in Betracht zu ziehen und auf die "Art und Weise" der begangenen Straftaten abzustellen sei, hat sie jedoch nicht einmal wie etwa in dem dem hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, 2003/21/0087, zu Grunde liegenden Beschwerdefall wenigstens die Strafurteile beigeschafft. Wegen dieses relevanten Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Zum Beschwerdevorbringen sei noch klargestellt, dass eine allfällige Gefährdung im Heimatland des Beschwerdeführers im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht von Relevanz ist (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, 2001/21/0082).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war nicht zuzusprechen, weil dem Beschwerdeführer insoweit die Verfahrenshilfe

bewilligt worden war; die verzeichnete Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag bereits enthalten.

Wien, am 14. Oktober 2008

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