VwGH 2008/11/0199

VwGH2008/11/019915.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des M A in W, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in 8650 Kindberg, Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungsu. Behindertenangelegenheiten vom 8. Oktober 2008, Zl. 41.550/267- 9/06, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2008/I/002;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2008/I/002;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2005 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, einen bei ihm auf Grund der ihm am 5. Oktober 1992 vom zuständigen Amtsarzt verabreichten Hämophilus-ProHibit-Impfung eingetretenen Impfschaden anzuerkennen und ihm daraus folgend die nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) zu leistenden Entschädigungen ab 1. Juni 2005 zu leisten. Am 7. Tag nach der Impfung sei bei ihm ein Krampfanfall aufgetreten, danach hätten sich die Krampfanfälle gehäuft und er sei seither ein Pflegefall. Es bestehe daher die Wahrscheinlichkeit, dass die Impfung bei ihm eine Hirnschädigung ausgelöst habe.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Kärnten, vom 14. Februar 2006 wurde dieser Antrag gemäß §§ 1b und 2 des Impfschadengesetzes abgewiesen. Die erstinstanzliche Behörde führte im Wesentlichen zur Begründung aus, der Beschwerdeführer habe bereits früher (1996) einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens aus der gegenständlichen Impfung gestellt, welcher mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 17. November 1998 mangels Kausalität abgewiesen worden sei. Die vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 22. Oktober 1999 gemäß den §§ 1b, 2 und 2a des Impfschadengesetzes in der damals geltenden Fassung mit der Begründung abgewiesen worden, dass auch ein neuerlich eingeholtes ärztliches Sachverständigengutachten einen Kausalzusammenhang zwischen Impfung und den vorliegenden Gesundheitsschädigungen nicht erbringen habe können.

Im Hinblick auf die Änderung des Impfschadengesetzes mit der Novelle BGBl. Nr. 48/2005, wonach eine Gesundheitsschädigung als Impfschaden anzuerkennen sei, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis ursächlich zurückzuführen sei, habe der Beschwerdeführer nun einen neuerlichen Antrag gestellt. Auf Grund der von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Sachverständigengutachten sei jedoch im Hinblick auf das beim Beschwerdeführer vorliegende neurologische Zustandsbild mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Kausalität zwischen der Hämophilus-Influenza-B-Impfung und der Erkrankung des Beschwerdeführers auszuschließen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er den Antrag stellte, weitere Gutachten, insbesondere auch das eines neurologischen Sachverständigen, einzuholen und geltend machte, dass die bei ihm bestehende Erkrankung auf die gegenständliche Impfung zurückzuführen sei.

Die belangte Behörde holte daraufhin das Gutachten des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. S vom 12. Feber 2007 ein, in welchem es nach Darstellung der Anamnese, der körperlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, sowie des Akteninhaltes und der verwendeten Literatur, im Rahmen der "gutachterlichen Stellungnahme" im Kern wie folgt lautet:

"Der an M. verabreichte Impfstoff beinhaltete das hochgereinigte Kapselpolysaccharid der 2. Generation (Hämophilus influenzae Typ b-Polysaccharid Diphterie-Toxoid-Konjugat, Totimpfstoff).

Bei Totimpfstoffen liegt der Zeitpunkt der Impfreaktion zwischen 6 und 48 Stunden nach der Applikation. Es treten vorwiegend Reaktionen an der Impfstelle wie Schwellung, Rötung und Infiltratbildung auf. Gelegentlich kommt es auch zu Fieber und allgemeinen Krankheitsgefühl. Die klassischen Symptome der natürlichen Erkrankung sind nach Verabreichung eines Totimpfstoffes nicht zu erwarten.

Wie schon im Gutachten von Prim. Doz. Dr. Z (Abl. 210-221) wurden bis 1992 300 Mio Dosen des Impfstoffes Prohibit verimpft, wobei keine kausalen schweren Nebenwirkungen auftraten. 1992 wurden auch in Österreich 170.000 Dosen ohne schwerwiegende Komplikationen verimpft.

