Normen
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 6. Dezember 2007 wurde vom Arbeitsmarktservice (AMS), regionale Geschäftsstelle Leibnitz, mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Darin ist festgehalten, dass dem Beschwerdeführer am 23. November 2007 vom AMS eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter beim Dienstgeber K. mit einer Entlohnung von brutto "laut Kollektivvertrag" zugewiesen worden sei. Möglicher Arbeitsantritt sei der 28. November 2007 gewesen. Der Beschwerdeführer gab zu Protokoll, er habe von H. (Anmerkung: einem Mitarbeiter des AMS) keinen Anruf bezüglich eines Vorstellungsgespräches bei dem Unternehmen K. erhalten. Das letzte Mal, als er mit H. gesprochen habe, sei es um die freie Stelle bei dem Unternehmen H.E. gegangen, die er auch angenommen habe.
Der Niederschrift angeschlossen ist ein Aktenvermerk des H. vom 10. Dezember 2007. Darin ist festgehalten, dass H. dem Beschwerdeführer am 23. November 2007 die Stelle als Hilfsarbeiter bei K. "angeboten" habe. Mit dem Beschwerdeführer sei die Vorstellung für 27. November 2007 bei Frau R.
(Personalverantwortliche von K.) fix vereinbart worden. Laut Rücksprache mit R. sei der Beschwerdeführer nicht zu dem vereinbarten Vorstellungstermin gekommen und habe auch nicht abgesagt.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz vom 10. Jänner 2008 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG in Verbindung mit § 38 AlVG des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 28. November 2007 bis 8. Jänner 2008 für verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe eine von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung bei K. mit möglichem Arbeitsantritt am 28. November 2007 nicht angenommen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin führte er im Wesentlichen aus, laut Angabe seiner Betreuerin, Frau S., hätte ihn ihr Kollege am 23. November 2007 telefonisch kontaktiert und ihn über die mögliche Beschäftigung bei K. "informiert bzw. aufgefordert". Der Beschwerdeführer habe weder am 23. November 2007 noch Tage später einen Anruf von H. erhalten. Auch habe er keinerlei schriftliche Information über diese mögliche Beschäftigung bekommen.
Im Berufungsakt befindet sich ein weiterer, undatierter Aktenvermerk von H. Darin wird ausgeführt, H. habe den Beschwerdeführer am 23. November 2007 telefonisch "(im Pst-Text Vermerk: Kunde bekommt seine Post nicht da Bruder oder Vater (gleicher Name) sie übernimmt)" über die Stelle als Hilfsarbeiter bei K. "informiert". Vorstellung wäre am 27. November 2007 bei R. gewesen.
Ferner befindet sich im Berufungsakt ein Ausdruck mit der Überschrift "Ermittlungen im Berufungsverfahren". Darin wird ausgeführt, laut "PST (EDV)" gebe es einen Vermittlungsvorschlag mit dem Vermerk "tel. übermittelt" vom 23. November 2007, jedoch keinen gesonderten Eintrag über die telefonische Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer. Laut telefonischer Rücksprache mit H. vom 4. Februar 2008 habe dieser den Beschwerdeführer am 23. November 2007 über die Stelle bei K. "informiert". Das Unternehmen sei im Vorfeld über die Bewerbung des Beschwerdeführers telefonisch unterrichtet worden. "MA" (gemeint offenbar: H.) habe keinen gesonderten "PST Texteintrag" gemacht, da dies nicht üblich sei, es werde lediglich bei den "BEW" vermerkt und auch bei den postalischen Zustellungen nicht gesondert vermerkt. Einen schriftlichen Vermittlungsvorschlag habe er nicht nachgesandt "(wegen spezieller Zustellproblematik)".
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers nicht stattgegeben. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen aus, auf Grund der Zustellproblematik innerhalb der Familie des Beschwerdeführers (Namensgleichheit mit dem Vater und Erkrankung des Bruders), die dazu führe, dass der Beschwerdeführer seine Post nicht erhalte, sei von der üblichen postalischen Zustellung abgegangen und primär auf die "telefonische Zustellung" übergegangen worden. Es sei nicht glaubhaft, dass die gegenständliche telefonische Zuweisung nie stattgefunden habe, da einerseits das AMS einen Vermerk über die telefonische Übermittlung des Vermittlungsvorschlages vorgenommen habe und andererseits die Vorstellung des Beschwerdeführers mit dem Unternehmen bereits vereinbart worden sei. Dies erfolge nur, wenn bereits mit dem Arbeitslosen gesprochen und (gemeint: mit diesem) eine Vorstellung vereinbart worden sei. Gerade um auf die spezielle Zustellproblematik des Beschwerdeführers einzugehen, sei das AMS primär zur telefonischen Kontaktaufnahme und Übermittlung übergegangen, was sicherlich im Interesse des Beschwerdeführers gewesen sei. Damit stehe es als erwiesen fest, dass dem Beschwerdeführer der Vermittlungsvorschlag telefonisch mitgeteilt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch das Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Wenn sich der Arbeitslose weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, verliert er gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.
Das AlVG enthält keine besonderen Formvorschriften, in welcher Weise die Zuweisung einer Beschäftigung im Sinne der §§ 9 und 10 AlVG zu erfolgen hat. Eine mündliche oder telefonische Zuweisung ist somit nicht ausgeschlossen. Dies erscheint auch wegen der eventuellen Erforderlichkeit, bei der Stellenvermittlung zwecks Beendigung der Arbeitslosigkeit gegebenenfalls sehr rasch vorzugehen, sachlich begründet.
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob eine entsprechende telefonische Zuweisung erfolgt ist, wovon die belangte Behörde ausgeht.
Dass keine schriftliche Zustellung der Zuweisung erfolgt ist, steht im vorliegenden Fall auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers und der Äußerung des H. im Berufungsverfahren fest.
Vom Beschwerdeführer wird bestritten, dass eine telefonische Kontaktaufnahme betreffend die Zuweisung stattgefunden hat.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d.h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0195, mwN).
Aus dem Auszug betreffend "Ermittlungen im Berufungsverfahren" ist zu entnehmen, dass es zwar in der EDV des AMS einen Eintrag über den Vermittlungsvorschlag mit dem Vermerk "telefonisch übermittelt" vom 23. November 2007 gebe, jedoch keinen gesonderten Eintrag über die telefonische Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer. Dass auch bei postalischen Zustellungen kein gesonderter Vermerk erfolgt, spielt im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rolle, da es bei schriftlichen Ausfertigungen regelmäßig andere Beweismöglichkeiten für die Zustellung gibt.
Darüber hinaus hat der Bedienstete des AMS H. lediglich ausgeführt, dass er den Beschwerdeführer telefonisch über die Stelle bei K. "informiert" bzw. ihm diese Stelle "angeboten" habe. Dass damit eine verbindliche "Zuweisung" unter Angabe aller Daten, insbesondere über die Kriterien für die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung, erfolgt ist, ergibt sich weder aus diesen (zeitlich wesentlich späteren) Darlegungen noch liegt über dieses Telefonat ein Aktenvermerk vor.
Angesichts der damit nach der Aktenlage bestehenden Unklarheiten ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass die belangte Behörde weitere Ermittlungen darüber, etwa durch Zeugeneinvernahmen, hätte durchführen und näher hätte begründen müssen, warum davon auszugehen ist, dass das gegenständliche Telefongespräch tatsächlich mit dem Beschwerdeführer selbst stattgefunden und welchen konkreten Inhalt es im Hinblick auf die Zuweisung gehabt hat.
Der Umstand, dass seitens des AMS mit dem Unternehmen bereits ein Vorstellungstermin vereinbart worden ist, vermag hier die erforderlichen Ermittlungen nicht zu ersetzen, auch nicht dadurch, dass die belangte Behörde auf eine Verwaltungspraxis verweist, wonach eine derartige Terminvereinbarung erst dann stattfinde, wenn die Zuweisung der Stelle an den Arbeitslosen erfolgt sei. Gerade im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles (Namensgleichheit mit dem laut Beschwerde "betagten" Vater und offenbar Zusammenwohnen mit einem psychisch kranken Bruder) kann nämlich eine Berufung auf eine derartige Verwaltungspraxis die oben angesprochenen Ermittlungen im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht erübrigen.
Auch war H. nach der Aktenlage offenbar nur vertretungsweise für die Betreuerin des Beschwerdeführers tätig, sodass auch im Hinblick darauf fraglich ist, ob und wodurch H. mit Sicherheit annehmen konnte, mit dem Beschwerdeführer persönlich telefoniert zu haben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Jänner 2010
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