VwGH 2008/18/0131

VwGH2008/18/013125.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der D B in W, geboren am 11. Jänner 1982, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Oktober 2007, Zl. E1/441.558/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

61999CJ0413 Baumbast VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
ABGB §138c Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
61999CJ0413 Baumbast VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
ABGB §138c Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen. Ergänzend werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 5. Februar 2002 in Serbien den österreichischen Staatsbürger A B. geheiratet und am 13. Mai 2005 gestützt auf diese Ehe einen Erstantrag als "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht habe. Zuvor sei sie illegal nach Österreich gelangt.

Am 13. Juli 2004 habe der Ehemann auf entsprechende Befragung angegeben, nicht gewusst zu haben, dass sich seine Ehefrau in Österreich befinde. Die erstinstanzliche Behörde habe daraufhin eine Überprüfung bezüglich des Vorliegens einer Scheinehe angeregt. Einem weiteren Aktenvermerk zufolge habe B H. das minderjährige (erste) Kind der Beschwerdeführerin anerkannt. B H. habe sich zuletzt am 7. Juni 2004 von einer "gemeinsamen Adresse" mit der Beschwerdeführerin abgemeldet. Der österreichische Ehemann habe mit 8. April 2004 an der Adresse der Beschwerdeführerin seinen Hauptwohnsitz angemeldet. Vorerst sei der Fremdenbehörde unklar gewesen, wer tatsächlich an der angegebenen Adresse im 5. bzw. 16. Wiener Gemeindebezirk aufhältig bzw. wohnhaft gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin habe eine Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gültig bis 26. Juli 2005 erhalten. Gleichzeitig finde sich ein Vermerk der erstinstanzlichen Behörde vom 22. Juli 2004 im Akt, demzufolge beim Folgeantrag entsprechende Überprüfungen zu führen seien.

Am 25. Juli 2005 habe die Beschwerdeführerin einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige eingebracht. Am 17. November 2005 habe sie auf Befragen angegeben, schwanger zu sein, der voraussichtliche Geburtstermin sei der 15. Jänner 2005. Sie lebe mit ihrem Ehemann A B. in einer näher bezeichneten Wohnung in Wien zusammen. Im gemeinsamen Haushalt sei auch ihr Sohn N H., geboren am 6. Oktober 2002, der Sohn ihres ersten Mannes, wohnhaft. Ihr zweiter Mann habe bei der Heirat im Februar 2002 "davon gewusst und sie trotzdem geheiratet". Das nunmehr erwartete Kind sei von ihrem Ehemann. Ihr erster Mann komme manchmal zu ihr nach Hause auf Besuch, um sich um das gemeinsame Kind zu kümmern. Er zahle ihr private Alimente. Die angegebene Adresse sei ihre einzige Wohnadresse, ihr Mann habe noch weitere, ihr unbekannte Adressen. Sie habe weder Kontakt zu den Eltern ihres Mannes, noch kenne sie seine Cousine, der die Wohnung gehöre. Die Familie der Beschwerdeführerin habe mit der Familie ihres Mannes ebenfalls keinen Kontakt. Ihr Mann bekomme Arbeitslosengeld in Höhe von ca. EUR 600,--. Die Eheleute hätten getrennte Konten, die Beschwerdeführerin bekomme Wochengeld und die Alimente ihres früheren Mannes. Derzeit bekomme sie kein Kindergeld, weil sie noch kein Visum habe. Ihr Mann sei nicht regelmäßig am Abend zu Hause, sie wisse nicht, in welche Lokale er gehe. Sie sei schwanger und in Serbien sei es üblich, dass die Frau zu Hause bleibe. Sie sei "schwarz" nach Österreich gekommen und habe hier einen Antrag gestellt. Ihr Sohn sei hier geboren und habe auch gemeinsam mit ihr das Visum erhalten. Seit sie in Österreich sei, lebe sie mit ihrem Mann in einer Wohnung mit einer Größe von 48 m2 zusammen. Es gebe keine Dusche, kein Wasser und auch keine Heizung in der Wohnung. Man nehme das Wasser vom Gang. In der Wohnung befinde sich eine Eckbank, die man zum Schlafen ausziehen könne. Sie schlafe dort mit ihrem Mann und ihrem Sohn, da sie kein Kinderbett hätten. Die Beschwerdeführerin kenne weder die aktuelle Adresse ihres früheren Mannes noch habe sie seine Telefonnummer. Er rufe immer an, wenn er das Kind holen wolle. Sonst habe sie keinen Kontakt zu ihm, da er sehr eifersüchtig sei.

