Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) Wien am 3. Dezember 2007 ein Stellenangebot mit ua. folgendem Inhalt übermittelt:
"Die Fa. D... GesmbH, ein österreichweit agierender Konzern,
sucht
6 Reinigungskräfte (m./w.)
für diverse Bezirke in Wien.
BERUFSERFAHRUNG !!, GUTE DEUTSCHKENNTNISSE und gültige
Arbeitspapiere werden vorausgesetzt. ...
Persönliche Bewerbungen finden im Rahmen einer Vorauswahl am Dienstag den 11.12.2007 zwischen 9:00 und 11:00 Uhr in der AMS
Geschäftsstelle P ... statt".
Am 10. Jänner 2008 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des AMS Wien eine Niederschrift aufgenommen. Der Beschwerdeführer gab - befragt zu den Gründen für die Nichtannahme bzw. für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung beim Dienstgeber D. - zu Protokoll, er habe keine Einwendungen vorzutragen. In dem Protokoll ist weiter festgehalten, der Dienstgeber habe mitgeteilt, der "Kunde" sei zur Vorauswahl nicht erschienen. Hiezu erklärte der Beschwerdeführer, er habe sich schriftlich beworben und keine Antwort erhalten.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. Jänner 2008 wurde der Beschwerdeführer des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 11. Dezember 2007 bis 21. Jänner 2008 verlustig erklärt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung bei D. vereitelt. Gründe für eine Nachsicht lägen keine vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin wandte er zusammengefasst ein, in der Stellenbeschreibung sei vermerkt gewesen, dass Berufungserfahrung vorausgesetzt sei. Mangels Berufserfahrung habe er keine Chance zu einer Anstellung vermutet. Er habe dennoch eine ausführliche Bewerbung samt Lebenslauf an das Unternehmen gesendet, hierauf aber keine Antwort erhalten. Mangels Berufserfahrung sei die angebotene Stelle für den Beschwerdeführer unzumutbar. Am selben Tag (3. Dezember 2007) seien ihm noch acht weitere Stellen als Reiniger angeboten worden, bei denen die Berufserfahrung keine Voraussetzung gewesen sei; auch insoweit sei eine Beschäftigung nicht zustande gekommen. Bei der hier angebotenen Stelle (D.) wäre er sicher nicht angestellt worden. Es liege ein Missverständnis vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei am 3. Dezember 2007 eine Beschäftigung als Reinigungskraft beim Dienstgeber D. (mit Personalvorauswahl) mit Arbeitsbeginn 11. Dezember 2007 angeboten worden. Laut Vermittlungsvorschlag sei Berufserfahrung als Voraussetzung angegeben worden, weiters sei angeführt worden, dass eine persönliche Bewerbung im Rahmen einer Vorauswahl erfolge. Zu dieser Vorauswahl sei der Beschwerdeführer nicht erschienen. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei nochmals mit dem zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens bezüglich der vorausgesetzten Berufserfahrung Rücksprache gehalten worden. Dieser habe angegeben, dass auch "Quereinsteiger" aufgenommen würden und dies auch bei dieser Stellenbesetzung der Fall gewesen sei. Es handle sich um einen Anlernberuf. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme hiezu ausgeführt, nachträglich könne man vieles behaupten, die Berufserfahrung sei mit Rufzeichen betont gewesen. Der Beschwerdeführer habe durch die Nichtbewerbung bzw. Nichteinhaltung der geforderten Bewerbungsmodalitäten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Es bedürfe eines auf die Erlangung des vermittelten Arbeitsplatzes ausgerichteten unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns. Dies habe der Beschwerdeführer unterlassen und dadurch auch in Kauf genommen, dass er für die Besetzung der Stelle nicht in Frage komme. Es entspreche auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Stellenausschreibungen Idealvoraussetzungen angegeben würden, von denen in der Praxis sehr oft abgegangen werde. Das Instrument der Vorauswahl hätte dazu gedient, abzuklären, ob der Beschwerdeführer auch ohne Berufserfahrung für die Besetzung der Stelle in Frage gekommen wäre. Eine Unzumutbarkeit sei nicht erkennbar. Nachsichtgründe seien nicht genannt worden und auch nicht ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder der die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wege verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0017).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0237, mwN).
Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG wird nur verwirklicht, wenn es sich um eine zumutbare und damit für die Zuweisung geeignete Beschäftigung handelt. Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden. Wenn die arbeitslose Person dem vom Dienstgeber bekannt gegebenen Anforderungsprofil nicht entspricht, ist daher eine Zuweisung unzulässig (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 2007, Zl. 2006/08/0016, mwN).
Dass der Beschwerdeführer die vom Dienstgeber geforderte - und in der Stellenbeschreibung durch Großbuchstaben und zwei Rufzeichen besonders hervorgehobene - Berufserfahrung aufgewiesen hätte, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Da sohin der Beschwerdeführer dem vom Dienstgeber in der Stellenbeschreibung bekannt gegebenen Anforderungsprofil nicht entsprach, war die Zuweisung unzulässig.
Soweit sich durch nachträgliche - erst im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführte - Erhebungen ergeben hat, dass es sich doch um eine für die Zuweisung geeignete Beschäftigung handelte, wäre das Verschulden des Beschwerdeführers am Nichtzustandekommen der Beschäftigung - auch im Hinblick auf sein Berufungsvorbringen, es liege ein Missverständnis vor - näher zu prüfen gewesen. Im angefochtenen Bescheid wurde hiezu lediglich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe dadurch, dass er die geforderten Bewerbungsmodalitäten nicht eingehalten habe bzw. ein auf die Erlangung des vermittelten Arbeitsplatzes ausgerichtetes aktives Handeln unterlassen habe, "auch in Kauf genommen", dass er für die Besetzung der Stelle nicht in Frage gekommen sei.
Der Arbeitslose ist zwar verpflichtet, allfällige Zweifel über seine Eignung für eine ausgeschriebene Stelle mit dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter des AMS abzuklären oder sich im Vorstellungsgespräch insoweit informieren zu lassen (vgl. die Erkenntnisse vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0284, und vom 25. Oktober 2006, Zl. 2005/08/0199); dies hätte hier - entsprechend den aufgrund einer nicht als unschlüssig erkennbaren Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen - zum Ergebnis geführt, dass tatsächlich keine Berufserfahrung notwendig sei. Im Hinblick auf die besondere Hervorhebung der Berufserfahrung in der konkreten Stellenbeschreibung mussten aber keine Zweifel über die fachliche Eignung bestehen: Der Beschwerdeführer konnte vielmehr davon ausgehen, dass er für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet sei. Ein vorsätzliches Unterlassen ist insoweit nicht erkennbar.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 17. Februar 2010
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