Normen
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 21. Februar 2006 den österreichischen Staatsbürger A in der Türkei geheiratet und strebe infolge dessen den Aufenthalt in Österreich an.
Die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden, Unterlagen vorzulegen, die belegten, dass ihr Unterhalt gesichert sei. Daraufhin sei eine Bestätigung der "Magistratsabteilung 15" vorgelegt worden, in der angeführt sei, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin Sozialhilfe und Wohnbeihilfe beziehe. Mit diesem Einkommen werde der in § 293 ASVG für ein Ehepaar vorgesehene Richtsatz von EUR 1.091,14 nicht erreicht. Da das Einkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin deutlich unter diesem Richtsatz liege, und auch sonst nicht nachgewiesen worden sei, dass die notwendigen Unterhaltsmittel vorhanden seien, sei es wahrscheinlich, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Sohin dürfe mangels Vorliegen der Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Bei der Interessenabwägung müsse den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin "absolute Priorität" eingeräumt werden, weil sie keinen Nachweis über die zukünftige Sicherung des Unterhalts erbracht habe. Sohin könne auch § 11 Abs. 3 NAG nicht zur Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels führen, zumal Art. 8 EMRK nicht die generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates umfasse, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.
Nach § 47 Abs. 2 (erster Satz) NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG (dabei handelt es sich um Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt) sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen.
Gemäß dem - im 1. Teil des NAG enthaltenen - § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt. Nach § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a EO nicht zu berücksichtigen.
§ 11 Abs. 3 NAG sieht vor, dass ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 2 bis 6 erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.
Die Beschwerde wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, es lägen keine ausreichenden Unterhaltsmittel vor. Dazu wird vorgebracht, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin monatliche Sozialhilfeleistungen von etwa EUR 800,-- beziehe und es der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil gereichen könne, dass ihr Ehemann auf Sozialleistungen angewiesen sei.
Zutreffend (und von der Beschwerdeführerin unbestritten) ging die belangte Behörde bei der Beurteilung, ob ausreichende Unterhaltsmittel vorliegen, vom in § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. II Nr. 532/2006) enthaltenen Richtsatz von EUR 1.091,14 aus (vgl. zur Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel im Falle der Familienzusammenführung von Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt zu leben beabsichtigen, das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711).
Selbst in der Beschwerde wird nun nicht behauptet, dass das Einkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin, mit dem (auch) ihr Unterhalt bestritten werden soll, jenes Ausmaß erreichen würde, das nach dem Gesagten notwendig wäre, um den Unterhalt sowohl für ihn als auch die Beschwerdeführerin sicherzustellen. Schon deswegen kann die Ansicht der belangten Behörde, die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG sei nicht erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweist, sie könnte in Österreich einer Arbeit nachgehen und somit selbst Unterhaltsmittel ins Verdienen bringen, so ist ihr zwar insoweit darin beizupflichten, dass mit dem von ihr begehrten Aufenthaltstitel nach dem NAG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht ausgeschlossen ist (vgl. darüber hinaus hinsichtlich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 157/2005). Jedoch bringt die Beschwerdeführerin nicht einmal vor, dass sie im Falle der Erteilung des Aufenthaltstitels tatsächlich konkrete Aussicht habe, einer bestimmten Erwerbstätigkeit nachzugehen zu können, und wie hoch ihr daraus lukriertes Einkommen sein werde. Durch die bloße Absichtserklärung, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen zu wollen, kann hingegen allein nicht dargetan werden, dass die erforderlichen Unterhaltsmittel im Falle der Erteilung des Aufenthaltstitels vorhanden wären.
Zutreffend wendet sich die Beschwerdeführerin allerdings gegen die von der belangten Behörde nach § 11 Abs. 3 NAG vorgenommene Interessenabwägung.
Die belangte Behörde führt aus, dass im Rahmen der Interessenabwägung auf Grund des fehlenden Nachweises über die zukünftige Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin den öffentlichen Interessen gegenüber ihren privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse. Damit hat die belangten Behörde im Ergebnis die Ansicht vertreten, dass bei Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG den öffentliche Interessen jedenfalls ein so großes Gewicht zukomme, dass die Abwägung unabhängig vom Gewicht der persönlichen Interessen des Fremden immer zu dessen Lasten ausgehen müsse.
Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, würde doch im Fall des Fehlens einer Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 NAG die vom Gesetzgeber gemäß § 11 Abs. 3 NAG für alle Fälle des Abs. 2 getroffene Anordnung einer Abwägung ins Leere gehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, 2008/22/0391, sowie aus jüngerer Zeit jenes vom 18. Februar 2010, 2008/22/0396).
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde auch keinerlei Feststellungen zum - schon im Verwaltungsverfahren erstatteten - Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr Ehemann leide unter (näher bezeichneten) schweren Erkrankungen, bedürfe mehrerer Operationen, sei nicht mobil und bedürfe ständiger Pflege, wobei die Pflege durch die Beschwerdeführerin als nächste Angehörige sogar vorgelegten ärztlichen Bestätigungen zufolge auch aus ärztlicher Sicht befürwortet werde, sowie zum Vorbringen, es sei dem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehemann, der sein bisheriges Leben in Österreich verbracht habe, unter Berücksichtigung seines Krankheitszustandes nicht möglich und zumutbar, Österreich zu verlassen und das Familienleben andernorts zu führen, getroffen.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Aufwandersatz war der Beschwerdeführerin mangels eines darauf gerichteten Antrages nicht zuzusprechen.
Wien, am 18. März 2010
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)