Bei einer Hauserhebung am 17. Dezember 2005 - so die belangte Behörde weiter - seien die Beschwerdeführerin, ihr Sohn N sowie die Mutter von B H. und eine weitere schwangere Person angetroffen worden. Im Zuge einer neuerlichen Erhebung am 26. Jänner 2006 um 7 Uhr früh sei an der Adresse niemand angetroffen worden. Bei einer Erhebung am 8. Jänner 2006 sei B H. mit nacktem Oberkörper auf der ausziehbaren Couch schlafend angetroffen worden. Dieser habe sich durch seinen Reisepass legitimiert, der sich in einer Glasvitrine im Wohnzimmer befunden habe. Der Ermittlungsbeamte mutmaße zudem, dass es sich bei der am 18. Jänner 2006 geborenen Tochter L B. wohl um das "biologische" Kind von B H. handle. In der genannten Wohnung seien sowohl die Beschwerdeführerin mit dem vermeintlichen Vater ihrer beiden Kinder, B H., als auch dessen Mutter wohnhaft. In der Folge sei mit dem Onkel des Ehemannes der Beschwerdeführerin telefonisch Kontakt aufgenommen worden. Dieser habe auf Befragen angegeben, sein Neffe sei nicht verheiratet. Nach Bekanntgabe des Namens und der Dienststelle des Befragenden habe er selbständig darauf geschlossen, dass sein Neffe wohl eine Scheinehe wegen Geldes geschlossen habe.

Bei einer weiteren Kontrolle am 8. Februar 2006 seien die Beschwerdeführerin, B H., die beiden minderjährigen Kinder und die Mutter von B H. angetroffen worden.

Mit Schreiben vom 25. August 2006 sei an die Beschwerdeführerin eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ergangen. In der Stellungnahme vom 21. September 2006 habe sie mitgeteilt, dass sie nicht mit ihrem früheren Mann B H. zusammen wohne. Sie habe mit ihrem österreichischen Ehemann ein gemeinsames Kind. Die Tochter sei österreichische Staatsbürgerin und gegenüber der Mutter unterhaltsberechtigt. Die Beschwerdeführerin sei zwar illegal eingereist, ihr sei jedoch eine Niederlassungsbewilligung vom 26. Juli 2004 bis 26. Juli 2005 erteilt worden.

Am 15. September 2006 habe der Ehemann der Beschwerdeführerin im Rahmen einer Vernehmung als Zeuge im Wesentlichen ausgesagt, dass er am 5. Februar 2002 aus jugendlicher Dummheit bzw. Naivität geheiratet und mit seiner Ehefrau auch anlässlich der Hochzeit keinen sexuellen Kontakt gehabt habe. Im Nachhinein sei er draufgekommen, dass seine Frau ihn "verschaukelt" habe. Er sei sodann nach Österreich zurückgekehrt und habe von seiner Frau ca. ein dreiviertel Jahr nichts gehört, bis sie plötzlich hochschwanger vor seiner Tür in Wien gestanden sei. Er sei nicht der Vater des (ersten) Kindes der Beschwerdeführerin, habe für die Heirat kein Geld bekommen und wolle sich scheiden lassen, wisse jedoch nicht, wie er seine Frau erreichen könne. Im April 2004 habe er Unterkunftsprobleme gehabt und sei deshalb kurzfristig zu seiner Frau in die Wohnung gezogen. Dabei habe man "so etwas wie Sex" miteinander gehabt, nur habe es ihm nicht "getaugt" und er sei absichtlich viel unterwegs gewesen. Die Beschwerdeführerin sei immer, wenn ihr Ehemann nicht da gewesen sei, mit dem Vater ihrer Kinder, B H., zusammen gewesen. Der Ehemann wohne mit seinem eigenen Sohn und dessen Mutter, seiner Freundin N Z., in deren Wohnung zusammen.

