Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §14 Abs5;
BEinstG §2 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §14 Abs5;
BEinstG §2 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Wien, vom 31. Jänner 2007 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 20. September 2006 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß §§ 3 Abs. 2 und 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer, dessen Grad der Behinderung mit 20 v.H. festgestellt werde, mit Ablauf des Monats, der der Zustellung des Bescheides folge, nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre. Die erstinstanzliche Behörde führte im Wesentlichen zur Begründung aus, dass mit Bescheid des Landesinvalidenamtes Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 12. August 1991 ausgesprochen worden sei, dass der Beschwerdeführer seit 6. Feber 1991 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre, der Grad seiner Behinderung sei mit 50 v.H. festgestellt worden. Auf Grund des nunmehr durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere auf Grund des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens - der von der Erstbehörde beigezogene Facharzt für Unfallchirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. hatte in seinem Gutachten vom 17. November 2006 eine Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk bei Zustand nach Bruch des linken Ober- und Unterschenkels als führendes Leiden festgestellt und ausgeführt, dass es zu einer wesentlichen Verbesserung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers im Verhältnis zum Vorgutachten gekommen sei - habe sich ergeben, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nur mehr 20 v.H. betrage. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers nach Einräumung des Parteiengehörs bewirke keine Änderung dieser Beurteilung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juli 2008 wurde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung auf der Rechtsgrundlage der §§ 2 Abs. 1, 3, 14 Abs. 1 und 2 sowie 27 Abs. 1 BEinstG als unbegründet abgewiesen und in Modifizierung des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung dieses (Berufungs-) Bescheides folge, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre.
In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die von ihr eingeholten Sachverständigengutachten vom 15. Jänner 2008 des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. und des Facharztes für Chirurgie Dr. K. In ersterem wird unter anderem ausgeführt:
"….
Neurostatus:
Rechtshändigkeit.
Die Hirnnerven sind unauff., die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.
Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar,
die Koordination ist intakt,
an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, die Muskeleigenreflexe
sind seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Die Koordination ist intakt,
die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren
Extremitäten negativ,
das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauff..
Die Sensibilität wird im Bereich der Narbe im Bauchbereich
als vermindert angegeben.
Psychiatrischer Status:
Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend
orientiert,
keine Antriebsstörung, Auffassung regelrecht, keine kognitiven Defizite,
Affekt ausgeglichen, Stimmungslage dysthym, zeitweise Durchschlafstörung,
keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.
Diagnosen:
1. Vegetative Dystonie 583 0%
Begründung
Abl.81/1-7: Die Behandlung bei Dr. S. wurde abgebrochen, derzeit keine adäquate antidepressive Therapie.51-59: Die Befunde zeigen keine neuen Erkenntnisse aus nervenärztlicher Sicht, um die Beurteilung zu ändern. Es besteht eine Diskrepanz mit der Schwere der Symptome im Befundbericht von Dr. S. vom 19.12.2006 und der fehlenden derzeitigen Therapie Abl.81/13-19 (teilweise idente Befunde wie Abl 51-59)
Die Befunde zeigen keine neuen Erkenntnisse aus nervenärztlicher Sicht, um die Beurteilung zu ändern, 23-29: keine neurologisch/psychiatrischen Befunde.
Abl.28-29: keine neurologisch/psychiatrischen Befunde 43-47 keine Erkenntnisse aus nervenärztlicher Sicht, um die Beurteilung zu ändern, 61. keine neurologisch/psychiatrischen Befunde
Dauerzustand"
Im zweitgenannten Gutachten wird unter anderem Folgendes
ausgeführt:
"…
Diagnose
1) Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk bei Zustand nach Bruch des linken Ober- und Unterschenkelsoberer Rahmensatz, da geringe Einschränkung der Innen- und Außenrotation | 96 | 20% |
2) Beinverkürzung rechts von 1 cmunterer Rahmensatz, da Verkürzung von 1cm | 111 | 0% |
3) Zustand nach Semicastratio links und Lymphadenektomieretroperitoneal wegen Teratom | 268 | 10% |
4) Vegetative Dystonie | 583 | 0% |
Der GesGdB beträgt 20%, da das führende Leiden 1 durch
Leiden 3 nicht weiter erhöht wird, da keine ungünstige
wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Zu den Berufungseinwendungen
