VwGH 96/18/0110

VwGH96/18/011028.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 1996, Zl. SD 1569/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der seit dem Jahr 1980 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer sei 1988, nachdem er bereits in den Jahren davor mehrmals wegen Übertretung gewerberechtlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften (darunter zweimal wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung) bestraft worden sei, erstmals wegen vorsätzlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden. In den Jahren 1988 bis 1993 sei der Beschwerdeführer wegen insgesamt 34 Übertretungen bestraft worden; darunter wegen Verstoßes gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz, wegen unbefugter Gewerbeausübung (zweimal) und wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (fünfmal). Im Jahr 1992 sei eine neuerliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung, im Jahr 1993 eine Verurteilung wegen gefährlicher Drohung, vorsätzlicher Sachbeschädigung und unbefugten Besitzes einer Faustfeuerwaffe erfolgt. Seit Oktober 1994 bestehe gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung, der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und Vergehens nach dem Waffengesetz. Gegen den Beschwerdeführer sei auch ein Waffenverbot mit der Begründung erlassen worden, daß er offensichtlich zu Gewalttaten neige und sich bewußt über waffenrechtliche Verbote hinwegsetze.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung geltend gemacht, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund des § 20 Abs. 2 FrG nicht zulässig sei, weil er vor dem Jahr 1988 nicht rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei, und weiters, daß seine Bindungen zu Österreich die öffentlichen Interessen beträchtlich überwögen.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sei im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG nicht maßgebend, ob ihm vor 1988 die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, sondern ob ihm aufgrund der vorausgegangenen Bestrafungen und Verurteilungen im Jahr 1993 vor Verwirklichung des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes, nämlich der letzten rechtskräftigen Verurteilung, die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG hätte verliehen werden können. Zu dieser Zeit habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz zwar schon mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet gehabt, doch sei der Verleihung der Staatsbürgerschaft die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entgegengestanden, weil der Beschwerdeführer zu dieser Zeit keine Gewähr (mehr) dafür geboten habe, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Umso schwerer wögen aber nach der letzten Verurteilung die öffentlichen Interessen und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer. Dieser sei seit dem Jahr 1974 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet, die mit den gemeinsamen vier Kindern in der Türkei lebe. In Österreich unterhalte der Beschwerdeführer eine Lebensgemeinschaft, aus der ein Kind stamme. Diese Bindungen und die lange Dauer seines, wenn auch von vielen strafbaren Handlungen begleiteten Aufenthaltes wögen zwar beträchtlich, seien aber dennoch nicht so schwerwiegend und deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht so erheblich wie die geschilderten öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß vorliegend aufgrund der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG verwirklicht sei, ebenso unbekämpft wie deren Auffassung, daß die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung der belangten Behörde keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde vermeint indes, daß bei "richtiger rechtlicher Beurteilung in bezug auf § 19 und § 20 Abs. 1 FrG" die Interessenabwägung aufgrund des langen Aufenthaltes und der familiären Bindung des Beschwerdeführers ein Überwiegen seiner Interessen an der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber den öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes hätte ergeben müssen. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer seit über 15 Jahren in Österreich lebe und hier eine Familie gegründet habe. Dem stünden die "geringfügigen Verurteilungen" des Beschwerdeführers aus den Jahren 1988, 1992 und 1993 gegenüber, wozu komme, daß mit dem Urteil aus 1993 lediglich eine Zusatzstrafe zum Urteil aus 1992 verhängt worden sei.

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzuzeigen. Abgesehen davon, daß das den besagten gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten eine Neigung des Beschwerdeführers zu strafbaren Handlungen erkennen läßt, übersieht er mit seiner das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gering einschätzenden Argumentation die Vielzahl der ihm zur Last liegenden verwaltungsstrafrechtlich geahndeten Übertretungen und die damit zusätzlich bewirkte erhebliche Beeinträchtigung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, wozu anzumerken ist, daß insbesondere die (unbestritten gebliebenen) fünf Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes im Jahr 1992, deren rechtskräftige Bestrafung im übrigen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, dem sich über viele Jahre erstreckenden Fehlverhalten solches Gewicht verleiht, daß die dadurch beeinträchtigten maßgeblichen öffentlichen Interessen - unter Berücksichtigung des Vorliegens eines relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lassen.

Darüber hinaus durfte die belangte Behörde aber auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes bejahen. Wenngleich die Interessen privater und familiärer Natur, die der Beschwerdeführer ins Treffen führt, durchaus beachtlich sind, darf nicht außer acht gelassen werden, daß die aus dem langjährigen Aufenthalt resultierende Integration des Beschwerdeführers durch die große Zahl der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers eine nicht unerhebliche Minderung der für eine Integration wesentlichen sozialen Komponente zur Folge hat. Des weiteren wurde von der belangten Behörde zutreffend darauf Bedacht genommen, daß das Gewicht der vom Beschwerdeführer in Österreich geführten Lebensgemeinschaft (der ein Kind entstammt) dadurch relativiert wird, daß er nach wie vor mit einer türkischen Staatsangehörigen verehelicht ist und seine Ehegattin mitsamt den vier gemeinsamen Kindern in der Türkei lebt. Wenn die belangte Behörde angesichts dessen die, wie dargetan, sehr starken öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bzw. die darin begründeten nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer gewichtet hat als die gegenläufigen für einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden Umstände, so ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.

3.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde schließlich noch vor, nicht begründet zu haben, "wieso der Beschwerdeführer die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz erfüllte und er sohin vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes die österreichische Staatsbürgerschaft nicht erlangen hätte können".

3.2. Auch diese Rüge wird zu Unrecht erhoben. Die belangte Behörde hat entgegen der Beschwerdebehauptung in der Bescheidbegründung (siehe oben I. 1.) ausreichend und, wie hinzuzufügen ist, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend dargelegt, daß und weshalb der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entgegengestanden und folglich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes (auch) aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 2 FrG nicht unzulässig sei (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491, und vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0587).

4. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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