Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 19. März 2007 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 37 Abs. 1 Z. 1 iVm mit § 14 NÖ Bauordnung eine Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 4.000,-- gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 23. März 2007 zugestellt.
In dem am 16. April 2007 der Strafbehörde erster Instanz überreichten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG brachte der Beschwerdeführer vor, die in der Kanzlei seines Vertreters für die Fristenverwaltung zuständige Mitarbeiterin T.O. habe die Rechtsmittelfrist für die Berufung gegen das eingangs erwähnte Straferkenntnis im Hauptbuch eingetragen. Dabei habe sie die Frist versehentlich für einen falschen Tag, nämlich Freitag den 13. April 2007, anstelle Freitag den 6. April 2007, vorgemerkt. Zugleich habe sie die irrtümlich fehlerhafte Frist auch am Schriftstück selbst vermerkt. Dieses Versehen der Mitarbeiterin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers habe zur Folge gehabt, dass die unter einem eingebrachte Berufung erst nach Ablauf der Berufungsfrist zur Bearbeitung gelangt sei. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe diesen Irrtum erst anlässlich der Verfassung der Berufungsschrift am 12. April 2007 bemerkt. Die Kanzleimitarbeiterin habe bisher immer einwandfrei und zuverlässig gearbeitet. Ein derartiges Versehen sei ihr bisher noch nicht unterlaufen. Sie habe immer alle Fristen im Hauptbuch zuverlässig und richtig vorgemerkt. Alle Überprüfungen der Rechtsanwälte hätten bisher nie eine Nachlässigkeit dieser Mitarbeiterin gezeigt. Der Irrtum beim Vormerken der Berufungsfrist durch die verlässliche Mitarbeitern, die auch entsprechend angewiesen, geschult und kontrolliert worden sei, stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 71 AVG dar. Da die stets zuverlässige Mitarbeiterin bisher immer äußerst präzise gearbeitet habe und trotz strenger Kontrolle nie Fehler bei Fristvormerkungen begangen habe, treffe den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers kein Verschulden, allenfalls nur ein Versehen minderen Grades.
Gleichzeitig erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen das genannte Straferkenntnis.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 21. Mai 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Begründend wurde hiezu ausgeführt, das für die Versäumung der Berufungsfrist behauptete Verhalten sei "in der Regel als von der Partei verschuldet anzusehen".
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die belangte Behörde stellte fest, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers einlangende Schriftstücke, die einen Fristenlauf auslösen, von der Kanzleimitarbeiterin T.O. selbständig bearbeitet, die Frist von ihr ermittelt und im Hauptbuch, auf dem eingelangten Schriftstück und auf dem Aktendeckel angebracht werde. In weiterer Folge würden diese Schriftstücke einem der beiden Rechtsanwälte vorgelegt (durch Einlegen der Schriftstücke bzw. neu angelegten Akten in deren Fächer in der Kanzlei). Am Tag des Einlangens des Straferkenntnisses in der Rechtsanwaltskanzlei sei keiner der beiden Rechtsanwälte anwesend gewesen; sie seien erst am darauf folgenden Montag in das Büro gekommen. Warum die fehlerhafte Fristenberechnung und Fristeneintragung nicht bemerkt worden sei, könne nicht mehr rekonstruiert werden. Der als Zeuge einvernommene Rechtsanwalt Mag. M.P. habe die Vermutung geäußert, dass am darauf folgenden Montag vermutlich das eingelangte Straferkenntnis nicht im Fach eines der beiden Rechtsanwälte vorhanden gewesen sei, da ansonsten die fehlerhafte Frist bemerkt worden wäre. Möglicherweise habe einer der beiden Rechtsanwaltsanwärter das eingelangte Schriftstück vorweg an sich zur Bearbeitung genommen.
Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen sei in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt und nicht ein(e) Kanzleimitarbeiter(in) verantwortlich. Im Beschwerdefall habe nicht festgestellt werden können, warum trotz der behaupteten nachträglichen Kontrolle in jedem Falle die fehlerhafte Fristenermittlung und Vormerkung unentdeckt geblieben sei. Treffe die geäußerte Vermutung, dass vielleicht der für die Bearbeitung des gegenständlichen Falles zuständige Rechtsanwaltsanwärter den Akt vor Durchsicht durch den Rechtsanwalt an sich genommen habe, bedeute dies, dass offensichtlich nicht alle Schriftstücke entgegen der Behauptung des Zeugen RA Mag. P. zu einem der beiden Rechtsanwälte zur Kontrolle gelangten und überdies in einem derartigen Fall die Fristenkontrolle vom Rechtsanwaltsanwärter anstelle des Rechtsanwaltes nicht vorgenommen oder fehlerhaft vorgenommen worden sei. Ebenso könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Straferkenntnis am Montag nach dem Einlangen in der Rechtsanwaltskanzlei von einem der Rechtsanwälte geprüft und dabei die fehlerhafte Fristermittlung nicht aufgefallen sei. Es stehe somit nicht fest, aus welchem Grund die behauptete Kontrolle der Kanzleimitarbeiterin unterblieben sei. Fest stehe, dass die Kanzleimitarbeiterin selbständig die Fristenberechnung und Fristvormerkung vorgenommen habe, die Kontrolle durch den Rechtsanwalt aber aus einem unbekannten Grund unterblieben oder von einem Rechtsanwalt fehlerhaft vorgenommen worden sei. Damit könne aber nicht mehr davon ausgegangen werden dass nur ein minderer Grad des Versehens vorliege.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2008, B 1590/08-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 71 AVG hat
folgenden Wortlaut (auszugsweise).
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
..."
Als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis hat der Beschwerdeführer ein Versehen der Kanzleiangestellten seines Rechtsanwaltes geltend gemacht, die die Eintragung des Termins für die Berufungseinbringung im Kalender irrtümlich falsch eingetragen hat, weshalb die Berufungsfrist versäumt wurde.
Ein Verschulden des Parteienvertreters im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen, ermöglichen aber jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (vgl. den hg. Beschluss vom 31. Juli 2006, Zl. 2006/05/0081). Dass im Beschwerdefall ein solches schuldhaftes Verhalten der Kanzleiangestellten jedenfalls vorliegt, wurde im angefochtenen Bescheid festgestellt.
Zutreffend hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass in einer Rechtsanwaltskanzlei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jene(r) Kanzleiangestellte allein verantwortlich ist, der (die) den Termin in den Kalender einträgt. Der Anwalt hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochenen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss vom 31. Juli 2006, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Beschwerdeführers - wie in seiner Rechtsanwaltskanzlei üblich - die Berechnung der Berufungsfrist ausschließlich der Kanzleiangestellten überlassen. Nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wird grundsätzlich erst nach Berechnung der Rechtsmittelfrist und Eintragung derselben in das Fristenbuch durch die Kanzleiangestellte der bezughabende Akt dem Rechtsanwalt vorgelegt, der sodann eine Überprüfung der Fristberechnung vornimmt.
Im Beschwerdefall ist die Kontrolle der richtigen Bestimmung der Frist durch den Rechtsanwalt nicht vorgenommen worden, weil der entsprechende Akt aus nicht nachvollziehbaren Gründen dem Rechtsanwalt nicht vorgelegt worden ist.
Abgesehen davon, dass weder im Verfahren vor den Strafbehörden noch vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht wurde, welche Maßnahmen in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers gesetzt wurden, um zu gewährleisten, dass die zu bearbeitenden Akten rechtzeitig zum richtigen Sachbearbeiter gelangen, bedarf es im Beschwerdefall keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, warum im Beschwerdefall der zuständige Rechtsanwalt gehindert war, die vorgesehene Überprüfung der von der Kanzleiangestellten vorgenommenen Fristenberechnung und Eintragung im Fristenbuch vorzunehmen.
Der Wiedereinsetzungsantrag hat nämlich ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit und die Angabe zu enthalten, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was auch ein entsprechendes tatsachenbezogenes Antragsvorbringen voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2005, Zl. 2005/11/0176). Aus § 71 AVG ergibt sich, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen darüber zu enthalten hat, aus welchem Grund der Antragsteller einerseits den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt und andererseits den Wiedereinsetzungsantrag als rechtzeitig ansieht. In Anbetracht der in § 71 Abs. 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1999, Zl. 99/04/0158).
Als Wiedereinsetzungsgrund wurde im Beschwerdefall der Irrtum der Kanzleiangestellten bei der Fristenberechnung und Eintragung der Berufungsfrist im Fristenbuch geltend gemacht. Ein Fehler bei der Vorlage des Aktes zur Vornahme der Überprüfung durch den Rechtsanwalt wurde innerhalb der gesetzlichen Wiedereinsetzungsfrist nicht behauptet. Die belangte Behörde war daher auch nicht gehalten, zu dieser Frage die angebotenen Zeugen einzuvernehmen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 26. Februar 2009
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