M. erkrankte am Tag nach der HIB Impfung an einer fieberhaften Bronchitis. Zeichen einer Enzephalopathie traten vom 5.10. (Tag der Impfung) bis zum 11.10.1992 nicht auf. Am 12.10.1992 tritt ohne Fieber ein vermutlich zerebraler Krampfanfall auf, bei der Aufnahme finden sich noch ein geröteter Rachen, ein reduzierter AZ, kein Meningismus oder Vigilanzeinschränkung. Das EEG war ohne Zeichen einer Enzephalopathie. Die Infektionssuche verläuft negativ, lediglich die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist erhöht. Im Verlauf des Aufenthaltes tritt eine ketotische Hypoglykämie auf (DD:

'ketotische Hypoglykämie im engeren Sinn', Glykogenose Typ 0/3, Organoazidopathien). Eine ketotische Hypoglykämie ohne zusätzliche Stoffwechselerkrankung zeigt sich üblicherweise im Säuglingsalter bzw. Kleinkindalter und endet im Schulalter, tritt bei interkurrenten Infekten und Fasten von 12-18 Stunden auf. Die Therapie besteht in häufigen Mahlzeiten.

Im weiteren Verlauf traten 2/1993 fieberassoziierte zerebrale Krampfanfälle auf, die nicht als unkomplizierte Fieberkrämpfe zu werten sind, da sie sich mehrmals während eines Infektes wiederholten, und M. zu diesem Zeitpunkt schon eine verzögerte Entwicklung, bei zentraler (zerebral-bedingter) Muskelhypotonie (gesteigerte Reflexe und verbreiterte Reflex-Zonen distal, sowie auch kognitive Einschränkung und Epilepsie) aufwies. Eine seit der Impfung 10/1992 fortbestehende Enzephalopathie lässt sich anhand der wiederholten unauffälligen EEG-Ableitungen (insbesondere auch des altersgerechten Grundrhythmus (Abl. 17)) nicht annehmen. Auch ein MRT des Gehirns war 11/1993 unauffällig bis auf eine Asymmetrie des Schädels, so auch kein Hinweis für neurometabolischen und enzephalopathischen Zellabbau mit Atrophie des ZNS. Sehr wohl traten aber paroxysmale Ereignisse im Sinne von unprovozierten Anfällen (Epilepsie), initial mit normalem interiktalen EEG-Ableitungen, auf. Die Familienanamnese bezüglich Epilepsie ist positiv. Die Motorik zeigte eine linksbetonte hypoton-ataktische Zerebralparese, wobei das erste MRT des Gehirns eine Ausweitung des rechten Seitenventrikels zeigte.

1998 zeigten dann EEG-Untersuchungen an der Kinderklinik Innsbruck eine unspezifische herdförmige Störung rechts temporal mit Ausbreitung über die gesamte rechte Hemisphäre, weiters aber auch interiktale epileptogene Aktivität bilateral synchron über frontal mit Generalisierungstendenz. Unter Convulex und Lamictal aber 4/1998 anfallsfrei. Somit ist die Diagnose einer kryptogenen Epilepsie anzunehmen.

...

Eine Reihe von Epilepsiesyndromen weist in der Anamnese das Vorkommen von primär fieber- oder infektassoziierten Anfällen auf (z.B. maligne myoklonische Epilepsie), andererseits sind genetische Syndrome mit fieberassoziierten und nichtfieberassoziierten Anfällen bekannt, z.B. GEFS (generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen)

Zwei Befunde scheinen in diesem Zusammenhang von Bedeutung 1) im ersten MRT zeigt sich Ausweitung der Ventrikel besonders rechtshirnig. 2) wird 1998 in den EEG-Befunden der Kinderklinik Innbruck von bilateral synchronen epileptogenen Entladungen berichtet. Somit ergeben sich Hinweise möglicher anderer Ursachen für das nachfolgende Auftreten der Epilepsie, die einen ursächlichen Zusammenhang mit der Hib Impfung sehr unwahrscheinlich machen. Voraussetzung für den infektassoziierten ersten Anfall könnte aber eine vorbestehende Disposition zu Epilepsie gewesen sein. Es findet sich jedoch kein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der später aufgetretenen Epilepsie und der Entwicklungsstörung.

