VwGH 2008/18/0491

VwGH2008/18/049130.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der T P in Wien, geboren am 25. November 1984, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. April 2008, Zl. E1/114.175/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. April 2008 wurde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen. Die Beschwerdeführerin sei am 10. Februar 2004 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der abgewiesen worden sei. Am 23. März 2004 sei die Beschwerdeführerin bei der gewerbsmäßigen Prostitutionsausübung betreten worden, ohne dafür einen entsprechenden Aufenthaltstitel besessen zu haben. Darüber hinaus sei sie wegen der Übertretung des § 1 der Prostitutionsverordnung und des § 4 Abs. 2 AIDS-Gesetz 1993 angezeigt worden. In weiterer Folge sei gegen sie von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See mit Bescheid vom 20. April 2004 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. April 2004 sei ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG stattgegeben worden. Ihr Asylantrag sei jedoch in weiterer Folge mit Bescheid vom 31. Mai 2005 vom unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch die Behandlung der Beschwerde (mit Beschluss vom 25. April 2007) abgelehnt.

Nachdem die Beschwerdeführerin am 4. Mai 2007 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe, habe sie die Aufhebung des gegen sie erlassenen Aufenthaltsverbotes beantragt. Dieses sei im Instanzenzug mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 9. Jänner 2008 aufgehoben worden.

Ungeachtet dessen stehe fest, dass sich die Beschwerdeführerin seit Abschluss ihres Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel - sohin unrechtmäßig - in Österreich aufhalte, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit Februar 2004 im Bundesgebiet und habe am 4. Mai 2007 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, mit dem sie in Wien im gemeinsamen Haushalt lebe. Dieser sei als Monteur beschäftigt und unterstütze sie finanziell. Es sei daher im vorliegenden Fall von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Erreichung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin würden in ihrem Gewicht zudem dadurch deutlich gemindert, dass sie im Bundesgebiet nur zum vorübergehenden Aufenthalt bis Mai 2007 und dies nur auf Grund eines nicht erfolgreichen Asylantrages berechtigt gewesen sei. Die aus der Ehe ableitbaren familiären Interessen würden in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass die Beschwerdeführerin bereits bei Eingehen der Ehe nicht mit einem weiteren Verbleib in Österreich rechnen habe dürfen. Dazu komme noch, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren.

Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass sich die Beschwerdeführerin seit der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylantrages und der Ablehnung der Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. April 2007 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen darüber getroffen, inwieweit die beabsichtigte Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingreife. Neben der Dauer des Aufenthaltes und der Gestaltung des Aufenthaltes im Zeitraum seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet hätte die Behörde auch die in der Zwischenzeit eingetretene Integration und Aufenthaltsverfestigung der Beschwerdeführerin berücksichtigen müssen. Die belangte Behörde sei im Wesentlichen von einem Sachverhalt ausgegangen, der bereits der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg bei Erlassung des Bescheides vom 9. Jänner 2008, mit dem das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben worden sei, vorgelegen sei. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg habe im Jänner 2008 die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes damit begründet, dass die zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestandenen Gefahren und Befürchtungen nunmehr weggefallen seien. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei auf Grund der Eheschließung nicht mehr erforderlich gewesen; die Beschwerdeführerin habe sich über dreieinhalb Jahre hindurch wohlverhalten und sich offenbar aus dem Rotlichtmilieu zurückgezogen. Die Umstände, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, hätten sich positiv geändert, sodass das Aufenthaltsverbot auf Grund der starken Integration der Beschwerdeführerin in Österreich und der zu erstellenden positiven Zukunftsprognose aufgehoben worden sei. Im gegenständlichen Verfahren - so die Beschwerde weiter - gehe die belangte Behörde - ohne jede Änderung des Sachverhaltes - davon aus, dass der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zulässig sei, weil die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin dadurch gemindert würden, dass sie nur zum vorübergehenden Aufenthalt bis Mai 2007 berechtigt gewesen sei und auch bei Eingehen der Ehe nicht mit einem weiteren Verbleib in Österreich rechnen habe dürfen.

2.2. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht zielführend, weil die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot nicht auf Grund einer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG aufgehoben, sondern die Aufhebung damit begründet hat, dass die zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Ausübung der Prostitution bestehende evident hohe Gefahr für die Volksgesundheit nicht mehr vorliege, weil davon ausgegangen werde, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann ein in jeder Hinsicht ausgefülltes Familienleben führe, sich aus dem Rotlichtmilieu zurückgezogen habe und eine weitere sicherheitspolizeiliche Gefährdung nicht mehr gegeben sei. Daraus ist für die Argumentation der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG jedoch nichts zu gewinnen.

2.3. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit Februar 2004 sowie ihre im Mai 2007 mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossene Ehe, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebt, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Die aus dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht dadurch zu relativieren, dass dieser Aufenthalt zuerst nur auf Grund eines Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt war und seit dem Zeitpunkt der Ablehnung der Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. April 2007 unrechtmäßig war. Entgegen der Beschwerdeansicht führt die Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin als Asylwerberin auch nicht zu einer "Aufenthaltsverfestigung" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2007/18/0308, mwN). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist, wird in seinem Gewicht insofern relativiert, als sie auch zum Zeitpunkt der Eheschließung über keinen Aufenthaltstitel verfügte und daher rechtens nicht mit einem dauernden Aufenthalt in Österreich rechnen durfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/18/0268, mwN).

Den im Hinblick darauf relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt bewirkte erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 FPG zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, auch dann keinem Einwand, wenn man berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist, über gute Deutschkenntnisse und über keine Bindungen zu ihrem Herkunftsland mehr verfügt. Die angeführten persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin - auch zu den Verwandten ihres Ehemannes - lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es ihr unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren.

4. Das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin nehme umfangreich am sozialen Leben teil, verstößt gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) und hat daher außer Betracht zu bleiben.

Schließlich erweisen sich auch die in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe bei ihrer Beurteilung nach § 66 Abs. 1 FPG keinerlei Feststellungen über den Eingriff der Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin getroffen und den Bescheid nicht ausreichend begründet, als unberechtigt.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. April 2010

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