Normen
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §44;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §44;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 (zu 1.) und EUR 991,20 (zu 2.), insgesamt sohin EUR 2.162,40, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde Anträge des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß §§ 19 Abs. 2 Z 6 und 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG bzw. § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Begründend führte die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid aus, der Beschwerdeführer sei zuletzt mit einem vom 14. Mai 2003 bis 13. Juni 2003 gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist und ab 15. Mai 2003 in 1030 Wien wohnhaft gewesen. Ein humanitärer Grund, wonach die Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG hätte zugelassen werden können, liege nicht vor. Für das Bestehen der vom Beschwerdeführer als humanitärer Grund ins Treffen geführten chronischen Wirbelsäulenerkrankung sei kein Nachweis erbracht worden. Auch sei nicht nachgewiesen worden, ob die Erkrankung nur in Österreich oder nicht auch im Heimatland des Beschwerdeführers behandelt werden könnte. Das jüngste Kind des Beschwerdeführers werde in Bälde volljährig. Die alleinige Obsorge über dieses Kind, zu dem der Beschwerdeführer keinen persönlichen Kontakt pflegen würde, sei der Mutter, von der der Beschwerdeführer geschieden sei, übertragen worden. Der Beschwerdeführer habe seinen früheren langjährigen Aufenthalt in Österreich durch Ausreise und Abwesenheit in der Zeit von 1997 bis 2003 unterbrochen. Daher könne seiner Darstellung, dass er in Österreich den Lebensmittelpunkt habe, nicht gefolgt werden.
Im zweitangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1977 in Österreich eingereist und bis 1996 im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Im März 1996 sei er abgeschoben worden. Mit Bescheid vom 29. November 1996 habe die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. "In der Folge" sei er "erst wieder am 14.05.2003 mit einem vom 14.05.2003 bis 13.06.2003 gültigen Visum der Kategorie C" in das Bundesgebiet eingereist. Auf Grund der jahrelangen Abwesenheit sei der Antrag des Beschwerdeführers als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Unter Hinweis auf den erstangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde weiter aus, dass humanitäre Gründe, auf Grund derer die Inlandsantragstellung hätte zugelassen werden können, nicht vorliegen würden. Da es sich um einen Erstantrag handle, könne "noch keine Berechtigung nach dem Assoziationsabkommen gegeben sein".
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerden ablehnte und diese über Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerden - nach Verbindung der Rechtssachen wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
In den Beschwerden wird (unter anderem) ausgeführt, der Beschwerdeführer dürfe aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht abgeschoben werden. Daher könne er aus humanitären Gründen einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung geltend machen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerden im Ergebnis zum Erfolg.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der erstangefochtene Bescheid im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung nach den Vorschriften des (am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) FrG, der zweitangefochtene Bescheid hingegen mit Blick auf Zeitpunkt der Erlassung gemäß § 81 Abs. 1 NAG, wonach Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG anhängig waren, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind, nach den Vorschriften des NAG zu beurteilen ist.
Weiters ist voranzustellen, dass gegen die Ansicht der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen, die er noch während der Geltung des FrG stellte, seien als Erstanträge zu werten, keine Bedenken bestehen.
§ 23 Abs. 1 FrG ordnet an, dass Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, bei Bestehen der sonstigen Voraussetzungen auf Antrag - der gemäß § 14 Abs. 2 FrG im Inland gestellt werden kann - eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen ist. Dies gilt nicht bloß dann, wenn der Fremde den Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 31 Abs. 4 FrG rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels beantragt. Vielmehr ist auch bei späterer Antragstellung unter der Voraussetzung, dass der Fremde - wenn auch ohne Bewilligung - nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleibt, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Auf das Ausmaß der Fristversäumung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Dies gilt gemäß der Übergangsbestimmung des § 112 FrG auch für Fälle, in denen der Fremde bisher nicht über eine Niederlassungsbewilligung nach dem FrG, sondern über einen nach früher geltenden Bestimmungen erteilten Titel verfügt hat, der ihn zur dauernden Niederlassung berechtigte. Ein Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung ist selbst dann zu führen, wenn ein Fremder der früher zur dauernden Niederlassung berechtigt war, trotz eines rechtskräftig über ihn verhängten Aufenthaltsverbots auf Dauer niedergelassen geblieben ist. Jedoch kann ein Fremder nicht durch bloße Aufrechterhaltung seines Niederlassungswillens eine Niederlassung im Bundesgebiet auf Dauer beibehalten, maßgebend ist vielmehr, dass er seine tatsächliche Niederlassung, sei es auch mit kurzfristigen Unterbrechungen seiner körperlichen Anwesenheit aufrecht erhält (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 2003, 2002/18/0273).
Gemäß § 24 Abs. 2 NAG gelten Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, nur dann als Verlängerungsanträge, wenn der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurde. Nach § 21 Abs. 2 Z 2 NAG sind Fremde, die bisher rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, auch wenn sie zu dieser Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach dem NAG benötigt haben, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG zur Erstantragstellung im Inland berechtigt.