Zu den gestellten Fragen:

a) Befund mit medizinisch exakter Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen

Kryptogene Epilepsie mit generalisiert tonisch-klonischen Anfällen

G40.9

Hypoton-ataktische, linksbetonte zentrale Parese

G80.3

Globale Entwicklungsstörung/mentale Retardierung

F79

b) Beurteilung der Kausalität (§1 Impfschadengesetz) dieser Leiden und Beschwerden

Die festgestellte Gesundheitsschädigung ist bei Berücksichtigung des angeführten Sachverhaltes mit äusserst geringer Wahrscheinlichkeit auf die vorgenommene HIB-Impfung ursächlich zurückzuführen.

...

Ad Seite 3

Aus den Befunden ergibt sich kein Hinweis auf Vorliegen einer Enzephalopathie (Vigilanzeinschränkung, pathologisches EEG, akute Veränderungen im MRT oder Schädelschall) in zeitlichem Intervall von 48 Stunden nach der Impfung, noch zum Zeitpunkt des ersten zerebralen Krampanfalles am 12.10.1992.

Es besteht kein Zusammenhang zwischen einer ketotischen Hypoglykämie und dem Auftreten eines Diabetes mellitus (üblicherweise mit Hyperglykämie vergesellschaftet).

Eine Diabetes mellitus führt nicht zu einer Hyperglykämie, ausser im Zusammenhang mit einer Therapie (wie Insulin).

Laut Literatur (Balow et al 2001) besteht kein Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem späteren Auftreten einer Epilepsie. Es werden jedoch fieber-assoziierte Anfälle bis 48 h nach der Impfung beschrieben.

Ad Seite 4

Es gibt keinen Hinweis für eine kausale Zunahme des Kopfumfanges im Anschluss an eine DT-Impfung.

Die angeführten Impfungen (16.7.1992, 11.9.1992) und die Erkrankung am 12.10.1992 stehen nicht in zeitlichem Zusammenhang, der für einen Totimpfstoff zu erwarten ist.

Der Kopfumfang war schon zu Geburt mit 35 cm für das Gestationsalter relativ gross.

...

Eine Enzephalopathie wird primär klinisch (qualitative und quantitative Bewusstseinsstörung) und mittels EEG diagnostiziert.

Die Wahrscheinlichkeit einer kryptogenen Epilepsie im Kindesalter in diesem Fall ist wahrscheinlicher als eine Erkrankung auf Grund der Impfung.

Ad 268/6-12 Buch Gerhard Buchwald:

Viele Jahre lang schien die Existenz einer Enzephalopathie mit Auftreten einer zusätzlichen Epilepsie durch die oft zeitgleich verabreichte Ganzzellpertussisimpfung belegt. Die Ganzkeimpertussisimpfstoffenzephalopathie ist nach Einführung des azellulären Keuchhustenimpfstoffes verschwunden. Im vorliegenden Fall hat keine Enzephalopathie vorgelegen. Die dargestellten Kasuistiken handeln von Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Diphtherie-Impfung, und sind für den gegenständlichen Fall nicht relevant."

Im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs legte der Beschwerdeführer in weiterer Folge den Befund des Arztes für Allgemeinmedizin und gerichtlich beeideten Sachverständigen für Impfschäden Dr. L vom 29. Oktober 2007 vor, in welchem insbesondere auch auf das Gutachten Dris. S eingegangen wird und eigene entgegenstehende Erwägungen entgegengesetzt werden; zusammenfassend führt Dr. L in seiner Stellungnahme Folgendes aus:

"...

