VwGH 2008/08/0038

VwGH2008/08/003814.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des HB in B, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Kirchstraße 11/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. Oktober 2007, Zl. Vd-SV-1001-2-131/15/Ko, betreffend Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2-4), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §321;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §410 Abs1 Z4;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §67;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2008080038.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Juni 2002 verpflichtete die mitbeteiligte (Tiroler) Gebietskrankenkasse die B GmbH, den Betrag von EUR 20.754,45 zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, die Vorarlberger Gebietskrankenkasse habe im Zuge der Verwaltungshilfe für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse am 22. März 2002 bei der B GmbH eine Beitragsprüfung durchgeführt. Dabei sei festgestellt worden, dass an die Dienstnehmer T.S. und W.S. pauschale Aufwandsentschädigungen (laut Buchhaltung "Spesenzahlungen") ausgezahlt worden seien. Im Zuge der Beitragsprüfung hätten keinerlei Aufzeichnungen vorgelegt werden können, mit denen nachgewiesen worden wäre, dass die gegenständlichen Zahlungen beitrags- und steuerfrei gewährte Auslagenersätze darstellten. Die ausgezahlten Aufwandsentschädigungen seien daher den abgerechneten Nettolöhnen zugerechnet worden. Ein weiterer Punkt betreffe die Nachrechnung der seitens der Arbeiterkammer Lienz für die genannten Dienstnehmer geltend gemachten Ansprüche im Zuge des Ausgleichsverfahrens. Diese Forderungen seien bis zur Ausgleichseröffnung nicht abgerechnet worden. Deshalb seien sie im Prüfungswege nachverrechnet worden. Es handle sich dabei um Lohnforderungen für die Zeit vom 1. November 2001 bis 23. November 2001, um die Abgeltung der Urlaubsersatzleistung vom 24. November 2001 bis 22. Dezember 2001 und um die fälligen Sonderzahlungen für den Zeitraum vom 22. November 2001 bis 23. November 2001.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2002 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer, einen Betrag von EUR 24.860,62 zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, die B GmbH schulde nach Bezahlung einer 40 %igen Ausgleichsquote Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 24.860,62. Dieser Betrag umfasse Dienstnehmerbeiträge von August 2001 bis Oktober 2001 in der Höhe von EUR 227,93, Nachverrechnungen auf Grund der Beitragsprüfungen in der Höhe von EUR 24.237,20, einen Ordnungsbeitrag gemäß § 56 ASVG in der Höhe von EUR 75,55, Verzugszinsen gemäß § 59 ASVG in der Höhe von EUR 229,13 und Exekutionskosten in der Höhe von EUR 90,81. Die Einbringlichmachung der Beiträge sei bei der Primärschuldnerin B GmbH nicht möglich gewesen. In der Ausgleichstagsatzung vom 28. Februar 2002 sei der Ausgleich mit einer Quote von 40 % angenommen worden. Der Beschwerdeführer sei im fraglichen Zeitraum im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen gewesen. Er wäre verpflichtet gewesen, die Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit zu entrichten. Nachdem die Beiträge für drei Monate nicht termingerecht bezahlt worden seien, liege eine fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers vor.

Nach dem im Akt befindlichen Rückschein wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer an die Adresse J-Straße, B, zugestellt. Er wurde am 2. Juli 2002 postamtlich hinterlegt, mit Beginn der Abholfrist am 2. Juli 2002. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wurde die Postsendung in der Folge mit dem Vermerk "Nicht behoben" retourniert.

Sodann wurde offenbar eine neuerliche Zustellung versucht, wobei handschriftlich neben die Anschrift "J-Gasse" das Wort "S-Str." gesetzt wurde. Auf dem im Akt befindlichen Rückschein sind beide Bezeichnungen durchgestrichen. Dieses Mal wurde die Postsendung mit dem Vermerk "verzogen" an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückgeschickt.