Unbestritten hielt sich der Beschwerdeführer infolge des gegen ihn damals bestehenden Aufenthaltsverbotes in der Zeit von 1997 bis 2003 in der Türkei auf. Somit konnte weder davon gesprochen werden, er sei vor Antragstellung rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen (§ 21 Abs. 2 Z 2 NAG), noch davon, er habe seine tatsächliche Niederlassung - wenn auch unrechtmäßig - lediglich mit kurzfristigen Unterbrechungen seiner Anwesenheit aufrecht erhalten (§ 14 Abs. 2 FrG). Die belangte Behörde ging somit in beiden Fällen zutreffend davon aus, dass die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge als Erstanträge zu werten waren.
Sohin wäre fallbezogen in beiden Fällen - nach der insoweit inhaltsgleichen Rechtslage - die Inlandsantragstellung nur bei Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles aus humanitären Gründen zulässig (§§ 10 Abs. 4, 14 Abs. 2 letzter Satz FrG bzw. §§ 72, 74 NAG).
§ 10 Abs. 4 FrG bzw. § 72 NAG stellen auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinne dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, 2008/22/0264).
Die belangte Behörde gesteht dem Beschwerdeführer auf Grund seines früheren langjährigen Aufenthalts in Österreich zwar persönliche Bindungen zum Bundesgebiet zu, misst diesen jedoch im Hinblick auf den zuletzt langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei keine ausschlaggebende Bedeutung bei. Dabei lässt die belangte Behörde aber gänzlich unberücksichtigt, dass das von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 29. November 1996 gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot, welches sich auf § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 Fremdengesetz 1992 ("Mittellosigkeit") gründete, gemäß § 114 Abs. 3 zweiter Satz FrG auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 8. Jänner 1998 aufzuheben war, weil dieses Aufenthaltsverbot nach den Bestimmungen des (in seinen hier maßgeblichen Teilen am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen) FrG nicht hätte erlassen werden dürfen.
Im Verfahren über diesen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, der vorerst im Instanzenzug abgewiesen wurde, kam der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Juli 2002, 98/18/0361, zum Ergebnis, dass das Gewicht der öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der nach § 37 FrG durchzuführenden Interessenabwägung durch die persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers, ungeachtet dessen, dass er zuletzt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, entscheidend herabgesetzt sei. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in Österreich wurden im genannten Erkenntnis vom 24. Juli 2002 mit Blick auf seinen durchgehenden Aufenthalt in Österreich von Juli 1989 bis 3. April 1996, seine im Aufenthaltsverbotsbescheid genannten Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder sowie sein früherer durchgehender Aufenthalt von 1977 bis 1987 in Österreich als gewichtiger gewertet als die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgeführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, 2008/22/0264, mwH), dass aus dem engen Zusammenhang der Berücksichtigung humanitärer Gründe im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung und im Niederlassungsverfahren eine Verknüpfung folgt, welche das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK im aufenthaltsbeendigenden Verfahren auch für die auf Art. 8 EMRK gestützte Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung, jedenfalls bei gleich gebliebenen Umständen, als relevant erscheinen lässt.
Im gegenständlichen Fall kann nun im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von 1997 bis 2003 nicht in Österreich aufhältig war, nicht ohne Weiteres von gleich gebliebenen Umständen gesprochen werden, jedoch ist hier bei der nach Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung zu berücksichtigen, dass die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers außerhalb Österreichs maßgeblich darauf zurückzuführen ist, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestand, das nach Inkrafttreten des FrG (1. Jänner 1998) hätte aufgehoben werden müssen und sein diesbezüglicher Antrag, den er nach Ausweis der vorliegenden Akten bereits am 8. Jänner 1998 stellte, vorerst in rechtswidriger Weise abgewiesen und das Aufenthaltsverbot erst nach der die Antragsabweisung behebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben wurde.
Es kann sich daher der - über die längste Zeit rechtswidrig erzwungene - Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland bei der gebotenen Abwägung nicht als maßgeblich zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlaggebend darstellen. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung darüber hinaus aber auch nicht ausreichend gewürdigt, dass dem Beschwerdeführer bereits am 16. Mai 2003, also kurz nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und kurz nach seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet, ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag sohin nicht zu erkennen, inwieweit die im Erkenntnis vom 24. Juli 2002 getroffene Aussage, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet vermöchten die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen, selbst im Lichte der mittlerweile eingetretenen, aber nicht als maßgeblich geändert anzusehenden Umstände in den hier gegenständlichen Verfahren eine anders lautende Bewertung zulassen würde. Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts der Umstände des hier zu entscheidenden Falles besondere Berücksichtigungswürdigkeit im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG bzw. § 72 Abs. 1 NAG nicht vorliegen würde, nicht teilen, was wiederum zur Folge hat, dass die Zulässigkeit der Antragstellungen im Inland nicht verneint hätte werden dürfen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246/07 u.a., wonach dann, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG vorliegen, ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann"), die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen ist).
Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Oktober 2008
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