Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art13;
ARB1/80 Art6;
FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §30 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art13;
ARB1/80 Art6;
FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §30 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im März 2003 in das Bundesgebiet ein und verfügte zunächst über eine bis zum 2. August 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "befristete Beschäftigung, § 12 Abs. 2 FrG". Am 22. Juli 2003 wurde ihm eine bis zum 2. Februar 2004 gültige Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "vom AuslBG ausg. unselbst. Erwerb, §§ 1/2, 1/4 AuslBG" ausgestellt. Am 28. Oktober 2003 heiratete er eine österreichische Staatsbürgerin. Am 20. Jänner 2004 beantragte er unter Berufung auf diese Ehe die Erteilung eines Aufenthaltstitels "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".
Diesen Antrag, der nach dem Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG am 1. Jänner 2006 als solcher auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" behandelt wurde, wies die Bezirkshauptmannschaft Mödling mit Bescheid vom 30. August 2007 gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 NAG ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seien am 18. Februar 2004 bezüglich einer Scheinehe einvernommen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Angaben der Ehepartner in wesentlichen Punkten nicht übereinstimmten. So habe die Ehefrau erklärt, dass sie einander in der Badner Bahn Anfang Mai 2003 um die Mittagszeit kennengelernt hätten, während der Beschwerdeführer angegeben habe, dass er seine Ehefrau zwischen April und Mai 2003 am Nachmittag "beim Zielpunkt" im 6. Bezirk kennengelernt hätte. Er habe weiters berichtet, dass sie damals Telefonnummern ausgetauscht hätten und er seine Ehefrau irgendwann angerufen hätte, um sie zu treffen; sie hätten sich dann im 6. Bezirk in Wien nahe der U6 getroffen. Die Ehefrau habe demgegenüber gesagt, dass sie sich ein paar Tage später zufällig wieder in der Badner Bahn getroffen und dort die Telefonnummern ausgetauscht hätten. Dann hätten sie ausgemacht, einander in Baden am Josefsplatz zu treffen.
Die Ehe sei auch nie vollzogen worden.
Auf die Frage, wer die Hochzeit organisiert habe, habe die Ehefrau geantwortet, dass sie und ihre Tante das getan hätten. Der Beschwerdeführer habe erklärt, dass S., Ö. und E. die Hochzeit organisiert hätten. Bezüglich der Hochzeitstafel habe die Ehefrau angegeben, dass sie bei der Schwester des Beschwerdeführers türkischen Tee getrunken hätten. Nach den Aussagen des Beschwerdeführers seien sie hingegen in ein türkisches Lokal gegangen. Auch hinsichtlich des Kaufs der Eheringe divergierten die Angaben (wird näher dargestellt).
Die Ehefrau habe wörtlich Folgendes ausgeführt:
"Ich weiß nicht, ob die Ehe vermittelt wurde. Ich finde es schon eigenartig, dass er als Türke eine Österreicherin geheiratet hat. Das ist ja normal nicht so. Es könnte sein, dass es eine Scheinehe ist, ohne dass ich das wirklich bemerkt habe zuerst. Ich weiß schon, dass sein Onkel ihn sehr beeinflusst. Ich habe auch zuerst nicht gewusst, dass seine Aufenthaltsberechtigung nicht für immer oder für lange ist. Mir kommt das Ganze schon komisch vor und ich möchte am liebsten, dass die Heirat aufgehoben wird. Ich weiß nicht genau, was ich alles dazu machen muss und ersuche die Gendarmerie, dass sie mir dabei helfen."
Der Beschwerdeführer habe erklärt, dass ein Grund für die Hochzeit gewesen sei, den Aufenthalt in Österreich zu sichern.
Weiters sei anlässlich der Niederschrift festgestellt worden, dass die Ehepartner über die jeweiligen persönlichen Verhältnisse des anderen so gut wie keine oder nur einander widersprechende Angaben machen hätten können.
Am 27. März 2007 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers neuerlich niederschriftlich einvernommen worden. Sie habe angegeben, dass sie aus finanziellen Gründen und wegen fehlender Dokumente noch nicht die Scheidung eingereicht hätte.