Die Eltern von M. sind überzeugt, dass ihr Sohn infolge dieser Impfung einen schweren gesundheitlichen Schaden mit körperlicher und geistiger Behinderung erlitten hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich M. normal entwickelt gehabt. Es ist ihnen auch nicht bekannt, dass es ein anderes gesundheitsschädigendes Ereignis, etwa eine schwere Unterkühlung oder Durchnässung, eine schwere Darmverstimmung oder dass es eine besondere

Unregelmäßigkeit im familiären Leben gegeben hätte: Auch hatte er keine Medikamente vor dieser Impfung erhalten.

Interpretation der Krankengeschichte und Befunde:

Zu diesem Zeitpunkt hat es andere Umstände, die sein Leiden ausgelöst haben könnten, nicht gegeben.

Ernste, neurologische Erkrankungen nach Anwendung dieses Impfstoffes sind zwar selten, jedoch in der wissenschaftlichen Literatur zu finden. Dieser Impfstoff besteht nur aus den Anteilen der Bakterienmembranen. Damit dürfte sich auch das sehr seltene Auftreten von ernsten Nebenwirkungen erklären lassen.

Jedenfalls ist M. an einer postvakzinalen Enzephalopathie erkrankt. Diese Form der Erkrankung gibt es infolge des noch nicht reifen Immunsystems nur in den zwei ersten Lebensjahren. Typisch für diese Enzephalopathie ist das Fehlen von Entzündungsreaktionen im Gehirn. Darum spricht man nicht von Enzephalitis (Gehirnentzündung) sondern von Enzephalopathie (Erkrankung des Gehirns).

Das Leiden des M. findet hiermit seine pathophysiologische

Erklärung.

Zusammenfassung:

Bei M. treffen alle Kriterien zu, die für die Anerkennung eines Impfschadens sprechen. Sehr wahrscheinlich ist seine schwere, gesundheitliche Schädigung durch die Impfung mit ProHibit® am 05.10.1992 hervorgerufen worden."

Die belangte Behörde legte diese ärztliche Stellungnahme dem Sachverständigen Dr. S zur Äußerung vor, in seinem ergänzendem Gutachten vom 30. April 2008 ging der Sachverständige auf die Stellungnahme Dris. L ein und führte dann im Ergebnis aus wie folgt:

"Ad 268/79-85:

Zum Gutachten Dr. L. ist festzustellen, dass er aus einem Journal des Jahres 1956 zur Frage postvakzinale Enzephalitis und Encephalopathie zitiert. Hier verweise ich zu oben genannte Literatur, und dem Gutachten vom 12.2.2007.

Die auf 268/83 Ansatz 2 angegebene Befundinterpretation und

darauffolgende Kausalkette .... 'Die Untersuchungen mittels

Ultraschall, Kernspintomographie und der Röntgenuntersuchung des

Schädels ergaben lediglich Hinweise auf Steigerung des Hirndrucks'

....dieser Hinweis wird in weiterer Folge als (268/84 Ansatz 1)

