VwGH 2008/18/0153

VwGH2008/18/01532.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der S D in W, geboren am 9. Juni 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Februar 2008, Zl. SD 1635/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Februar 2008 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei eigenen Angaben zufolge im Jahr 2000 illegal nach Österreich eingereist. Aktenkundig habe sie erst am 13. September 2001 eine amtliche Meldung im Bundesgebiet vorgenommen. Nach der - eigenen Angaben zufolge - im Juli 2002 geschlossenen Ehe mit einem mazedonischen Staatsangehörigen habe sie mit diesem - unrechtmäßig - in Wien 16. gelebt.

Erstmals habe die Beschwerdeführerin eine vom 29. Oktober 2004 bis 17. März 2005 gültige quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG 1997" erhalten, die vom 11. Februar 2005 bis zum 11. Februar 2007 gleichlautend verlängert worden sei.

Bereits vor Erteilung ihres ersten Aufenthaltstitels, nämlich ab 7. Mai 2004, also zu einem Zeitpunkt, als sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, habe die Beschwerdeführerin durch das Einsetzen der eigenen Kontonummer in einem Antrag auf Kinderbetreuungsgeld anstelle der Kontonummer der tatsächlich Befugten und in der Folge Geschädigten, sohin durch Täuschung über Tatsachen, die Wiener Gebietskrankenkasse zur Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes bis zum 16. November 2005 samt Zuschuss von insgesamt EUR 11.180,37 veranlasst und dadurch die tatsächlich Berechtigte am Vermögen geschädigt. Vor dem Hintergrund dieses Fehlverhaltens sei die Beschwerdeführerin (auf Grund einer Anzeige vom 5. Jänner 2006) am 18. April 2006 vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden.

Auf Grund dieser Verurteilung könne kein Zweifel bestehen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, zumal das in der Gesetzesstelle normierte Strafausmaß beträchtlich überschritten worden sei. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im höchsten Maß, sodass sich (auch) die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe.

Die Beschwerdeführerin sei nach der Aktenlage verheiratet und habe mit ihrem Ehemann mittlerweile drei gemeinsame Kinder. Auf Grund ihres mehrjährigen, wenngleich erst seit 29. Oktober 2004 rechtmäßigen, inländischen Aufenthaltes sei zweifelsfrei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen, und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Eigentumskriminalität die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, die gegen fremdes Vermögen gerichtet seien, sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Fehlverhalten der Beschwerdeführerin verdeutliche mehr als augenfällig, dass sie offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die für sie maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften - insbesondere die im Fremdengesetz und im Strafgesetzbuch normierten - einzuhalten. Wenngleich die Beschwerdeführerin aktenkundig offenbar gewillt sei, den durch sie verursachten immensen Vermögensschaden wiedergutzumachen, liege das von ihr während ihres illegalen Aufenthaltes begonnene Fehlverhalten noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes davon ausgegangen werden könne, dass die Beschwerdeführerin nicht neuerlich einschlägig straffällig werde.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären Interessen der im Arbeitsmarkt nicht integrierten Beschwerdeführerin gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihr zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können, zumal nach der Aktenlage auch keine Umstände ersichtlich seien, welche den Ehegatten und die drei gemeinsamen Kinder daran hindern könnten, die Beschwerdeführerin in ihr Heimatland zu begleiten oder diese dort zumindest zu besuchen.

Wer, wie die Beschwerdeführerin, während ihres illegalen Aufenthaltes bereits beginne, für einen längeren Zeitraum durch schweren Betrug zu einem Vermögensvorteil von weit über EUR 11.000,-- zu gelangen, lasse ihre Geringschätzung für maßgebliche, zum Rechtsgüterschutz aufgestellte Vorschriften nachhaltig erkennen. Jedenfalls könne - selbst unter Bedachtnahme auf die private und familiäre Situation der Beschwerdeführerin - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr für die Dauer von fünf Jahren festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde wird die oben unter I.1. genannte strafrechtliche Verurteilung nicht bestritten. In Anbetracht dieser Verurteilung, wonach die Beschwerdeführerin mit dem Vorsatz, sich durch ihr Verhalten unrechtmäßig zu bereichern, die Wiener Gebietskrankenkasse getäuscht und so zur Auszahlung von insgesamt EUR 11.180,37 veranlasst sowie dadurch den Tatbestand der §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB verwirklicht hat und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt wurde, besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FPG erfüllt und die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt seien, kein Einwand.

2. Im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe in keiner Weise berücksichtigt, dass sie Schadenersatz an die Geschädigte leiste und sich bemühe, den von ihr verursachten und verschuldeten Schaden wiedergutzumachen. Weiters sei nicht entsprechend berücksichtigt worden, dass sich der Ehemann und die drei Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich aufhielten, ihr Ehemann einer Beschäftigung nachgehe und ihre "Familie" (gemeint sind offensichtlich der Ehemann und die drei Kinder) über Aufenthaltstitel verfügten. Die Beschwerdeführerin selbst lebe seit einigen Jahren in Österreich und sei vollkommen integriert. Es gebe auch keine konkreten Gründe, die die Annahme rechtfertigten, dass ihr weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei der Interessenabwägung hat die belangte Behörde die Dauer ihres mehrjährigen, bis 29. Oktober 2004 jedoch nicht rechtmäßigen, inländischen Aufenthaltes und ihre familiären Bindungen zu ihrem Ehemann und den drei gemeinsamen Kindern berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf ihre persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, ist ihr doch der Vorwurf zu machen, durch ein sich über einen Zeitraum von etwa 20 Monaten erstreckendes Täuschungsverhalten einen Betrag von über EUR 11.000,-- erhalten zu haben, um sich damit unrechtmäßig zu bereichern. Damit liegt der Beschwerdeführerin ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.

Weiters hielt sich die Beschwerdeführerin seit ihrer illegalen Einreise nach Österreich - eigenen Angaben zufolge im Jahr 2000 - bis 29. Oktober 2004, somit etwa vier Jahre, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und hat damit auch gegen das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen verstoßen.

Von daher erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die Integration der Beschwerdeführerin hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihr begangene Delikt der Täuschung und durch ihren jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Die belangte Behörde hat zu Recht der durch ihr Gesamt(fehl)verhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf ihre Lebenssituation und die ihrer Angehörigen, zu denen die Beschwerdeführerin im Administrativverfahren im Übrigen kein näheres Vorbringen erstattet hat. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin sich bemühe, den von ihr verursachten und verschuldeten Schaden wiedergutzumachen, sind doch im Grunde des § 66 FPG zu Gunsten der Beschwerdeführerin nur deren privaten und familiären Bereich betreffende Umstände zu berücksichtigen, nicht jedoch ein privates Interesse Dritter an einer Wiedergutmachung des Schadens. Der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen muss gegenüber der Beseitigung eines durch strafbare Handlungen bereits eingetretenen Schadens der Vorrang eingeräumt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 2003, Zl. 2000/18/0253).

Die belangte Behörde hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Aktenlage keine Umstände ersichtlich seien, wonach der Ehegatte - ebenfalls mazedonischer Staatsangehöriger - und die drei gemeinsamen Kinder daran gehindert seien, die Beschwerdeführerin in ihre Heimat zu begleiten oder diese dort zumindest zu besuchen.

3. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. April 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte