VwGH 2005/08/0199

VwGH2005/08/019925.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Michael Hule, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 47, über die Beschwerde gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 12. August 2005, Zl. LGSW/Abt.3- AlV/1218/56/2005-7314, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides für die Zeit vom 7. Juni bis zum 1. August 2005 den Verlust des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe ausgesprochen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, vom Arbeitsmarktservice Dresdner Straße sei der Beschwerdeführerin am 2. Juni 2005 eine Beschäftigung als Reinigungskraft beim Dienstgeber F. mit Arbeitsbeginn am 7. Juni 2005 angeboten worden. Die Beschäftigung sei nicht zustande gekommen, weshalb die erstinstanzliche Behörde den Verlust der Notstandshilfe ausgesprochen habe. In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin finanzielle Probleme genannt und bei ihrer Einvernahme am 10. August 2005 bei der belangten Behörde angegeben, dass sie am 7. Juni 2005 um 8.15 Uhr bei der Firma F. vorstellig geworden sei. Sie habe mit einer Dame gesprochen, deren Namen sie nicht nennen könne. Diese Dame habe der Beschwerdeführerin gesagt, dass zur Zeit keine Reinigungskräfte gesucht würden, sondern ab Mitte Juli 2005 Küchenhilfen. Am 6. Juli 2005 habe sich die Beschwerdeführerin persönlich bei der Firma F. als Küchenhilfe beworben und sei vorgemerkt worden.

Die Firma F. habe im Berufungsverfahren angegeben, dass am 7. Juni 2005 zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr eine Personalvorauswahl stattgefunden habe. Vor 9.00 Uhr vorsprechende Bewerber seien gebeten worden, um 9.00 Uhr wieder zu kommen. Es seien generell keine Auskünfte etwa über freie Stellen gegeben und keine Vorstellungsgespräche vor 9.00 Uhr geführt worden. Erst ab Beginn der Vorauswahl um 9.00 Uhr seien Gespräche mit den Bewerbern geführt worden. Es sei auch bekannt gegeben worden, dass sich die Beschwerdeführerin am 6. Juli 2005 bei der Firma F. als Küchenhilfe persönlich vorgestellt und beworben habe.

Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführerin am 2. Juni 2005 eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma F. angeboten worden sei. Im Inserat dieser Firma sei vermerkt gewesen, dass persönliche Bewerbungen im Rahmen einer Personalvorauswahl am 7. Juni 2005 zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr direkt im Betrieb stattfänden.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch, dass sie zur Vorauswahl zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr nicht gekommen sei, die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung durch ihr Verhalten vereitelt. Die Notstandshilfe würde daher vom 7. Juni bis zum 1. August 2005 nicht gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG, dass der Arbeitslose arbeitswillig ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 9 Abs. 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 ist eine Beschäftigung unter anderem dann zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG in der eben genannten Fassung verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z. 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die genannten Bestimmungen Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Eine "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist ein (bedingt) vorsätzliches, für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächliches Verhalten des Vermittelten. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht hin (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2003/08/0117, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Beschwerdeführerin wendet sich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen den angefochtenen Bescheid und sieht die Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensmangels, nämlich das Fehlen der Feststellung, ob die Firma F. am 7. Juni 2005 Reinigungskräfte oder Küchengehilfen gesucht habe, darin, dass es sich bei der Beschäftigung als Küchengehilfin nicht um die vom Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung und somit auch nicht um das konkret angebotene Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Sie gesteht in ihrer Beschwerde zu, es sei ihr bei Ihrer (verfrühten) Vorsprache mitgeteilt worden, dass der Termin für Bewerberinnen erst um 9 Uhr stattfinden wird, ihr also bekannt gewesen ist, dass sich an dem ihr vom AMS bekannt gegebenen Vorstellungstermin nichts geändert hat. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, sie habe sich für die Tätigkeit einer Reinigungskraft, nicht aber für die einer Küchengehilfin arbeitswillig zeigen müssen.

Auf die von der Beschwerdeführerin vermisste Feststellung kommt es aber nicht an: Rechtlich von Bedeutung ist nämlich nur, dass die Beschwerdeführerin zu einem Vorstellungstermin für die Stelle einer Reinigungskraft, der ihr verbindlich bekannt gegeben worden ist, nicht erschienen ist. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass das Unternehmen nicht allgemeine Reinigungskräfte, sondern solche Hilfskräfte speziell für die Küche gesucht haben und das AMS in die schriftliche Zuweisung eine insoweit unpräzise Bezeichnung aufgenommen haben sollte, vermöchte dies nicht das eigenmächtige Fernbleiben der Beschwerdeführerin von dem ihr zweifelsfrei bekannt gegebenen Vorstellungstermin für eine potentiell mögliche Beschäftigung zu rechtfertigen, bei dem allfällige Unklarheiten über das Stellenangebot hätte ausgeräumt werden können. Eine Behauptung dahin, dass ihr die Stelle einer Küchengehilfin nicht zuzumuten gewesen wäre, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgestellt, sodaß von einer allfälligen Unklarheit in der Bezeichnung der offenen Stelle auch nicht abhängt, ob die Zuweisung an sich zur Beendigung der Arbeitslosigkeit tauglich gewesen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Oktober 2006

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