...entsprechend einem Hirnödem.. gesehen und weiter... 'Es handelt

sich also um eine postvakzinale Enzephalopathie, in deren Folge Krampfanfälle und neurologische Defekte aufgetreten sind'. Diese Interpretation und Ableitung eines kausalen Zusammenhangs ist höchst anzuzweifeln und erklärt sich selbst als nicht richtig, wenn man die Befunde liest (siehe Befunde Abl. 182-186). M. wurde am 12.10.1992 aufgenommen, zu diesem Zeitpunkt war der Kopf bereits makrozephal (> 97. Perzentile im Kopfumfang). Im Ultraschall mittelgradige Ausweitung des 3. Ventrikels.... Weitstellung beider Seitenventrikel. Im MRT Asymmetrie der Seitenventrikel zu gunsten der rechten Seite. Hinweis auf Vorliegen eines Hydrozephalus wobei vor allem die Seitenventrikel und der 3. Ventrikel betroffen erscheinten, sowie auffalllend weite äussere Liquorräume. Im Schädelröntgen die Sella turcica relativ weit und schlecht abgrenzbar, sodaß an eine intrakranielle Drucksteigerung zu denken ist. Aufgrund des auffälligen Makrozephalus und dieser Befunde wurde das Vorliegen eines Hydrozephalus ohne Abflusshinderniss und auch mit auffällig weiten äusseren Liquorräumen festgestellt. Ein Hirnödem wird nicht beschrieben, die Ausweitung der Liquorräume hat mit höchster Wahrscheinlichkeit, aufgrund der makrozephalen Kopfform schon vor der Aufnahme am 12.10.1992 bzw. der aktuellen Erkrankung bestanden. Die Argumentation Dr. Ls. erscheint somit nicht auf der Befundlage zu basieren.

Die vorgebrachten Einwendungen führen nach Ansicht des unterfertigten Gutachters nicht zu einer Änderung in der medizinischen Beurteilung.

In Conclusion spricht erheblich mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der verabreichten Impfung und der Erkrankung von M."

Die belangte Behörde erließ daraufhin nach Erstattung einer weiteren Stellungnahme durch den Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 2008, mit welchem sie die Berufung des Beschwerdeführers gestützt auf die §§ 1b Abs. 1 und 2 sowie 3 Abs. 3 des Impfschadengesetzes und § 2 Abs. 1 des Heeresversorgungsgesetzes abwies.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensgangs und Zitat des Gutachtens Dris. S sowie Darstellung der Stellungnahmen des Beschwerdeführers, des von ihm beigebrachten Befundes Dris. L sowie der ergänzenden Ausführungen Dris. S zusammengefasst im Wesentlichen aus, es habe die Prüfung zu ergehen, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sei, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die gegenständliche Impfung zurückzuführen sein.

Die eingeholten ärztlichen Gutachten Dris. S seien schlüssig und nachvollziehbar. Daraus ergebe sich, dass die Ursache des beim Beschwerdeführer objektivierten Leidenszustandes zwar nicht eindeutig feststellbar sei, dass aber der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges mit der gegenständlichen HIB-Impfung vom 5. Oktober 1992 nicht gegeben sei. Daran änderten auch die vom Beschwerdeführer im Verfahren im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Stellungnahmen bzw. vorgelegten Beweismittel nichts, weil dadurch die Beurteilung Dris. S nicht habe entkräftet werden können. Die Kausalität zwischen Impfung und Leidenszustand sei nicht mit entsprechender Wahrscheinlichkeit begründbar. Dagegen habe sich ergeben, dass vor allem die erste MRT-Untersuchung und die im Jahr 1998 durchgeführten EEG-Untersuchungen Befundergebnisse aufgewiesen hätten, laut denen das Krankheitsbild einer kryptogenen Epilepsie beim Beschwerdeführer anzunehmen sei, sodass sich ein Hinweis auf eine andere Ursache für das Leiden des Beschwerdeführers ergeben habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, welches vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zuletzt mit BGBl. I Nr. 2/2008 geänderten wurde, lautet auszugsweise:

"...

§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Verordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.

(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter Kind Pass genannte Impfungen verursacht worden sind.

...

§ 3. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes sind unmittelbar von Bundesbehörden zu versehen.

(2) Über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz entscheidet in erster Instanz das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in zweiter und letzter Instanz die Bundesberufungskommission.

(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 88 Abs. 3, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden.

..."

§ 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. ...

(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

..."

