VwGH 2008/21/0397

VwGH2008/21/039723.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des Z Z, geboren 1953, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 2007, Zl. BMI- 1001468/0001-II/3/2007, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

62003CJ0373 Aydinli VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
62003CJ0373 Aydinli VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zu der - die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes betreffenden - Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0110, verwiesen.

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 21. März 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 3. Februar 2004 auf Aufhebung dieses - gegen ihn mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 1996 erlassenen - unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG abgewiesen.

Maßgeblicher Grund für jenes unbefristete Aufenthaltsverbot seien zahlreiche Verurteilungen wegen straf- und verwaltungsrechtlicher Delikte gewesen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1998 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 87 Abs. 1 und 2 StGB sowie § 36 Abs. 1 Z. 1 WaffG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien (zuletzt) vom 7. August 2000 auf sieben Jahre und drei Monate herabgesetzt worden sei.

Laut Grenzübergangsbestätigung sei der Beschwerdeführer nach (teilweiser) Verbüßung seiner Strafhaft am 9. Dezember 2000 über den Flughafen Wien-Schwechat aus Österreich ausgereist. Der Beschwerdeführer habe in der Folge mehrmals gemäß § 72 Abs. 2 FPG um Gewährung der kurzfristigen Wiedereinreise zu Besuchszwecken angesucht; das Bundeskriminalamt habe diesbezüglich mit Schreiben vom 21. Juli 2006 in Hinblick auf die schwer wiegende Verurteilung des Beschwerdeführers keine "positive Gefährlichkeitsprognose" abgegeben und die Gestattung der Wiedereinreise nicht befürwortet.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, dass zufolge § 125 Abs. 1 FPG im gegenständlichen Verfahren das FPG zur Anwendung komme. Im Hinblick auf § 65 FPG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer nach Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes abermals strafgerichtlich zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt worden sei. Damit habe er dokumentiert, dass er nach wie vor nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Im Hinblick auf die nach § 60 Abs. 6 FPG vorzunehmende Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG rechtfertige die Schwere der zuletzt durch den Beschwerdeführer verübten Straftat die Annahme, dass in seinem Fall keinesfalls von einer zwischenzeitig eingetretenen Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (vorwiegend der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, des Schutzes der körperlichen Integrität und des Vermögens Anderer) ausgegangen werden könne.

Die Bindungen des Beschwerdeführers zum Bundesgebiet seien bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entsprechend gewürdigt worden. Im Hinblick auf die Ausreise des Beschwerdeführers aus Österreich am 9. Dezember 2000 könne davon ausgegangen werden, dass dessen familiäre Beziehungen zu Österreich nicht intensiviert worden seien. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Sohn und die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers noch in Österreich lebten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der hg. Rechtsprechung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0783, sowie vom 6. September 2007, Zl. 2007/18/0171, mwN).

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass seine bedingte Entlassung aus der Strafhaft (am 24. November 2000) deshalb möglich gewesen sei, weil bei ihm eine besonders günstige Zukunftsprognose vorgelegen sei. Seit der freiwilligen Ausreise aus Österreich im Jahr 2000 habe er sich immer im Ausland aufgehalten und sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Der Sohn des Beschwerdeführers, ein österreichischer Staatsbürger, lebe in Österreich und werde durch das Aufenthaltsverbot daran gehindert, die Vater-Sohn-Beziehung entsprechend zu gestalten; insbesondere verhindere das Aufenthaltsverbot eine Intensivierung der Vater-Sohn-Beziehung, weil der Beschwerdeführer seinen Sohn nicht entsprechend oft in Österreich besuchen könne.

Auf Grund des positiven Gesinnungswandels des Beschwerdeführers stelle dieser keinesfalls mehr eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

3.1. Soweit der Beschwerdeführer mit seinem langen Wohlverhalten argumentiert, ist er auf die genannte Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1998 zu verweisen. Dieser lag zu Grunde, dass er in Wien am 11. November 1993 anderen Personen eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt hatte, und zwar dem S. durch Abgabe mehrere Schüsse aus einer Pistole gegen den linken Oberschenkel, in den Unterbauch und Kopf, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte, sowie dem Z. durch Abgabe eines Pistolenschusses gegen die Beine, wodurch dieser einen mit einem Schussbruch des linken Oberschenkelknochens verbundenen Steckschuss, also eine an sich schwere Verletzung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, erlitten hatte. Weiters hatte der Beschwerdeführer von März bis Oktober 1993 zu Unrecht eine Faustfeuerwaffe besessen und geführt.

Im Hinblick auf dieses gravierende Fehlverhalten, das nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes (zusätzlich zu den bereits berücksichtigten Verhaltensweisen) hervorgekommen ist, erscheint der nach der Enthaftung und Ausreise des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum von etwas mehr als sechs Jahren noch als zu kurz, um auf einen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 60 Abs. 1 bzw. des § 66 Abs. 1 FPG schließen zu können (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0783).

3.2. Soweit die Beschwerde ausführt, der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft liege eine "besonders günstige Zukunftsprognose" zu Grunde, ist darauf zu verweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot aufrecht zu erhalten ist, unabhängig von den die bedingte Entlassung aus der Strafhaft begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeigesetzes zu beurteilen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0460, mwN).

Im Hinblick auf die nach Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer besonders schwer wiegenden Straftat ist die durch die belangte Behörde vorgenommene Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG nicht zu beanstanden.

3.3. Was das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem in Österreich lebenden Sohn anlangt, so ist dieses Vorbringen nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer damit keine zu seinen Gunsten eingetretene wesentliche Änderung der Verhältnisse seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geltend macht (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0460). Auch ist nicht ersichtlich, warum die in der Beschwerde allein angesprochenen Besuche - zumal im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Volljährigkeit dieses Angehörigen - nicht in der Türkei stattfinden könnten.

3.4. Das in der Beschwerde ins Treffen geführte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 7. Juli 2005, Ceyhun Aydinli, Rs C-373/03 , betraf schließlich ein Verfahren zur Ausweisung eines unselbständig beschäftigten türkischen Staatsangehörigen aus Deutschland (und nicht etwa die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes) und ist schon deshalb nicht einschlägig, weil der Beschwerdeführer eine allfällige Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem auf Grund des Abkommens über eine Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingesetzten Assoziationsrat erlassen wurde (ARB), infolge der als Maßnahme nach Art. 14 ARB zu verstehenden seinerzeitigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedenfalls verloren hätte.

4. Da die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides somit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Oktober 2008

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