In einer weiteren Stellungnahme vom 20. September 2006 habe die Beschwerdeführerin auf die Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehemann und das auf Grund der gesetzlichen Vermutung als ehelich geltende Kind verwiesen. Das Kind besitze die österreichische Staatsbürgerschaft und sei auf Grund seines geringen Alters auf die Pflege der Mutter unbedingt angewiesen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme würde sich de facto auch gegen das Kind richten, da die Beschwerdeführerin dieses ins Ausland mitnehmen müsste. Durch die nach wie vor bestehende Verbindung zu zwei österreichischen Staatsbürgern (Ehemann und Kind) erscheine eine Aufenthaltsbeendigung gegen die Beschwerdeführerin in jedem Fall als unzulässig.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 2 Abs. 4 Z. 11 und 12 sowie 85 Abs. 2, 86 und 87 FPG aus, der österreichische Ehemann sei von der Beschwerdeführerin zumindest über deren wahre Absichten in Bezug auf die Eheschließung getäuscht worden. Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG komme es nur auf die Absicht des Fremden, dem die Schließung einer Aufenthaltsehe vorgeworfen werde, an. Nach der Eheschließung hätten sich die Eheleute knapp zweieinhalb Jahre nicht gesehen, geschweige denn ein Familienleben geführt. Nach der illegalen Einreise der Beschwerdeführerin nach Österreich habe diese am 13. Mai 2004 einen Erstantrag zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf die Ehe mit dem Österreicher eingebracht. Bezeichnend sei auch, dass die Fremdenbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren den Ehegatten kontaktiert und dieser nicht einmal gewusst habe, dass seine Ehegattin im Inland sei. Im Zuge der Wohnungserhebungen sei offenbar geworden, dass die Eheleute kein Familienleben am behaupteten gemeinsamen Wohnsitz geführt hätten. Vielmehr habe erhoben werden können, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem früheren Mann und dem Vater ihres ersten Kindes weiterhin gemeinsam lebe. Der Umstand, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin, da er Unterkunftsprobleme gehabt habe, im April 2004 kurzfristig zu seiner Gattin gezogen sei und mit dieser auch einmal "so was wie Sex gehabt habe", vermöge nicht einmal den Anschein eines gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu erwecken, geschweige denn ein solches zu substituieren. Ein weiteres erhellendes Detail sei die fernmündliche Auskunft des Onkels des österreichischen Ehemannes der Beschwerdeführerin, der auf Befragen durch Beamte vorerst angegeben habe, sein Neffe sei nicht verheiratet. Nach Offenbarwerden der Identität des Anrufers habe er aber sofort aus Eigenem geschlossen, dass sein Neffe wohl eine Scheinehe gegen Geld eingegangen sei.

Zum behaupteten "ehelichen" Kind der Beschwerdeführerin werde angemerkt, dass die gesetzliche Ehelichkeitsvermutung gemäß § 138 Abs. 1 ABGB vorliege. Das zweite Kind der Beschwerdeführerin gelte - mangels Vorliegen einer gegenteiligen gerichtlichen Entscheidung - nach dieser Vermutung als eheliches Kind der Beschwerdeführerin. Eine Vermutung, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin mit dieser ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt habe, enthalte § 138 Abs. 1 ABGB hingegen nicht. Für die Verwirklichung des Tatbestandes der Aufenthaltsehe sei daher ein erfolgreiches Bestreiten der Ehelichkeit des Kindes nicht erforderlich.