Im Akt befindet sich des Weiteren ein Schreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an den Beschwerdeführer vom 16. November 2004, das dem Beschwerdeführer an die Adresse B, J-Straße, im Wege der Hinterlegung zugestellt wurde. Es wurde der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit dem Vermerk "Nicht behoben" zurückgemittelt.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2005 wurde der Beschwerdeführer von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse verpflichtet, einen Betrag von EUR 32.871,11 zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die B GmbH schulde der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nach Bezahlung der 0,93 %igen Konkursquote Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 32.871,11. Diese setzten sich zusammen aus Dienstnehmerbeiträgen für die Zeit von August 2001 bis Oktober 2001 in Höhe von EUR 376,35, einer Nachrechnung auf Grund der Beitragsprüfung vom 5. Dezember 2001 in der Höhe von EUR 15.407,43, einer Nachrechnung auf Grund der Beitragsprüfung vom 5. Juni 2002 in der Höhe von EUR 16.962,59 und einem Ordnungsbeitrag gemäß § 56 ASVG in der Höhe von EUR 124,74. Am 22. Jänner 2003 sei über das Vermögen der B GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Insolvenzverfahren sei am 13. Mai 2005 nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 KO aufgehoben worden. Auf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als Gläubigerin sei eine Quote von 0,93 % entfallen. Der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der B GmbH wäre verpflichtet gewesen, die Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit zu entrichten.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an die Adresse J-Straße, B, zugestellt, und zwar durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 7. Juni 2005.

Mit E-Mail vom 13. Juni 2005 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 2. Juni 2005 einen als Berufung bezeichneten Einspruch. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits in einem Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse die Beiträge für T.S. und W.S. vorgeschrieben worden seien. Außerdem habe der Beschwerdeführer mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse eine Pauschalbereinigung vereinbart, mit der sämtliche Verbindlichkeiten erledigt seien, auch die Beiträge betreffend T.S. und W.S. Ferner sei Verjährung eingetreten, da die Beiträge bis in das Jahr 1994 zurückreichten.

Mit E-Mail vom 8. August 2005 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, jahrzehntelang sei bezüglich der Monteure ein vereinfachtes Abrechnungssystem eingesetzt worden, das auch bei den Prüfungen durch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse immer als zulässig anerkannt worden sei. Dieses System habe vorgesehen, dass die Arbeitsstunden pro Monat pauschaliert gewesen seien, aber die Abwesenheit vom Wohnort durch ein zusätzliches Taggeld vergütet worden sei. Bei der letzten Betriebsprüfung seien die Abwesenheitsstunden generell als Überstunden mit Zuschlägen berechnet worden, was nicht richtig sei. Des Näheren stellte der Beschwerdeführer die Problematik im Hinblick auf Aufgliederung in Fahrstunden, Stehzeiten, Anreisestunden, Abreisestunden, Fahrten zum Betrieb, Fahrten zum Kunden, Fahrten vom Wohnort, gesetzliches Taggeld, Fahrzeiten als Beifahrer, Stehzeiten etc. dar. Im Hinblick auf die komplizierte Abrechnung bezüglich der Monteure sei ein vereinfachtes Abrechnungssystem gewählt worden, das von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse bis zuletzt auch akzeptiert worden sei. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse habe bis zum Jahr 2001 auch schriftlich erklärt, für diese Monteure zuständig zu sein, weshalb keinerlei Abrechnung mit der mitbeteiligten (Tiroler) Gebietskrankenkasse durchgeführt worden sei. Mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse habe der Beschwerdeführer auch einen Vergleich abgeschlossen. Seiner Ansicht nach umfasse dieser auch die gegenständlichen Beiträge, da die Vorarlberger Gebietskrankenkasse ihren Bescheid, der die Beiträge dieser Monteure betroffen habe, nie widerrufen habe.

In einem Schreiben vom 29. August 2005 legte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Wesentlichen dar, dass die Dienstnehmer W.S. und T.S. bei ihr zur Sozialversicherung angemeldet gewesen seien und daher eine Doppelverrechnung nicht gegeben sein könne. Die Pflichtversicherung dieser beiden Dienstnehmer ab 1. August 1997 "bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse" sei auch mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 2. April 2001 rechtskräftig festgestellt worden. Der Überweisungsbetrag in der Höhe von EUR 54.472,41 sei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse rückerstattet worden. Verjährung sei keine eingetreten. Die Beitragsprüfung vom 5. Dezember 2001 habe sich über den Prüfungszeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Juli 2001 erstreckt. Die Beitragsprüfung vom 5. Juni 2002 habe den Prüfungszeitraum vom 1. März 1998 bis 31. Jänner 2002 betroffen. Es sei daher eine die Verjährung gemäß § 68 Abs. 1 ASVG unterbrechende Maßnahme getroffen worden, und zwar innerhalb der auf Grund der Meldeverstöße anzuwendenden fünfjährigen Verjährungsfrist. Durch den am 10. Juni 2005 behobenen Haftungsbescheid sei daher eine noch innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist, die nach Kenntnisnahme der Beitragsnachverrechnungen durch den Beschwerdeführer wieder neu zu laufen begonnen habe, wirksame Unterbrechungsmaßnahme gesetzt worden. Die Fünfjahresfrist rechtfertige sich durch nicht erstattete Anmeldungen bzw. nicht aufgezeichnete Aufwandsentschädigungen.

