Normen
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z5;
NAG 2005 §21 Abs4;
VwRallg;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z5;
NAG 2005 §21 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 2008 wurde ein vom Beschwerdeführer, einem kroatischen Staatsangehörigen, am 28. November 2005 bei der Erstbehörde gestellter Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 1 Z. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer "sichtvermerksfrei von Kroatien in das Bundesgebiet Österreich eingereist" sei; er lebe seit 2002 in Österreich und habe sich somit zum Zeitpunkt der Antragstellung schon drei Jahre in Österreich aufgehalten. Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die Dauer seines "durch Erteilung eines befristeten Sichtvermerks erlaubten Aufenthalts bereits erheblich überschritten" habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 21 Abs. 4 sowie § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) - im Wesentlichen aus, dass aufgrund des illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit Ende seines sichtvermerksfreien Aufenthaltes von einem zwingenden Versagungsgrund im Sinn des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG auszugehen sei, sodass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel erteilt werden könne. Dabei sei es erheblich, ob der zeitlich beschränkte Aufenthalt sichtvermerksfrei oder durch ein Visum genehmigt sei. Von einer "inhaltlichen Entscheidung, inklusive der Wertung humanitärer Gründe", sei daher Abstand genommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts im Zusammenhang mit
§ 21 Abs. 4 NAG vorliegt.
§ 21 NAG hat unter der Überschrift "Verfahren bei
Erstanträgen" - auszugsweise - den folgenden Wortlaut:
"§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:
1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
(...)
4. Kinder im Fall des § 23 Abs. 4 binnen sechs Monaten nach der Geburt;
5. Fremde, die an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts, und
6. Fremde, die eine Aufenthaltsbewilligung als Forscher (§ 67) beantragen, und deren Familienangehörige.
(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Staatsangehörige bestimmter Staaten durch Verordnung zur Inlandsantragsstellung zuzulassen, soweit Gegenseitigkeit gegeben ist oder dies im öffentlichen Interesse liegt.
(4) Eine Inlandsantragstellung nach Abs. 2 Z 1 und Z 4 bis 6 und Abs. 3 schafft kein über den erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 soll die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG "jene Fälle" erfassen, die "zwar zur Inlandsantragstellung berechtigt sind, aber dann rechtswidrig länger im Bundesgebiet bleiben, um das Ergebnis des Niederlassungsverfahrens abzuwarten" (zitiert etwa in Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration 385).
Danach ist die Bestimmung insbesondere im Zusammenhang mit § 21 Abs. 2 Z. 5 NAG zu sehen, wonach Fremde, die "an sich zur sichtsvermerksfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts" abweichend von § 21 Abs. 1 NAG zur Antragstellung im Inland berechtigt sind.
Gemäß § 15 Abs. 2 erster Satz Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG brauchen passpflichtige Fremde, soweit dies nicht durch Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum (Sichtvermerkspflicht). Die §§ 28 bis 30 FPG sehen Ausnahmen von dieser Sichtvermerkspflicht vor.
Der von der belangten Behörde allfällig herangezogene Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG setzt einerseits einen sichtvermerksfreien Aufenthalt des Antragstellers sowie andererseits die Überschreitung der Dauer des so erlaubten Aufenthalts voraus.
Hingegen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der belangten Behörde, dass dieser Versagungsgrund auch Fälle umfasst, in denen ein Fremder mit Sichtvermerk eingereist ist und die Dauer des durch Sichtvermerk erlaubten Aufenthalts überschreitet (vgl. zu dieser Konstellation das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2009, 2008/22/0719).
Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang auf Widersprüche in der Begründung des angefochtenen Bescheides hin, der einmal davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei, an anderer Stelle aber auf die Erteilung eines befristeten Sichtvermerks bzw. Visums hinweise.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Den eingangs wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides kann tatsächlich nicht mit Sicherheit entnommen werden, ob sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise im Jahr 2002 - infolge einer Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht - sichtvermerksfrei in Österreich aufhält oder ob er aufgrund eines Sichtvermerks in das Bundesgebiet eingereist ist. Der damit vorliegende Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides ist wesentlich, weil er den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides anhand des von der Behörde herangezogenen Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG hindert.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 6. August 2009
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