VwGH 2008/22/0030

VwGH2008/22/003028.8.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 2004, Zl. 142.301/2- III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §24;
FrG 1997 §18 Abs1 Z1;
FrG 1997 §18 Abs1a;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §22 Abs2;
FremdenG 1997;
VwRallg;
AuslBG §24;
FrG 1997 §18 Abs1 Z1;
FrG 1997 §18 Abs1a;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §22 Abs2;
FremdenG 1997;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 14 Abs. 3, 18 Abs. 1a, 19 Abs. 1 und 22 des Fremdengesetzes 1997 - FrG iVm § 24 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG ab.

Der am 24. Oktober 2003 gestellte Antrag, der mit der beabsichtigten Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Zeitungskolporteur begründet worden sei, sei als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z 1 FrG" zu werten gewesen, weil nach der "FrG-Novelle 2002 zum Fremdengesetz 1997", welche ab 1. Jänner 2003 in Kraft gewesen sei, quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur mehr an Schlüsselkräfte hätten erteilt werden dürfen.

Der Landeshauptmann von Wien habe die Landesgeschäftsstelle des AMS Wien um Erstellung eines Gutachtens gemäß § 24 AuslBG ersucht. Diese habe mit Gutachten vom 5. Mai 2004 festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Erfordernisse des § 24 AuslBG nicht erfülle.

Weder der Berufung noch der im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers habe entnommen werden können, dass die Erfordernisse des § 24 AuslBG erfüllt gewesen wären.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien habe im Gutachten vom 5. Mai 2004 schlüssig ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Tätigkeit nicht als die einer selbständigen Schlüsselkraft anzusehen sei. Es werde davon ausgegangen, dass er sich bei der Ausübung einer Tätigkeit als Zeitungskolporteur um eine Tätigkeit handle, bei welcher die Merkmale der Selbständigkeit überwiegen würden. Dennoch sei nicht damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer Arbeitsplätze in einem für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Umfang schaffen würde. Auf einen für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Transfer von Investitionskapital nach Österreich könne nicht geschlossen werden.

Im Hinblick auf die Kriterien für selbständige Schlüsselkräfte stehe für die belangte Behörde fest, dass die angestrebte selbständige Erwerbstätigkeit keinesfalls als die einer Schlüsselkraft angesehen werden könne (wobei die belangte Behörde anmerkte, sich "im Hinblick auf die seinerzeitige Judikatur der Höchstgerichte zu § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes 1992 (...) nicht an die Feststellung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices gebunden" zu erachten). Als Schlüsselkräfte gälten Fremde, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügten. Zusätzlich müsse mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung der beabsichtigten Beschäftigung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder ein Beitrag der beabsichtigten Beschäftigung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze oder ein maßgeblicher Einfluss des Fremden auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) oder ein Transfer von Investitionskapital nach Österreich als Folge der beabsichtigten Beschäftigung.

Die beabsichtigte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Zeitungskolporteur diene primär dazu, seinen "eigenen Arbeitsplatz zu schaffen". Darin sei kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinne des § 24 AuslBG erkennbar. Es sei auch kein Transfer von Investitionskapital nach Österreich oder die Schaffung von Arbeitsplätzen oder eine qualifizierte Leistung ersichtlich.

Abschließend stellte die belangte Behörde fest, den öffentlichen Interessen habe gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers "absolute Priorität" eingeräumt werden müssen, weil die vom Beschwerdeführer beabsichtigte selbständige Tätigkeit im Bundesgebiet keinesfalls der einer Schlüsselkraft entspreche.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung nach den Vorschriften des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen FrG zu beurteilen ist (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach sein Antrag vom 20. Februar 2002 als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z 1 FrG" zu beurteilen war, wobei sich diese als unbedenklich darstellte, zumal der Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde ausdrücklich aufgefordert wurde, für den Fall, dass er einen anderen Aufenthaltszweck anstrebe als jenen, von dem die Behörde auf Grund seiner bisherigen Angaben ausgehe, den sonst angestrebten Aufenthaltszweck bekannt zu geben, er aber diese Aufforderung unbeantwortet ließ. Soweit der Beschwerdeführer - offenbar in diesem Zusammenhang - in der Beschwerde rügt, dass kein Grund ersichtlich gewesen wäre, die Antragsabweisung (auch) auf § 14 Abs. 3 FrG zu stützen, ist er darauf hinzuweisen, dass der Antrag weder nach § 14 Abs. 3 FrG zurückgewiesen noch die Versagung der Niederlassungsbewilligung inhaltlich auf diese Bestimmung gegründet wurde. Durch das (überflüssige) Anführen dieser Gesetzesbestimmung im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer in keinen Rechten verletzt.