Bei der gegenständlichen Impfung handelt es sich nach der - im Beschwerdefall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Impfung maßgeblichen - Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über empfohlene Impfungen, BGBl. Nr. 445/1992 (§ 1 Z 5) um eine Impfung im Sinne des § 1b Abs. 2 des Impfschadengesetzes. Als zentrale Tatbestandsvoraussetzung wird in § 1b Impfschadengesetz, auf den sich der angefochtene Bescheid stützt, die Verursachung eines Schadens durch die Impfung normiert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Verursachung eines Schadens durch eine Impfung im Sinne des Impfschadengesetzes unter Bezugnahme auf die Novelle BGBl. I Nr. 48/2005, die auch im vorliegenden Fall Gültigkeit hat, in seinem Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2007/11/0005, auseinandergesetzt. Durch die genannte Novelle wurde § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz dahin geändert, dass bei der Beurteilung eines Entschädigungsanspruches nach dem Impfschadengesetz der oben zitierte § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) sinngemäß anzuwenden ist. Gemäß - dem auch im Beschwerdefall anzuwendenden - § 2 Abs. 1 HVG kommt es darauf an, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung "zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis ... ursächlich zurückzuführen ist"; Abs. 2 leg. cit. normiert, dass die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung genügt, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

Die Erläuterungen (RV 671 BlgNR XXII. GP 6) zur Novelle des Impfschadengesetzes, BGBl. I Nr. 48/2005, führen zu § 3 Abs. 3 leg. cit. wie folgt aus:

"Dadurch wird im Bereich des Impfschadengesetzes ein Anspruch auf Entschädigung bereits dann eingeräumt, wenn die Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf die verabreichte Impfung zurückzuführen ist."

Daraus folgt, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht. Davon ausgehend ist jedenfalls dann, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei maßgeblichen Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind, von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 ImpfSchG iVm § 2 HVG auszugehen (vgl. neben dem oben erwähnten Erkenntnis vom 17. November 2009 etwa auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2011, Zl. 2007/11/0034). Anhand dessen ist zu überprüfen, ob die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei im vorliegenden Fall nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Beschwerdeführers anzunehmen.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass der Gutachter Dr. S. befangen gewesen sei, weil "Kinderfachärzte von der Ausbildung her Impfärzte sind und bemüht sind, Impfschäden mit wechselnder Begründung zu negieren". Sie könnten eine "fachärztliche Ausbildung über Impfschäden … nicht vorweisen" und es handle sich dabei um untaugliche Sachverständige. Mit diesen vagen und allgemeinen Behauptungen, ohne jeglichen Bezug auf die Person bzw. fachliche Ausbildung Dris. S und ohne Darstellung von konkreten Gründen, welche die vom Beschwerdeführer geäußerten Vermutungen bestätigen könnten, vermag es der Beschwerdeführer aber weder, die fachliche Qualifikation des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen Dr. S in Zweifel zu ziehen, noch einen konkreten Anhaltspunkt dafür aufzuzeigen, der Sachverständige sei gegen den Beschwerdeführer voreingenommen gewesen oder habe sich nicht ausschließlich von sachlichen Motiven bei Erstattung seines Gutachtens bzw. des Ergänzungsgutachtens leiten lassen.

Aber auch inhaltlich vermag es der Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wie bereits oben ausgeführt, ist es nach der hier maßgebenden Rechtslage nicht erforderlich, den Kausalitätsbeweis zu erbringen, sondern es reicht für einen Anspruch auf Entschädigung aus, wenn eine "Kausalitätswahrscheinlichkeit" im oben beschriebenen Sinn besteht. Hiebei ist es auch von besonderer Bedeutung, wenn die Prüfung ergibt, dass eine andere wahrscheinlichere Ursache für den Leidenszustand besteht.

Der Beschwerdeführer stützte sich im Verwaltungsverfahren darauf, dass die von ihm ins Treffen geführten Krampfanfälle sieben Tage nach Verabreichung der Impfung - und in der Folge stärker werdend - aufgetreten seien und legte der belangten Behörde die Stellungnahme Dris. L vor, nach der die "schwere gesundheitliche Schädigung" des Beschwerdeführers - im Gegensatz zur Auffassung Dr. S. - "sehr wahrscheinlich" durch die gegenständliche Impfung am 5. Oktober 1992 hervorgerufen worden sei.

