Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. März 2005, Zl. Senat-AB-04-0258, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 25. November 2004, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur amtsärztlichen Untersuchung zurückgewiesen und dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, sich bis 31. Jänner 2005 ärztlich untersuchen zu lassen und das zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderliche fachärztliche Gutachten eines Augenfacharztes und eine verkehrspsychologische Untersuchung beizubringen, abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Mit hg. Beschluss vom 27. Juni 2005 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG Verfahrenshilfe (u.a.) durch Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt.
Mit einem am 3. Oktober 2005 zur Post gegebenen Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer durch seinen Verfahrenshelfer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und eine Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ein.
In seinem Wiedereinsetzungsantrag bringt der Beschwerdeführer vor, der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 11. Juli 2005 über die Bestellung von Rechtsanwalt Dr. J zum Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers sei mit Bescheid vom 22. Juli 2005 aufgehoben und statt dessen der nunmehrige Verfahrenshelfer bestellt worden. Dieser Umbestellungsbescheid sei dem Verfahrenshelfer am 25. Juli 2005 zugestellt worden. Der bestellte Verfahrenshelfer unterhalte nicht nur seine (Einzel-)Kanzlei in Rekawinkel, sondern sei auch Gesellschafter der Mo... & Partner Rechtsanwälte GmbH mit dem Sitz in Wien, wo der Verfahrenshelfer auch einen Großteil seiner Arbeit verrichte. Deshalb sei auch "am 5.9.2005 die sechswöchige Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" in den gemeinsamen Kanzleikalender eingetragen worden. Gleichzeitig habe der Verfahrenshelfer den Akt an eine Mitarbeiterin zur Vorbereitung und Ausarbeitung der Beschwerde übertragen. Die Überwachung der "Rotfristen" funktioniere im Allgemeinen so, dass diese nicht nur im Kanzleikalender rot eingetragen würden, sondern auch am jeweiligen Vortag am Abend sowie an jedem Donnerstag für die gesamte kommende Woche im Voraus via "Intramail" elektronisch an alle Mitarbeiter versandt würden. Zusätzlich finde an jedem Tag um 12 Uhr mittags eine Postsitzung statt, in deren Zuge die Fristen und Termine des laufenden Tages und der kommenden Tage erörtert würden. So sei auch die für den 5. September 2005 eingetragene Rotfrist für die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des Beschwerdeführers zur Sprache gekommen. Da die für den Akt zuständige Mitarbeiterin an diesem Tag auf Urlaub gewesen sei, habe der Verfahrenshelfer irrig "Mo..." statt "Ma..." gelesen.
Dies mit gutem Grund, weil zeitnah ein Verfahren wegen
Führerscheinentzuges gegen seinen Kanzleipartner Mo... anhängig
gewesen und der Verfahrenshelfer somit wie selbstverständlich
davon ausgegangen sei, dass es sich um ein Verfahren seines
Kanzleipartners handeln müsse, weshalb er die Erledigung "ThM" im
Kanzleikalender vermerkt habe. Mo... habe diesen
Erledigungsvermerk zur Kenntnis genommen und, weil er in seinem Verfahren nicht vorgehabt habe, eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben, erklärt, dass die Frist nicht weiter zu beachten sei. Da die Behandlung für die anderen Teilnehmer der Postsitzung plausibel geschienen habe, sei dies nicht hinterfragt worden und habe niemand die Verwechslung erkannt. Erst durch Einlangen der (am 28. Juli 2005 beantragten) Aktenabschrift vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich mit Post vom 20. September 2005 sei der Irrtum erkannt worden. Das Hindernis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG sei somit an diesem Tag weggefallen, sodass die zweiwöchige Frist des § 46 Abs. 3 VwGG zu laufen begonnen habe. Der Irrtum sei auf eine Reihe von aneinander gereihten unglücklichen Umständen zurückzuführen; es liege somit ein Fehler, der nur auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen sei, vor.
§ 46 VwGG lautet (auszugsweise):
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden."
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechend begründetes Antragsvorbringen voraussetzt. Nichts anderes gilt für Wiedereinsetzungsanträge nach § 46 VwGG (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/0233, mwN).
Gleichfalls in ständiger Rechtsprechung wird vom Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dabei nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wird. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0399, mwN). An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, unerfahrene Personen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. März 1997, Zl. 96/19/3672).
Es kann dahin gestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die in der Beschwerde vorgebrachte Art der Vormerkung von Fristen den beschriebenen strengen Anforderungen genügt. Aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich nämlich nicht, dass der Vertreter des Beschwerdeführers seiner fristwahrenden Überwachungspflicht nachgekommen wäre:
Offen bleibt zunächst, an welchem Tag die relevante "Rotfrist" zur Sprache gekommen sei (dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nach würden solche Fristen nicht nur am jeweiligen Vortag und an jedem Donnerstag für die gesamte Woche im Voraus elektronisch an alle Mitarbeiter versandt, sondern auch an jedem Tag um 12 Uhr mittags die Frist und Termine des laufenden Tages und der kommenden Tage erörtert). Ist aber die mit "Vorbereitung und Ausarbeitung" der Beschwerde befassten Mitarbeiterin am "Vortag" oder am letzten Tag der Frist auf Urlaub, bleibt unklar, wie ein fristwahrendes Ausarbeiten und Fertigstellen der Beschwerde trotz urlaubsbedingter Abwesenheit der "zuständigen" Mitarbeiterin gewährleistet sein soll. Werden alle Fristen an alle Mitarbeiter versandt, stellt sich zudem die - im Wiedereinsetzungsantrag nicht beantwortete - Frage, wie die konkreten Fristen auf die jeweiligen Mitarbeiter zugeordnet werden sollen, wenn man nicht davon ausgeht, dass jeder für alle zuständig ist.
Im Übrigen mag zwar verständlich sein, dass der Verfahrenshelfer die handschriftliche Eintragung im Kanzleikalender irrig als "Ma..." statt "Mo..." gelesen hat, wenn gegen seinen Kanzleipartner Mo... "zeitnah ein Verfahren wegen Führerscheinentzuges" anhängig war. Warum er es aber bei dieser bloßen Annahme belassen hat, ist im Hinblick darauf, dass nicht er selbst, sondern eine - an diesem Tag wegen Urlaubs abwesende - Mitarbeiterin mit der Sache befasst war, nicht nachvollziehbar. Dieser Irrtum hätte zudem leicht vermieden werden können, nämlich schon durch Einsicht in den zugrunde liegenden Handakt.
Offen bleibt weiters, warum die für den 5. September 2005 eingetragene "Rotfrist" nicht schon am Donnerstag der Vorwoche oder am "Vortag" (bzw. im Hinblick darauf, dass der 5. September 2005 ein Montag war, am letzten Werktag davor) zur Sprache gekommen ist und zu entsprechenden Veranlassungen geführt hat, wenn sämtliche "Rotfristen" auf diese Weise überwacht werden.
Zu verweisen bleibt darauf, dass der im Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachte Grund für die Erklärung des Kanzleipartners des Verfahrenshelfers, die Frist sei nicht weiter zu beachten (dieser hätte nicht vorgehabt, eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben), durch die "eidesstättige Erklärung" des Mo... vom 3. Oktober 2005 nicht gedeckt wird: Danach habe dieser den "Eintrag als überholt erachtet", weil er unmittelbar davor in der Angelegenheit "Mo... FSG" eine EMRK-Beschwerde verfasst habe.
Nach dem Wiedereinsetzungsantrag kann damit nicht gesagt werden, dass der Fristversäumnis insgesamt ein bloß minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu Grunde lag. Der Antrag war somit abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den - zur hg. Zl. AW 2005/11/0056 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 24. November 2005
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