Weiters wird in der Beschwerde gerügt, die belangte Behörde hätte bei ihrer Entscheidungsfindung nicht ausreichend auf das ihr zustehende Ermessen Bedacht genommen. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, welche Umstände bei der nach §§ 8, 19 FrG zu treffenden Ermessensentscheidung (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236, und vom 16. Februar 2001, Zl. 99/19/0067) zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen wären und weshalb diese Umstände zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (allenfalls für einen anderen Aufenthaltszweck, vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 99/19/0057) hätten führen müssen.

Inhaltlich macht die Beschwerde geltend, dass bei einer selbständigen Tätigkeit als Zeitungskolporteur niemals damit zu rechnen sei, dass Arbeitsplätze in einem für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Umfang geschafft würden. Die Befriedigung des Bedürfnisses zum Kauf und Lesen von periodischen Drucksachen sei jedoch ein zu befriedigendes Bedürfnis der Gesamtbevölkerung, welches ohne Zweifel einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen darstelle. Sohin wolle er eine Tätigkeit ausüben, welche sehr wohl gesamtwirtschaftliche Interessen der Länder berücksichtige und befriedige. Sei "der Zeitungsverkauf auf der Straße nicht ermöglicht, dann könnten Zeitungen auf der Straße auch nicht verkauft werden". Wer sonst für den Zeitungsverkauf auf der Straße auftreten würde, sei zumindest für den Beschwerdeführer nicht erkennbar. Die belangte Behörde verliere kein Wort darüber, wer sonst als der Zeitungskolporteur auf der Straße Zeitungen verkaufen würde.

In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde auch, dass die belangte Behörde sich auf ein "Gutachten des AMS Wien LGST" vom 5. Mai 2004 beziehe, er aber dieses Gutachten nicht im Rahmen des Verfahrens mit Rechtsmittel habe bekämpfen können.

Diese Vorbringen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg:

Für die - gemäß § 89 FrG von der Niederlassungsbehörde auf Grundlage eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu treffende - Beurteilung, ob eine (beabsichtigte) selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, ist gemäß § 24 AuslBG der gesamtwirtschaftliche Nutzen maßgeblich. Ob ein derartiger Nutzen vorliegt, hängt insbesondere davon ab, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt demnach darauf ab, dass ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist. Dieser Impuls muss jedenfalls durch die selbständige Tätigkeit des Fremden bewirkt werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0006, und vom 20. Dezember 2007, Zl. 2004/21/0327, jeweils mwH.).

Dass mit der in Aussicht genommenen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Zeitungskolporteur weder ein Kapitalimport noch die Schaffung von Arbeitsplätzen möglich oder vorgesehen ist, räumt die Beschwerde selbst ausdrücklich ein. Welcher gesamtwirtschaftliche Nutzen aus dem auf Straßen vorgenommenen Zeitungsverkauf durch einen einzelnen Zeitungskolporteur sonst entstehen soll, wurde nicht dargetan. Weshalb - wie es die Beschwerde glauben machen möchte - ohne die Tätigkeit des Beschwerdeführers der Zeitungsverkauf in Österreich nicht möglich (und deshalb der gesamtwirtschaftliche Nutzen gegeben) sein sollte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Ausschlaggebend für die Verneinung der Qualifikation der beabsichtigten Tätigkeit des Beschwerdeführers als selbständige Schlüsselkraft bleibt somit letztlich, dass mit der vom Beschwerdeführer in Aussicht genommenen Tätigkeit weder ein Kapitalimport noch die Schaffung von Arbeitsplätzen noch ein anderer gesamtwirtschaftlicher Nutzen verbunden ist.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht mit Rechtsmittel bekämpfen können, ist darauf hinzuweisen, dass sich weder dem FrG noch § 24 AuslBG eine Bindung der belangten Behörde an das gemäß § 24 AuslBG zu erstellende Gutachten entnehmen lässt. Die abschließende Entscheidung kommt der Niederlassungsbehörde zu, die die Schlüssigkeit der Stellungnahme der besagten Landesgeschäftsstelle samt dem darin enthaltenen Gutachten zu überprüfen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, Zl. 2005/18/0662, mwH.). Diese Entscheidung kann sowohl im Berufungswege als auch durch Beschwerdeführung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts einer Überprüfung zugeführt werden. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens - unbestrittenermaßen - die Möglichkeit eingeräumt wurde, zum Gutachten vom 5. Mai 2004 Stellung zu nehmen und ihm somit Gelegenheit gegeben wurde, die Ausführungen der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu entkräften.

Da die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer in seiner beabsichtigten Tätigkeit nicht die Voraussetzungen für eine Qualifikation als Schlüsselkraft erfüllt, nach dem Vorgesagten keinen Bedenken begegnet und die behaupteten Verfahrensmängel nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. August 2008

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