Dabei wird jedoch außer Betracht gelassen, dass nach der hier maßgebenden Rechtslage die Prüfung einer Wahrscheinlichkeit der Kausalität zwischen Impfung und gesundheitlichen Schäden nach den drei oben dargestellten Kriterien zu erfolgen hat.

Es ist daher zunächst auf die Inkubationszeit Bedacht zu nehmen: Dr. S. führte in seinem Gutachten in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise aus, dass es sich beim gegenständlichen Impfstoff um einen Totimpfstoff gehandelt habe, bei welchem die Impfreaktion zwischen 6 und 48 Stunden nach der Applikation eintrete, der Beschwerdeführer am Tag nach der Impfung zwar an einer fieberhaften Bronchitis erkrankt sei, jedoch der beschriebene Krampfanfall erst sieben Tage danach aufgetreten sei und das EEG ohne Zeichen einer Encephalopathie gewesen sei. Dass die Inkubationszeit des gegenständlichen Impfstoffes von Dr. S. unrichtig dargestellt worden wäre oder dass vom Beschwerdeführer innerhalb dieser Inkubationszeit Krankheitssymptome aufgetreten seien, die Dr. S. nicht beachtet hätte, ist aus der Stellungnahme Dris. L nicht zu ersehen. Schon deshalb kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde sich auf diese Ausführungen des von ihr beigezogenen Sachverständigen stützte. Gleiches gilt, was die Symptomatik anlangt. Dr. L. stellt in seiner Stellungnahme dar, dass nach den von ihm eingesehenen literarischen Grundlagen im Hinblick auf die "modernen Erkenntnisse der Immunologie" und eine Ausbildung des Immunsystems erst mit dem 30. Lebensjahr der Umstand zu erklären sei, dass sich beim Beschwerdeführer erst im Jahr 1998 im EEG zum ersten Mal "positive Krampfpotentiale" fänden und diese symptomarme Form der Enzephalitis als postvakzinale Enzephalopathie bezeichnet werde, an der der Beschwerdeführer erkrankt sei. In seinem Ergänzungsgutachten vom 30. April 2008 hat der von der Behörde beigezogene Gutachter auch dazu Stellung genommen und hat ausgeführt, warum er dennoch bei seiner Beurteilung bleibe. Der Beschwerdeführer zeigt in der Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen der Einschätzung Dris. L mehr zu folgen sei, als den Ausführungen Dris. S. Damit ist auch in diesem Punkt nicht erkennbar, dass die belangte Behörde den Ausführungen des Letztgenannten nicht hätte folgen dürfen.

Im Übrigen hat der Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten - und ihm folgend die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - auch auf EEG-Untersuchungen im Jahr 1998 an der Kinderklinik in Innsbruck Bedacht genommen, woraus sich ergeben habe, dass die Diagnose einer kryptogenen Epilepsie beim Beschwerdeführer anzunehmen sei. Dem entsprechend führte der Sachverständige Dr. S in seinem Gutachten aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer kryptogenen Epilepsie beim Beschwerdeführer höher sei als eine Erkrankung aufgrund der Impfung. Auch diese Annahme wird von Dr. L in seiner Stellungnahme nicht schlüssig widerlegt, sodass auch in dieser Hinsicht der belangten Behörde kein Fehler vorgeworfen werden kann.

Damit ist anhand einer Prüfung der Wahrscheinlichkeit im Sinne der oben dargestellten Rechtslage keine Grundlage gegeben, die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität zwischen der hier in Rede stehenden Impfung vom 5. Oktober 1992 und dem Leiden des Beschwerdeführers anzunehmen. Es liegt damit im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Juli 2011

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