Zusammenfassend kam die Behörde zum Schluss, dass ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt werde und die Ehe nur eingegangen worden sei, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, es stehe auf Grund der niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau durch die erstinstanzliche Behörde fest, dass es sich bei der am 28. Oktober 2003 geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle. Dies werde insbesondere dadurch gestützt, dass die Angaben über das Kennenlernen und die Hochzeit selbst "unterschiedlicher nicht sein könnten". Hinzu komme, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme angegeben habe, dass es sich ohne ihr Wissen sehr wohl um eine Scheinehe handeln könnte und es ihr am liebsten wäre, wenn die Ehe aufgehoben würde. Wenngleich der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau für einen kurzen Zeitraum an derselben Adresse gemeldet gewesen sei, stehe auf Grund der Angaben in den niederschriftlichen Einvernahmen fest, dass sie kein dem Wesen der Ehe entsprechendes Familienleben geführt hätten.
Demnach dürfe dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Aufenthaltsehe.
Soweit er sich darauf beruft, die Ehe sei weder nichtig erklärt noch geschieden worden, ist ihm entgegen zu halten, dass eine Aufenthaltsehe nach § 30 Abs. 1 NAG schon dann anzunehmen ist, wenn ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt wird und sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels dennoch darauf beruft. Ob eine Nichtigerklärung oder eine Scheidung der Ehe erfolgt ist, ist unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2011, Zl. 2011/23/0187).
Die Feststellungen der belangten Behörde, wonach ein gemeinsames Familienleben nicht geführt worden sei, vermag die Beschwerde nicht zu erschüttern. Die belangte Behörde konnte sich bei der diesbezüglichen Beweiswürdigung nicht nur auf die schon von der Erstbehörde aufgezeigten Widersprüche, sondern insbesondere auch darauf stützen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers selbst ausgesagt hatte, es könne sich um eine Scheinehe handeln, mag ihr auch, wie die Beschwerde vorbringt, bis zum Zeitpunkt der Einvernahme in dieser Hinsicht "nichts aufgefallen" sein. Wenn die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer und seine Ehefrau nicht einvernommen, unterlässt sie es, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für das Verfahrensergebnis darzulegen.
Eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK ist bei Vorliegen des absoluten Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG entgegen der Beschwerdeansicht nicht vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 2011, Zl. 2008/22/0454).
Das Vorbringen betreffend die Richtlinie 2004/38/EG geht schon deswegen ins Leere, weil auch der Beschwerdeführer nicht behauptet, seine Ehefrau habe einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Richtlinie wäre (vgl. dazu die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 8. März 2011, C-34/09 - Zambrano, Randnr. 39, und vom 15. November 2011, C-256/11 - Dereci, Randnr. 52 ff).
Auch unter Bedachtnahme auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB 1/80) erweist sich der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig. Soweit der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seinen "langjährigen Aufenthalt" und die "entsprechende Zugehörigkeit zum Beschäftigungsmarkt" eine Rechtsstellung gemäß Art. 6 ARB 1/80 geltend machen möchte, ist ihm entgegen zu halten, dass einem Fremden, der - wie der Beschwerdeführer nach Ablauf der Gültigkeit der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis weniger als ein Jahr nach seiner Einreise - seine Teilnahme am Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich unter Berufung auf eine Scheinehe aufrecht erhalten hat, die Begünstigung nach dem ARB Nr. 1/80 nicht zugutekommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0166, mwN). Aus der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 ist für ihn schon deswegen nichts zu gewinnen, weil das Eingehen einer Aufenthaltsehe bzw. Scheinehe auf Grund der darin liegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung auch nach den früher anwendbaren Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes (in Verbindung mit dem Fremdengesetz (1992)) und des Fremdengesetzes 1997 einen Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels dargestellt hat.
Die Abweisung des Antrages gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG war somit rechtmäßig. Auf die von der belangten Behörde zusätzlich herangezogenen Versagungsgründe und das dazu erstattete Beschwerdevorbringen musste bei diesem Ergebnis nicht eingegangen werden.
Zur Vollständigkeit sei noch angemerkt, dass gegen den Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. April 2008 rechtkräftig ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, dem ebenfalls die Annahme des Bestehens einer Aufenthaltsehe zugrunde lag, sodass der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nunmehr auch der zwingende Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG entgegenstünde.
Die Beschwerde war nach dem oben Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 29. Februar 2012
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