VwGH 2008/21/0581

VwGH2008/21/058127.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1b/17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. Juli 2008, Zl. Fr 1021/2002, betreffend Feststellung gemäß § 51 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §75 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §50;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
VwRallg;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs1;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §50;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der im Verwaltungsverfahren bis zuletzt behauptet hatte, er sei ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste gemäß seinen Angaben im Juni 1995 nach Österreich ein. Sein Asylantrag wurde rechtskräftig abgewiesen (mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Juni 1995), außerdem stellte die Bundespolizeidirektion Graz mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 4. Juli 1995 gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme aus Anlass eines Aufenthaltsverbotsverfahrens stellte der Beschwerdeführer am 15. März 2002 erneut den Antrag, die Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Liberia auszusprechen. Er begründete diesen Antrag damit, dass sein Vater Offizier "bei der Rebellenarmee" gewesen sei; als Sohn eines Rebellen würde er (Beschwerdeführer) bei einer Rückkehr nach Liberia sofort inhaftiert werden.

Mit Bescheid vom 15. November 2002 wies die Bundespolizeidirektion Leoben den Antrag des Beschwerdeführers - gestützt auf § 75 Abs. 1 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 - ab. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. Dezember 2003 keine Folge.

Mit hg. Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2004/21/0134, wurde der genannte Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dabei wurde eingeräumt, dass der Beschwerdeführer bezüglich seiner individuellen Fluchtgeschichte grob widersprüchliches Vorbringen erstattet habe. Die belangte Behörde hätte sich allerdings - so die Erwägungen im genannten Erkenntnis zusammengefasst - insbesondere im Hinblick auf den notorischen langjährigen Bürgerkrieg näher mit der allgemeinen Lage in Liberia auseinander setzen müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom 2. Juli 2008 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Feststellungsbescheid der Bundespolizeidirektion Leoben vom 15. November 2002 neuerlich keine Folge und bestätigte diesen Bescheid, wobei sie sich nunmehr auf § 51 sowie § 50 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG stützte. Sie ging auf das Wesentliche zusammengefasst davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, ihm würde als Sohn eines Rebellen bei einer Rückkehr nach Liberia sofort Verhaftung drohen, nicht glaubwürdig seien. Was indes die Situation in Liberia anlange, so könne nach Beendigung des Bürgerkrieges im Jahr 2003 nunmehr davon ausgegangen werden, dass in Liberia "keine extreme allgemeine Gefahrenlage" mehr herrsche und dass jedenfalls in Monrovia Sicherheit vor Folter und Misshandlung sowie eine ausreichende Versorgung für Rückkehrer bestehe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Übergangsvorschrift des § 125 Abs. 1 FPG auch auf Verfahren zur Feststellung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat anzuwenden ist (vgl. das Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0366). Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Bestimmungen des FPG angewendet.

§ 51 Abs. 1 erster Satz FPG und der dort genannte § 50 Abs. 1 und 2 FPG in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 lauten:

"Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat

§ 51. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Fremdenpolizeibehörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

...

Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung

§ 50. (1) Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005)."

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 51 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 und/oder Abs. 2 glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG im Verfahren gemäß § 51 FPG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. zum Ganzen ebenfalls das schon genannte hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008).

Der Beschwerdeführer tritt der Beurteilung der belangten Behörde, die von ihm in seinem Antrag geltend gemachten gefährdungsbegründenden Umstände träfen nicht zu, nicht entgegen. Er behauptet aber, er sei - anders als im bekämpften Bescheid zugrunde gelegt - nicht liberianischer sondern nigerianischer Staatsangehöriger, was durch die Ausstellung eines nigerianischen Reisepasses bestätigt werde.

Mit diesem Vorbringen bekräftigt der Beschwerdeführer zunächst im Ergebnis die Erwägungen der belangten Behörde betreffend die Unglaubwürdigkeit der von ihm bislang getätigten Angaben, hat er doch trotz mehrfachem Vorhalt im Verwaltungsverfahren stets darauf beharrt, er sei liberianischer Staatsangehöriger. Soweit er unter Bezugnahme auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit Überlegungen zur Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria anstellt, ist ihm aber zu entgegnen, dass dieser Staat von seinem Feststellungsantrag nicht umfasst war. Soweit der Beschwerdeführer weiter zu Liberia Stellung nimmt, behauptet er einerseits, dort zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden zu sein. Das war im Rahmen des gegenständlichen Feststellungsverfahrens allerdings nie vorgebracht worden, weshalb darauf schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) nicht näher einzugehen ist. Andererseits bringt der Beschwerdeführer vor, dass in Liberia Folter und Todesstrafe praktiziert und unverhältnismäßige Haftstrafen verhängt würden. Inwieweit das für ihn - zumal als nigerianischen Staatsangehörigen - relevant sein könnte, ist jedoch vor dem Hintergrund, dass seine im Verwaltungsverfahren erstatteten Angaben über ihm widerfahrene Vorfälle in Liberia nicht für zutreffend erachtet wurden, nicht zu sehen.

Die von der belangten Behörde festgestellte "Lageberuhigung" in Liberia nach Beendigung des Bürgerkriegs 2003 bestreitet der Beschwerdeführer nicht mehr. Auch den seiner Beschwerde angeschlossenen Berichten zu Liberia ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Der bekämpfte Bescheid erweist sich daher auch von daher als unbedenklich. Ihm haftet schließlich - anders als der Beschwerdeführer meint - nicht deshalb eine Rechtswidrigkeit an, weil er sich bereits seit 13 Jahren im Bundesgebiet befindet und hier über private und familiäre Beziehungen verfügt. Der in diesem Zusammenhang angesprochene § 66 FPG kommt nämlich im Verfahren nach § 51 FPG nicht zum Tragen.

Insgesamt ergibt sich damit, dass der Beschwerde keine Berechtigung zukommt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Jänner 2011

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