Der österreichische Ehemann der Beschwerdeführerin lebe mit seiner Freundin N Z. und ihrem gemeinsamen Kind in außerehelicher Lebensgemeinschaft in deren Wohnung. Die Beschwerdeführerin behaupte hingegen - trotz Kenntnis der niederschriftlichen Aussagen ihres Ehemannes - noch in der Berufung, ein gemeinsames Familienleben mit ihrem Ehemann zu führen. Die Angaben des österreichischen Ehemannes erschienen in ihrer Gesamtheit indes durchaus nachvollziehbar, glaubwürdig und schlüssig, insofern sei kein Grund ersichtlich gewesen, warum die erkennende Behörde diesen Aussagen keinen Glauben schenken sollte. Zudem sei auch kein Grund ersichtlich, warum der österreichische Ehemann (als Zeuge vernommen) die Beschwerdeführerin wahrheitswidrig belasten sollte. Naturgemäß werde von der Beschwerdeführerin, um ihren (erschlichenen) Aufenthalt zu perpetuieren, das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten.

Dem Antrag auf neuerliche Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes sei nicht entsprochen worden, da nicht dargelegt worden sei, welche neuen entscheidungswesentlichen Tatsachen durch eine neuerliche Vernehmung hätten bewiesen werden sollen.

Die in der Berufung zitierte einschlägige Judikatur, wonach nach Verstreichen eines Zeitraumes von fünf Jahren seit rechtsmissbräuchlichem Eingehen einer Ehe die Gefährdungsprognose nicht mehr aufrecht erhalten werden könne und dieser Zeitraum ab dem Zeitpunkt der Eheschließung - und nicht der letztmaligen Berufung auf die Ehe zum Zweck der Erlassung einer Aufenthaltsbewilligung - zu berechnen sei, sei im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden. Die Ehe sei zwar vor mehr als fünf Jahren geschlossen worden, die Beschwerdeführerin habe jedoch fast zweieinhalb Jahre weiter in ihrer Heimat gelebt, sei von einem anderen Mann schwanger geworden, illegal nach Österreich gelangt und habe am 13. Mai 2004 einen Erstantrag im Inland unter Berufung auf die Ehe gestellt. Es bestehe daher ein erheblicher Unterschied zu dem modus operandi anderer Fremder, die sich regelmäßig rasch im Titelverfahren auf die Anspruchsgrundlage "Ehe" beriefen. Es wäre wohl mehr als unbillig, wenn ein Fremder, der im Ausland eine Aufenthaltsehe schließe, kalkuliert und berechnend im Ausland abwarte, einen Antrag erst nach Jahren im Inland stelle und im aufenthaltsbeendenden Verfahren einwende, die Ehe sei ja bereits vor mehr als fünf Jahren geschlossen worden, sodass nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht mehr mit einem Aufenthaltsverbot vorzugehen sei. Ein solches schematisches Abstellen auf Fristen, ohne Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, könne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht unterstellt werden. Daher sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im gegenständlichen Fall jedenfalls zulässig.

Unter Beachtung all dieser Umstände sei die belangte Behörde in Handhabung der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, d.h. ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie stattgefunden habe. Trotzdem habe sich die Beschwerdeführerin im Antrag vom 13. Mai 2004 darauf berufen.

Das Eingehen einer Scheinehe laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei. Das mit Eingehen einer Aufenthaltsehe gesetzte Verhalten stelle zweifellos auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften und am Recht auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG falle der etwa dreieinhalbjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin und ihr "eheliches" Kind, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebe, ins Gewicht. Eine davon ausgehende Integration in Österreich werde in ihrer Bedeutung aber dadurch entscheidend gemindert, dass ihr Aufenthalt nur auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe bis dato möglich gewesen sei. Den familiären bzw. privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Aufenthalt in Österreich stehe die durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Verletzung maßgeblicher öffentlicher Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) gegenüber. Daher könne die Ansicht der Erstbehörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), durchaus nachvollzogen und übernommen werden.

