VwGH 2008/22/0307

VwGH2008/22/03076.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. September 2007, Zl. 149.606/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 28. September 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 12. März 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 4. Februar 1999 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag sowie am 1. September 2003 jeweils einen Asylantrag gestellt habe; beide Asylverfahren seien in zweiter Instanz mit Bescheid vom 19. Februar 2007 "rechtskräftig negativ entschieden" worden.

Am 19. Februar 2004 habe der Beschwerdeführer in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und den gegenständlichen Antrag, der auf die Familienzusammenführung mit dieser abziele, am 12. März 2004 persönlich bei der Bundespolizeidirektion Wien gestellt. Der Beschwerdeführer sei noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Republik Österreich gewesen. Er und seine Ehefrau seien "seit 13.07.1999 bzw. seit 18.09.1996" durchgehend mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet; der Beschwerdeführer habe somit seinen Antrag im Inland gestellt und sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 81 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2 Z. 1, 72 Abs. 1 und 74 NAG - im Wesentlichen aus, dass das Verfahren über den gegenständlichen Antrag gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sei. Der Antrag sei entgegen § 21 Abs. 1 NAG gestellt worden und somit zwingend abzuweisen, wenn nicht besonders berücksichtigungswürdige Fälle aus humanitären Gründen vorlägen. Humanitäre Gründe im Sinn des § 72 NAG habe die belangte Behörde aber nicht erkennen können; die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin allein stelle "noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dar".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, sodass die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag vom 12. März 2004 um einen Erstantrag im Sinn des § 21 Abs. 1 NAG handle, keinen Bedenken begegnet. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte die Beschwerdeführerin daher grundsätzlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (gleichfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch - etwa auf Familiennachzug - besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0805, mwN).

In diesem Zusammenhang weist die Beschwerde auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland, dessen berufliche und soziale Integration und enge familiäre Bindung in Österreich hin und bringt weiter vor, die belangte Behörde habe eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts in dieser Richtung, nämlich in Hinblick auf "aktenkundige humanitäre Gründe", unterlassen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Nach der hg. Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob humanitäre Gründe in dem beschriebenen Sinn vorliegen, eine Gesamtbetrachtung aller vom Fremden geltend gemachten sozialen und beruflichen Bindungen vorzunehmen; somit ist bei dieser Beurteilung - entsprechende Anhaltspunkte vorausgesetzt - neben der Dauer des Aufenthalts des Fremden in Österreich und seiner familiären Bindung im Bundesgebiet - insbesondere wie etwa hier durch eine aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin

- auch die berufliche Integration einzubeziehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2008/22/0287, mwN).

Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer anlässlich einer Befragung am 28. November 2006 angegeben hat, er arbeite seit 14. Dezember 2004 bei der Firma D.&C.; dies wird durch einen Versicherungsdatenauszug vom 6. Oktober 2006 bestätigt.

Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zur beruflichen Bindung des Beschwerdeführers im Inland keine Feststellungen getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; der Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Pauschalbetrag nach § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung die Umsatzsteuer bereits umfasst. Wien, am 6. Juli 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte