VwGH 2008/19/1204

VwGH2008/19/120410.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des U, vertreten durch Mag. Stefan Schlager, Rechtsanwalt in 2020 Hollabrunn, Brunnthalgasse 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juni 2008, Zl. 306.400-3/12E-XV/54/07, betreffend §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, beantragte am 12. September 2006 internationalen Schutz.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 nicht zu und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei "wenig glaubwürdig". Eine Gesamtschau der Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens und des Ganges des Berufungsverfahrens ergebe aber, dass "dem (Beschwerdeführer( - unabhängig von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit - keine Asylrelevanz" zukomme. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer gezielt Opfer von Festnahmen geworden sei bzw. diese Vorgangsweise in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner früheren Beteiligung am Krieg stehe. Zweimalige willkürliche Anhaltungen, wie sie auch anderen Landsleuten in der Zeit nach dem Krieg widerfahren seien, reichten nach Art und Intensität nicht aus, um eine für die Asylgewährung erforderliche Verfolgung zu begründen. Insgesamt ergebe sich somit "unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit", dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht erfüllt seien.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 26. Mai 2004, 2001/20/0550, mwN).

Die belangte Behörde äußerte in der Bescheidbegründung zwar Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Sie ging aber nicht soweit, eindeutige (negative) Feststellungen in Bezug auf die von ihm vorgebrachte Fluchtgeschichte zu treffen. Tragend für die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz war vielmehr die Einschätzung der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers könne auch bei Wahrunterstellung kein Asyl rechtfertigen.

Dieser Beurteilung tritt die Beschwerde zu Recht entgegen.

Der Beschwerdeführer hatte seine Flucht aus Tschetschenien im Wesentlichen damit begründet, zweieinhalb Jahre (bis zum Jahr 2003) auf Seiten des tschetschenischen Widerstands "mit der Waffe in der Hand" gekämpft zu haben. Im Jänner 2003 sei er - in einem Versteck bei Verwandten - festgenommen, im Anschluss daran fünfzehn Monate inhaftiert (und misshandelt) und schließlich gegen Zahlung von Lösegeld freigelassen worden. Im Herbst 2005 sei er neuerlich bei einem Freund, der ihn versteckt habe, festgenommen und mit einem Gefangenentransport in das Gefängnis Tschernokosowo gebracht worden, wo man ihn gefoltert habe, ehe er im Frühjahr 2006 "freigekauft" worden sei. Daraufhin habe er die Heimat verlassen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er erneut festgenommen zu werden.

Wird dieses Vorbringen der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, so lässt sich nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu dem Schluss gelangte, der Beschwerdeführer sei nicht in das Blickfeld der Sicherheitsbehörden geraten, sondern bloß willkürlichen Festnahmen ausgesetzt gewesen, die nach"Art und Intensität" keine asylrelevante Verfolgung gewesen seien.

Der angefochtene Bescheid weist daher einen relevanten Begründungsmangel auf, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 10. Dezember 2009

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