Da besonders berücksichtigungswürdige Gründe nicht erkannt und auch nicht vorgebracht worden seien, könne auch im Rahmen einer behördlichen Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung sei auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt, da seit 1. Jänner 2006 die Höchstdauer auch in Fällen festgestellter Aufenthaltsehen von fünf auf zehn Jahre hinaufgesetzt worden sei. Im Hinblick auf das oben dargestellte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG und bringt vor, die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Ehemann nach der Eheschließung - zumindest über einen kurzen Zeitraum - zusammen gelebt und ein Intimverhältnis gehabt. Der Tatbestand der Aufenthaltsehe sei nicht verwirklicht, wenn nach der Eheschließung - zu irgend einem Zeitpunkt - ein als Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu qualifizierendes "Eheleben" geführt worden sei. Nach dem Akteninhalt stehe fest, dass die Beschwerdeführerin während eines gewissen Zeitraumes zusammen gelebt habe und "so was wie Sex" gehabt habe. Auch aus dem Umstand, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin bei seiner Befragung mehr als vier Jahre nach der Eheschließung angegeben habe, sich "verschaukelt" zu fühlen, könne nicht geschlossen werden, dass ein gemeinsames Familienleben nie vorgelegen sei.

Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die Beschwerde geht insbesondere nicht auf die der Beweiswürdigung der belangten Behörde zugrunde liegenden Angaben von A B. ein, wonach die Ehe auch anlässlich der Eheschließung nicht vollzogen worden sei, er nach der Eheschließung lange Zeit nichts von seiner Ehefrau gehört habe und auch jetzt nicht wisse, wo sich seine Ehefrau aufhalte, damit er sich scheiden lassen könne, sowie dass er mit seiner Freundin N Z. und ihrem gemeinsamen Sohn zusammen lebe. Aus dem Umstand, dass die Eheleute einmal "so was wie Sex" hatten, kann nicht auf das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geschlossen werden, zumal der Ehemann - was unbestritten blieb - während der Zeit, in der die Eheleute in derselben Wohnung gelebt haben, absichtlich viel unterwegs gewesen ist. Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung auch die an der Wohnanschrift durchgeführten Erhebungen zugrunde gelegt, bei denen der Ehemann der Beschwerdeführerin in keinem Fall angetroffen wurde, wohl aber wiederholt B H. - einmal mit nacktem Oberkörper auf der Couch schlafend, sein Reisepass befand sich in der Glasvitrine im Wohnzimmer - sowie dessen Mutter. Auch auf diese Feststellungen geht die Beschwerde mit keinem Wort ein. Hingegen bestreitet die Beschwerdeführerin lediglich allgemein das Vorliegen einer Scheinehe, ohne jedoch konkrete Beweisergebnisse zu nennen, die ihren Standpunkt stützen könnten.

Die Beschwerdeführerin bekämpft die behördliche Annahme einer Aufenthaltsehe auch mit dem Argument, dass ihr Ehemann die Vaterschaft ihrer Tochter nicht gerichtlich bestritten habe und somit gemäß § 138 Abs. 1 Z. 1 ABGB der Vater ihrer Tochter sei.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - die gesetzliche Vermutung der ehelichen Geburt eines Kindes allein nicht zwingend auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schließen lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0304).

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Die Beschwerde bestreitet auch nicht, dass sich die Beschwerdeführerin zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger berufen hat. Daher begegnet auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

2. Zur Bekämpfung der von der belangten Behörde - zutreffend - vorgenommenen Beurteilung nach § 86 Abs. 1 FPG bringt die Beschwerde vor, dass zwischen dem Zeitpunkt der Eheschließung der Beschwerdeführerin und der Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides über fünfeinhalb Jahre vergangen seien und die Beschwerdeführerin angesichts ihres sonstigen Wohlverhaltens wohl keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Interessen mehr darstelle. Dass nunmehr bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässig sei, treffe keine Aussage darüber, nach welchem Zeitraum im konkreten Fall von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr durch das persönliche Verhalten der Beschwerdeführerin nicht mehr ausgegangen werden könne. Das Eingehen der Ehe und das Berufen auf diese im Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung stellten ein einheitliches Fehlverhalten dar. Warum dies im vorliegenden Fall nicht so sein solle, gehe aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor. Ein angeblicher Unterschied zum "modus operandi" anderer Fremder (Eingehen einer Aufenthaltsehe und darauf folgend Berufen auf die Ehe bei der Erlangung eines Aufenthaltstitels) liege daher nicht vor.

Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0729) zum FPG ausführt, würde die Annahme, ein weiteres Fehlverhalten im Sinne des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG zu einem späteren Zeitpunkt wäre unerheblich, in einen Wertungswiderspruch zu § 60 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. geraten. Die zum FrG 1997 ergangene Rechtsprechung bezüglich des Fünfjahreszeitraumes kann daher für das FPG nicht übernommen werden. Im vorliegenden Fall ist somit zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin mehrmals, zuletzt im Rahmen des Verlängerungsantrages vom 25. Juli 2005, auf die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berufen hat, ohne mit diesem ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Dieses Fehlverhalten lag noch nicht so lange zurück, dass auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschlossen werden könnte.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt des Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich.

3. Die Beschwerde bekämpft auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt vor, die dreijährige Tochter der Beschwerdeführerin, L B., eine österreichische Staatsbürgerin, sei auf die Pflege und Obsorge ihrer Mutter angewiesen. Eine Ausreise der Tochter mit der Beschwerdeführerin sei dieser nicht zumutbar. Durch ein Aufenthaltsverbot für die Beschwerdeführerin würden auch die Rechte der Tochter verletzt, da das Aufenthaltsrecht der Tochter jede praktische Wirksamkeit verliere. Mit der Obsorgeverpflichtung der Beschwerdeführerin habe sich der angefochtene Bescheid - wenn überhaupt - nicht ausreichend auseinander gesetzt. Auf die Interessen der Tochter der Beschwerdeführerin gehe der angefochtene Bescheid überhaupt nicht ein. Diese seien jedoch gemäß § 66 Abs. 2 FPG ebenso zu berücksichtigen. Da der angefochtene Bescheid keine Feststellungen zur Interessenabwägung zwischen den Interessen der Tochter der Beschwerdeführerin und den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen des Staates treffe, sei er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Gemäß der im Verwaltungsakt befindlichen Geburtsurkunde von L B. ist deren Vater der Ehemann der Beschwerdeführerin, A B. Nach den - unbestrittenen - Feststellungen im angefochtenen Bescheid liegt eine gegenteilige gerichtliche Entscheidung nicht vor. Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass A B. die Vaterschaft von L B. ausdrücklich bestritten hätte. Obwohl die Beschwerdeführerin bereits in ihren Stellungnahmen vom 25. August und insbesondere vom 11. September 2006 darauf hingewiesen hat, dass ihre Tochter österreichische Staatsbürgerin und gegenüber der Beschwerdeführerin unterhaltsberechtigt sei, hat sich die belangte Behörde nicht mit den Auswirkungen der aufenthaltsbeendigenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Familie der Beschwerdeführerin - insbesondere auf deren Tochter im Kleinkindalter - auseinander gesetzt.

Dieser Verfahrensmangel ist relevant, könnte doch bei einem Angewiesensein eines Kindes mit österreichischer Staatsangehörigkeit auf die Pflege und Obsorge durch seine Mutter eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme gegen die Mutter eine Verletzung nach Art. 8 EMRK darstellen, wenn dem Kind eine Ausreise mit der Mutter nicht zumutbar wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0376, sowie das Urteil des EGMR vom 31. Jänner 2006, Nr. 50435/99 - Rodriguez da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande).

4. Da es dem Gerichtshof somit verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auch im Hinblick auf die Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG überprüfen zu können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in dem Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am 25. September 2009

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