VwGH 2008/21/0270

VwGH2008/21/027024.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der K, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 2008, Zl. 151.395/3- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1 lita sublitaa;
ASVG §293 Abs1 lita sublitbb;
ASVG §293 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §20 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293 Abs1 lita sublitaa;
ASVG §293 Abs1 lita sublitbb;
ASVG §293 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §20 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 2. Juli 2007 stellte die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) im Weg des Österreichischen Generalkonsulates in Istanbul den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Angehörige. Damit strebte sie die Familienzusammenführung mit ihrem Sohn (einem türkischen Staatsangehörigen), dessen Ehefrau (einer österreichischen Staatsbürgerin als Zusammenführender) und deren Kindern (Sohn Y. und Tochter T.), also ihren Enkelkindern, an.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 47 Abs. 3 NAG ab.

Begründend führte sie - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die von der Schwiegertochter als Zusammenführender am 14. Juni 2007 abgegebene Haftungserklärung erweise sich als nicht tragfähig. Die Schwiegertochter beziehe nämlich bis zum 4. März 2009 Kinderbetreuungsgeld von monatlich EUR 435,90 zuzüglich einem monatlichen Nettoeinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung von ca. EUR 400,--. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ihr Ehemann (der Sohn der Beschwerdeführerin) selbst einer Erwerbstätigkeit nachgehe und mit seinem Einkommen für den Unterhalt der Kinder aufkomme - EUR 768,90. Ohne sonstige Belastungen mit zu berücksichtigen, verbleibe "daher" lediglich ein Betrag von EUR 206,31 im Monat, den sie der Beschwerdeführerin an Unterhalt leisten könnte. Das Einkommen ihres Sohnes sei nicht zu berücksichtigen, weil dieser weder Zusammenführender noch österreichischer Staatsbürger sei. Sparguthaben in der Höhe von EUR 7.700,--, EUR 10.579,-- und EUR 20.060,-- vermögen den Lebensunterhalt nicht auf längere Zeit zu sichern und könnten somit für eine dauernde Zuwanderung ins Bundesgebiet, die mit dem vorliegenden Antrag offensichtlich beabsichtigt werde, nicht als geeignet betrachtet werden. Aus der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) könne die Beschwerdeführerin nichts gewinnen, weil sie die darin festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle und daher auch kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen könne. Die Schwiegertochter habe das Recht auf (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde hat verkannt, dass sie hinsichtlich der Deckung des Bedarfs für den Sohn und die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin sowie die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden (Enkel-)kinder (Y. und T.) auf den Ausgleichszulagenrichtsatz abzustellen gehabt hätte (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0012). Demnach wäre in Bezug auf den Bedarf der genannten Eheleute vom Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG auszugehen gewesen. Dieser hatte nach der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 101/2007 bei Erlassung des bekämpften Bescheides (im März 2008) EUR 1.120,-- betragen. Unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für zwei minderjährige Kinder erhöht sich dieser Betrag nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG um zweimal EUR 78,29 (zusammen EUR 156,58) auf EUR 1.276,58. Zur Deckung des Lebensbedarfs der Beschwerdeführerin hätte ein dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG entsprechender Betrag von (damals) EUR 747,-- zur Verfügung stehen müssen. Auf Basis der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage hätte damit zur Aufbringung der notwendigen Mittel ein monatliches Einkommen von EUR 2.023,58 zur Verfügung stehen müssen. Dabei trifft es - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - nicht zu, dass das (infolge dieser unrichtigen Ansicht nicht festgestellte) Einkommen des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0637 mwN.).

Schließlich hat die belangte Behörde verkannt, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG auch durch Spareinlagen in Betracht kommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, Zl. 2008/22/0391). Da der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen wäre, wäre zufolge der dargestellten (zu einem monatlichen Bedarf von EUR 2.023,58 führenden) Berechnung ein Gesamtbetrag von EUR 24.282,96 erforderlich. Dem ist - abgesehen von den bereits festgestellten und (betraglich) noch festzustellenden Einkünften - bereits durch die oben erwähnten Sparguthaben Genüge getan.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juni 2010

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