Der angegebene Bruch des rechten Unterschenkels und linken Oberarmes im Alter von zehn Jahren ist folgenlos geheilt. Der im Jahre 1974 erlittene Schienbeinbruch rechts ist ohne Funktionsstörung geheilt, eine bestehende Beinverkürzung wurde richtsatzmäßig berücksichtigt, ist jedoch aufgrund des geringen Verkürzungsausmaßes ohne klinische Relevanz. Oberschenkelbruch und Schienbeinbruch links sind mit einer lediglich geringen Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk geheilt. Befunde über ein Magenleiden sind 28 Jahre alt und nicht mehr aktuell. Diesbezüglich neuere Befunde liegen nicht vor. Entsprechend dem Stand der modernen Gastroenterologie sind die seinerzeit beschriebenen Veränderungen optimal behandelbar und kann bei entsprechend suffizienter Therapie vollkommen Beschwerdefreiheit erreicht werden. Somit besteht hier kein GdB mehr. Die Semicastratio ist entsprechend der hier vorgesehenen Richtsatzposition mit 10% einzuschätzen. Diesbezügliche rezente Kontrollen sind unauffällig, kein Hinweis auf Rezidiv. Zur Unmöglichkeit des Samenergusses kann nicht Stellung genommen werden, da dies nicht das chirurgische Fachgebiet betrifft. Das unfallchirurgische Gutachten Dris. W. ist nicht nachvollziehbar, da hier falsche Richtsätze angewendet werden. Eine lediglich geringe Rotationseinschränkung im linken Hüftgelenk kann niemals mit einem GdB von 40% bewertet werden, eine Beinverkürzung von 1cm ist mit 0% und nicht mit 30% zu bewerten. An der Wirbelsäule fand sich anläßlich der eigenen Begutachtung ein unauffälliger Befund, daher kein GdB. Ein ungünstiges Zusammenwirken mit der Semicastratio besteht nicht. Die Narbe am Abdomen ist völlig reaktionslos und nicht funktionsbehindernd, die Frakturen an den Beinen sind bis auf geringe Beinverkürzung rechts und geringe Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk folgenlos geheilt. Vergleichsgutachten ABl. 29-29 entspricht nicht mehr dem aktuellen Befund. Die Hüftgelenksbeweglichkeit zwischenzeitlich gebessert, eine Muskelatrophie liegt nicht mehr vor. Das seinerzeitig ausgewiesene Magenleiden ist entsprechend obigen Ausführungen nicht mehr zu berücksichtigen.
Gegenüber erstinstanzlichem Gutachten wurde eine vegetative Dystonie in die Diagnoseliste aufgenommen, ebenso die gemessene Beinverkürzung von 1cm."
Die belangte Behörde folgte in der Begründung des angefochtenen Bescheides diesen Gutachten und gelangte, nach Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften und nach einem Hinweis auf die gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965 über die Einschätzung des Grades der Behinderung sowie nach Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zu dem Ergebnis, dass auf Grundlage der ihr vorliegenden schlüssigen Sachverständigengutachten von einem Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 20 v.H. auszugehen sei. In den Gutachten sei auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß auf Grund der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung ausführlich eingegangen worden, die festgestellten Funktionseinschränkungen seien berücksichtigt worden. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde seien nicht geeignet, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften. Auch habe Dr. K. in seinem Gutachten schlüssig dargelegt, weshalb das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten Dris. W, welches im Übrigen bereits eineinhalb Jahre vor den Untersuchungen am 15. Jänner 2008 erstellt worden sei, nicht nachvollziehbar sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG lauten (auszugsweise):
"Begünstigte Behinderte
§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H., denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. ...
Behinderung
§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
...
Feststellung der Begünstigung
§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z. 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.
(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. ... Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird. …
(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
(4) ...
Übergangsbestimmungen
§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
(2) ..."
Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht erlassen war, hat die belangte Behörde zu Recht (§ 27 Abs. 1 BEinstG) die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze herangezogen.
Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach § 3 der oben genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2010, Zl. 2008/11/0045, mit weiteren Nachweisen).
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Titel "unzulässige Neufestsetzung des Grades der Behinderung" geltend macht, die belangte Behörde hätte im Hinblick auf den rechtskräftigen Bescheid vom 12. August 1991 ohne dessen Behebung nicht neuerlich über den Grad der Behinderung des Beschwerdeführers entscheiden dürfen, außer unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens, ist ihm Folgendes zu entgegnen:
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens war der Antrag auf Festsetzung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers vom 20. September 2006, weil sich die Sachlage geändert, nämlich seiner Auffassung nach verschlechtert habe. Derartige Anträge auf (Neu-)Festsetzung sind unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 BEinstG zulässig - die Behörde hat in einem solchen Fall in Anwendung des § 14 Abs. 2 erster Satz leg. cit. den Grad der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen (neu) einzuschätzen und bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 leg. cit. den Grad der Behinderung (neu) festzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2003/11/0116). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war es der belangten Behörde somit nicht verwehrt, ohne Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes den nunmehrigen Leidenszustand des Beschwerdeführers den Grad der Behinderung neu zu beurteilen.
Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, dass der Grad der Behinderung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, also wenn der Grad der Behinderung mit weniger als 50 v. H. eingeschätzt wird, bescheidmäßig festzustellen sei. Vielmehr ist nach dem letzten Satz des § 14 Abs. 2 BEinstG in einem solchen Fall lediglich der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten auszusprechen (vgl. erneut das oben erwähnte Erkenntnis vom 17. Oktober 2006). Wenngleich dies offensichtlich die erstinstanzliche Behörde verkannt hatte, hat die belangte Behörde durch die Modifizierung des Spruchs des Bescheides, wozu sie verpflichtet war, dahin, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dem Kreis der Begünstigen Behinderten angehöre, der genannten Vorschrift Genüge getan. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist somit in dieser Hinsicht nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, dass die belangte Behörde Gutachten herangezogen habe, die seiner Auffassung nach nicht schlüssig seien. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren Befunde vorgelegt, die ausreichende Grundlage böten, einen Grad seiner Behinderung von mehr als 50 v.H. anzunehmen. Insbesondere seien die Gutachten Dris. W. (das der Beschwerdeführer vorgelegt hat) und Dris. K. (das die belangte Behörde eingeholt hat) entscheidungswesentlich. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Gutachten gegeneinander abzuwägen und darzulegen, warum sie dem einen oder dem anderen folgt bzw. nicht folgt. Dr. K. gehe jedoch auf die Ausführungen Dris. W. nur ungenügend ein, das Gutachten Dris. K. sei daher keine hinreichende Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde, die die Ausführungen Dris. W. ignoriert habe. Auch das von der Behörde eingeholte Gutachten Dris. Sch. sei unzureichend und gehe insbesondere nicht auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde ein. Die belangte Behörde habe es somit unterlassen, den für die Beurteilung der Rechtssache notwendigen Sachverhalt vollständig zu erheben.
Dieses Vorbringen ist zielführend.
Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren neben anderen Unterlagen bzw. Befunden bereits mit seinem das Verfahren einleitenden Antrag den als "fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten" überschriebenen Befund des Facharztes für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie sowie allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. vom 19. September 2006 vorgelegt, in welchem dieser - mit näherer Begründung, auch unter Bedachtnahme auf die den Leiden zuzuordnenden Richtsatzpositionen -
zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Beschwerdeführer ein Grad der Behinderung von 60 v.H. gegeben sei. Der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. K. geht auf diesen Befund nur oberflächlich ein, führt aus, dass der Befund nicht nachvollziehbar sei, weil hier "falsche Richtsätze" angewendet würden, die festgestellte Rotationseinschränkung im linken Hüftgelenk könne "niemals mit einem GdB von 40% bewertet werden", eine Beinverkürzung von einem Zentimeter sei "mit 0% und nicht mit 30%" zu bewerten, ohne sich im Einzelnen mit den Ausführungen Dris. W. konkret auseinanderzusetzen. Schon allein deshalb erweist sich das Gutachten Dris. K. ohne Ergänzung unter Berücksichtigung der Ausführungen Dris. W. und insbesondere des von ihm beurteilten Gesamtgrades der Behinderung, der gravierend von dem von Dr. K. ermittelten abweicht und sogar eine Verschlechterung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers im Verhältnis zum Bescheid vom 12. August 1991 aufzeigen würde, ohne nähere Auseinandersetzung als nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde zu tragen. Soweit die belangte Behörde zu erkennen gibt, dass der Befund Dris. W. schon eineinhalb Jahre alt sei, unterlässt sie es - wie schon der Sachverständige Dr. K. - darzulegen, aus welchen Gründen die Ausführungen Dris. W. im Hinblick auf den zeitlichen Aspekt bzw. im Hinblick auf eine Besserung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers seit der Befundaufnahme durch Dr. W. nicht mehr relevant wären.
Aber auch das Gutachten Dris. Sch. geht nicht hinreichend auf den Leidenszustand des Beschwerdeführers ein. Dieser hatte im Verwaltungsverfahren ein Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 19. Dezember 2006 vorgelegt, in welchem dieser Arzt, nach Hinweis, dass der Beschwerdeführer bei ihm seit 12. Dezember 2006 in "regelmäßiger und konsequenter" Behandlung stehe, unter anderem ausführt:
"… Neurologisch handelt es sich bei dem Patienten um einen St.p. Hodenkarzinom mit intensiver Chemotherapie und einem konsekutiven PNP-Syndrom, einer schwersten Verlaufsform einer Major depressiv disorder, ein Thorakolumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik sowie einem schwersten Burn-out-Syndrom."
Dr. Sch. ist in seinem Gutachten auf diese Ausführungen im Einzelnen nicht eingegangen, sondern hat sie damit abgetan, dass die Behandlung bei Dr. S. abgebrochen worden sei. Es ergibt sich aus dem Gutachten Dris. Sch. weder, dass die von Dr. S. angeführten Leiden des Beschwerdeführers nicht (mehr) vorliegen würden oder sich zumindest gebessert hätten, noch, aus welchen Gründen eine derartige Annahme im Hinblick auf den angenommenen Abbruch der Therapie gerechtfertigt sei. Auch dieses Gutachten ist daher ohne Ergänzung im beschriebenen Sinn nicht geeignet, als Grundlage der Entscheidung der belangten Behörde herangezogen zu werden. Der Sachverhalt bedarf somit einer Ergänzung, die bewirken kann, dass die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gelangt.
Der angefochtene Bescheid war daher, da die belangte Behörde zu diesen Befunden keine Erwägungen angestellt hat, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.
Wien, am 23. Februar 2011
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