In einer Eingabe mittels E-Mails vom 29. September 2005 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen.

In einer Stellungnahme vom 18. November 2005 hob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hervor, dass im Zuge der Beitragsprüfung keinerlei Spesenaufzeichnungen vorgelegt worden seien. Es seien pauschale Aufwandsentschädigungen an die Dienstnehmer T.S. und W.S. geleistet worden, die laut Buchhaltung als "Spesenzahlungen" bezeichnet worden seien. Im Übrigen seien die Prüfungen von Angestellten der Vorarlberger Gebietskrankenkasse durchgeführt worden. Von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei lediglich die Nachrechnung verbucht worden.

Weitere Stellungnahmen des Beschwerdeführers vom 8. März 2006, vom 17. Jänner 2007 und vom 31. Mai 2007 sowie der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 16. Jänner 2006 und vom 20. Dezember 2006 folgten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einen Betrag in der Höhe von EUR 32.871,11 zu bezahlen. Die Vorschreibung, dass die Bezahlung "zuzüglich Verzugszinsen" zu erfolgen habe, wurde gestrichen.

Begründend wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dass das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin am 22. Jänner 2003 aufgehoben worden und auf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Quote von 0,93 % entfallen sei. Der Rest sei bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe als nach § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlicher Beiträge falsch gemeldet. Die Unrichtigkeit der Meldung betreffe den Umstand, dass pauschale Aufwandsentschädigungen an die Dienstnehmer T.S. und W.S. geleistet worden seien, ohne dass darüber Spesenaufzeichnungen vorgelegt worden seien. Der Beschwerdeführer hätte diesbezügliche Aufzeichnungen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren vorlegen müssen. Dass er dies unterlassen habe, gehe zu seinen Lasten; es sei davon auszugehen, dass solche Spesenaufzeichnungen niemals geführt worden seien. Daraus ergebe sich, dass die Beitragsnachverrechnungen zu Recht erfolgt seien. An der rechnerischen Richtigkeit ergebe sich keinerlei Zweifel. Eine Zeugeneinvernahme der Beitragsprüfer sei nicht mehr notwendig gewesen. Die unterlassene Meldung der pauschalen Aufwandsentschädigungen sei kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge. Wären diese Beiträge rechtzeitig gemeldet worden, also im Zeitpunkt ihrer Auszahlung, zu einem Zeitpunkt, als die Primärschuldnerin noch liquid gewesen sei, hätten die ausstehenden Beiträge von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingebracht werden können. Es liege der Fall vor, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen gemacht habe. Deshalb komme die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung. Die Beitragsprüfungen seien alle innerhalb dieser fünfjährigen Frist erfolgt. Die Beitragsprüfung vom 5. Dezember 2001 habe den Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Juli 2001 erfasst, jene vom 5. Juni 2002 den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 31. Jänner 2002. Zu diesem Zeitpunkt sei dann ein Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2002 erlassen worden, der dem Beschwerdeführer nicht habe zugestellt werden können. Die zweijährige Frist zur Einforderung festgestellter Beiträge sei deshalb nicht verjährt, da sich im Beitragsakt auf einem Kuvert über die nicht erfolgte Zustellung ein Vermerk befinde, dass am 29. November 2002, am 15. Juli 2004 und am 16. November 2004 jeweils neuerlich überprüft worden sei, ob an den Beschwerdeführer zugestellt werden könne. Dadurch sei die Verjährung in diesem Punkt unterbrochen. Die Vorschreibung von Verzugszinsen sei zu Unrecht erfolgt und der Spruch entsprechend zu berichtigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahren vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass sämtliche Verfahrensschritte durch die unzuständige Vorarlberger Gebietskrankenkasse durchgeführt worden seien. Auch die Beitragsprüfungen seien solche der Vorarlberger Gebietskrankenkasse gewesen. Es habe bei keiner Prüfung durch die "Lohnsteuer" oder die Vorarlberger Gebietskrankenkasse über Jahrzehnte hinweg irgendwelche Beanstandungen gegeben. Außerdem habe der Beschwerdeführer mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse eine Einigung in der Form getroffen, dass drei Jahresraten von je EUR 500,-- bezahlt würden, um sämtliche Verbindlichkeiten gegenüber der Vorarlberger Gebietskrankenkasse zu tilgen. Es liege daher entschiedene Sache auch hinsichtlich der hier geltend gemachten Ansprüche vor. Die Ausdehnung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre werde ausdrücklich bestritten. Gegenüber der Tiroler Gebietskrankenkasse liege jedenfalls Verjährung vor. Außerdem sei die Einhebungsverjährung des § 68 Abs. 2 ASVG nicht beachtet worden. Zwischen 23. Februar 2002 und 2. Juni 2005 sei die Einhebungsverjährung eingetreten, da hier mehr als zwei Jahre vergangen seien. Ein Verschulden des Beschwerdeführers scheide aus, da über viele Jahre hinweg die Abrechnung gegenüber der Vorarlberger Gebietskrankenkasse von dieser gutgeheißen und genehmigt worden sei. Außerdem könne in einer Angelegenheit, in der bereits die Vorarlberger Gebietskrankenkasse sowie der Landeshauptmann von Vorarlberg entschieden hätten, nicht neuerlich eine Entscheidung durch die belangte Behörde getroffen werden.

Erst am 22. Jänner 2003 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Zum Zeitpunkt als die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bzw. auch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse Ansprüche geltend machten, wäre die Forderung gegenüber der Primärschuldnerin noch zur Gänze einbringlich gewesen.

§ 67 Abs. 10 ASVG lautet:

"(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."

§ 68 Abs. 1 und 2 ASVG hat folgenden Wortlaut:

"§ 68. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle des Konkurses oder Ausgleiches des Beitragsschuldners gelten die einschlägigen Vorschriften der Konkursordnung und der Ausgleichsordnung."

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass die ohne nähere Begründung vertretene Auffassung der belangten Behörde, der Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 23. Juli 2002 sei gegenüber dem Beschwerdeführer mangels Zustellung nicht rechtswirksam geworden, in der Aktenlage keine Deckung findet. Nach dem im Akt befindlichen Rückschein wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer an der Adresse J-Straße, B, durch Hinterlegung zugestellt und von ihm nicht behoben. Ob, wie sich aus dem Rückschein des offenbar "zweiten Zustellversuches" ergibt, der Beschwerdeführer tatsächlich verzogen ist und keine Abgabestelle in der J-Straße gehabt hat, erscheint schon insofern zweifelhaft und daher aufklärungsbedürftig, als in weiterer Folge rechtswirksame Zustellungen dem Beschwerdeführer gegenüber an dieser Adresse erfolgt sind. Außerdem befindet sich neben der Angabe "J-Straße" der Vermerk "S-Str.", sodass nicht nachvollzogen werden kann, von wo der Beschwerdeführer "verzogen" sein soll.

Sollte jedoch eine rechtswirksame Zustellung erfolgt sein, dann hätte die belangte Behörde schon im Hinblick auf die Begründungen des Bescheides vom 23. Juli 2002 und jenes vom 2. Juni 2005 zumindest teilweise von rechtskräftig entschiedener Sache auszugehen gehabt, nämlich hinsichtlich der vor dem Hintergrund des Ausgleichsverfahrens gegebenen Beitragsausfällen. In diesem Fall hätte die belangte Behörde nicht neuerlich eine weitere Entscheidung in der bereits entschiedenen Sache (die Haftung für dieselben Beiträge) treffen dürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG IV, S. 1164 Rz. 20, S. 1176 Rz. 48, und S. 1178 Rz. 51). Die Behörde hätte sich gegebenenfalls auf die durch den Anschlusskonkurs zusätzlich ausgefallenen Beiträge beschränken müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das weitere Verfahren ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes festzuhalten:

Dadurch, dass die Ermittlungen und die Beitragsprüfungen von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse und nicht von der Tiroler Gebietskrankenkasse durchgeführt worden sind, liegt keine Rechtsverletzung vor. Wesentlich ist lediglich, dass der entsprechende Bescheid von der zuständigen Gebietskrankenkasse ergangen ist. Dem Beschwerdeführer gegenüber ist allein durch den Umstand, dass eine andere Gebietskrankenkasse die Erhebungen durchgeführt und die Beitragsprüfungen vorgenommen hat als jene, die zur Bescheiderlassung zuständig gewesen ist, auch keine Verjährung eingetreten. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass § 321 ASVG eine gegenseitige Verwaltungshilfe der Versicherungsträger ausdrücklich vorsieht und daher einschlägige Erhebungen, die von einem anderen als dem bescheiderlassenden Versicherungsträger gepflogen werden, jedenfalls verjährungsunterbrechend sind.

Im Übrigen ist die Haftung nach § 67 ASVG nicht durch eine privatrechtliche Vereinbarung, sondern durch die für die Rechtswirksamkeit der Haftungsbegründung vorgeschriebene Bescheidform zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008, Zl. 2006/08/0284). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse eine Vereinbarung getroffen hat, welche Beiträge noch zu bezahlen seien, geht daher ins Leere.

Hinsichtlich des Verschuldens des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde allerdings darauf hinzuweisen, dass den Beschwerdeführer zwar eine Erkundigungspflicht trifft, welche Meldungen er vorzunehmen hat, allerdings kommt dem Umstand Relevanz zu, dass sich der Beschwerdeführer auf eine ständige Verwaltungsübung stützt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2002/08/0145). Die belangte Behörde hätte sich daher jedenfalls mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass seine jahrelange Praxis hinsichtlich der Beitragsvorschreibungen bei vorangegangenen Prüfungen durch die Gebietskrankenkasse vorgelegen ist, in der Begründung ihres Bescheides näher auseinander setzen müssen.

Soweit der Beschwerdeführer Verjährung geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass gegenüber dem Haftungspflichtigen von festgestellten Beitragsschulden im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG jedenfalls solange nicht gesprochen werden kann, als noch ein Streit über die Haftungsverpflichtung selbst nach § 68 Abs. 1 ASVG besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009, Zl. 2008/08/0223; mit einem rechtskräftigen Bescheid wäre dieser Streit aber allenfalls erledigt). Im Übrigen kann die Verjährungsfrist für den haftungspflichtigen Vertreter nicht früher ablaufen, als die Haftung entstanden ist, d.h. als feststeht, dass Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung eingetreten ist (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 1. April 2009). Die Feststellungsverjährung kann dem Beitragsmithaftenden gegenüber erst mit dem Feststehen der objektiven Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin zu laufen beginnen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009). Von Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG kann aber nur gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner nicht verjährt (und damit nicht schon wegen Fristablaufes uneinbringlich geworden) ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009).

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde von der fünfjährigen Verjährungsfrist gemäß § 68 Abs. 1 ASVG gegenüber der Primärschuldnerin ausgegangen. Diesbezüglich hätte es aber näherer Feststellungen darüber bedurft, welche Umstände der Beschwerdeführer als Vertreter der B GmbH zu welchem Zeitpunkt im Sinne der §§ 33 ff ASVG hätte melden müssen und nicht gemeldet hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 2005, Zl. 2003/08/0069, und vom 29. März 2006, Zl. 2005/08/0188).

Diesbezüglich hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Unrichtigkeit der Meldung insofern gegeben gewesen sei, dass pauschale Aufwandsentschädigungen an die Dienstnehmer T.S. und W.S geleistet worden seien, ohne dass darüber Spesenaufzeichnungen vorgelegt worden seien. In diesem Zusammenhang kann zwar davon ausgegangen werden, dass Meldungen über das bezahlte Entgelt falsch im Sinne des § 111 ASVG erstattet worden sind. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Akteninhalt (siehe die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 29. August 2005) "nicht erstattete Anmeldungen bzw. ... nicht aufgezeichnete Aufwandsentschädigungen" den Tatbestand verwirklicht hatten. Die schon im Hinblick darauf notwendige Konkretisierung, wann die strittigen Zahlungen erfolgt bzw. fällig gewesen sind und welche Meldungen der Beschwerdeführer daher zu welchen Zeitpunkten vorzunehmen gehabt hätte und unterlassen bzw. unwahr erstattet hat, wurde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides nicht vorgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 14. Oktober 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte