Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
- 1.) Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.
- 2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der angefochtene Bescheid wurde der Antragsstellerin am Dienstag 21. Februar 2006 zugestellt, die sechswöchige Beschwerdefrist endete daher am Dienstag 4. April 2006. Die Beschwerde, die mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wurde, wurde von der Antragsstellerin am Freitag 7. April 2006 zur Post gegeben.
In ihrem mit der Beschwerde verbundenen Wiedereinsetzungsantrag brachte die Antragsstellerin vor, dass sie nach Erhalt des angefochtenen Bescheids mit ihrem Vertreter Kontakt aufgenommen habe. Dieser habe den von der Antragsstellerin per Fax gesendeten angefochtenen Bescheid seiner Kanzleiangestellten, G. W., mit der Anweisung übergeben, die sechswöchige Frist für die Erhebung der Beschwerde - welche gemäß dem Eingangsvermerk auf dem angefochtenen Bescheid zu laufen begonnen habe - sowie sieben Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist einen "Vorkalender", vorzumerken. G. W. sei seit 23. Mai 2005 Sekretärin in der Kanzlei des Vertreters der Antragsstellerin und sei sie - bislang anstandslos und ordnungsgemäß - für die Vormerkung der Fristen zuständig gewesen.
Im vorliegenden Fall sei ihr nunmehr aus unerklärlichen Gründen insofern ein Fehler unterlaufen, als sie an Stelle einer sechswöchigen Beschwerdefrist eine siebenwöchige Beschwerdefrist in den Kalender eingetragen habe. Insofern habe sie als letzten Tag der Beschwerdefrist fälschlich den 11. April 2006 im händischen Terminkalender, im EDV-Kalender sowie als Hinweis im Vorkalender eingetragen. Auch auf dem in Kopie übermittelten angefochtenen Bescheid habe sie rechts oben in rot den 11. April 2006 als Ablauf der Beschwerdefrist notiert.
In der Rechtsanwaltskanzlei ihres Vertreters seien G. W. und die Kanzleileiterin, I. E., für den Fristenvormerk zuständig. Dies erfolge in der Weise, dass der letzte Tag einer Rechtsmittelfrist - sofern sich die Frist aus der Rechtsmittelbelehrung ergebe - einerseits im händischen Kalender, andererseits im EDV-Kalender vorgemerkt würde. Zusätzlich werde in der EDV-Anlage sieben Tage vorher ein Vorkalender mit dem Hinweis auf den letzten Tag des entsprechenden Rechtsmittels eingegeben. Der jeweils letzte Tag der Rechtsmittelfrist werde auch noch rot auf der Ausfertigung des entsprechenden Bescheids usw. angemerkt. In vielen Fällen gebe aber der Vertreter seinen beiden Mitarbeiterinnen die Rechtsmittelfrist bekannt.
In allen Fällen würde der Vertreter kontrollieren, ob die Mitarbeiterinnen die Frist eingetragen haben. Überdies kontrolliere er stichprobenweise, ob die jeweilige Frist auch richtig ausgerechnet, ermittelt und in den Kalender eingetragen worden sei. Durch den immer sieben Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetragenen Vorkalender bestehe auch eine entsprechende Kontrolle, wenn aus irgendwelchen Gründen die Rechtsmittelfrist falsch berechnet worden sei.
Im vorliegenden Fall sei der gegenständliche Akt ihrem Vertreter, nachdem G. W. die Frist eingetragen habe, vorgelegt worden und habe dieser kontrolliert, ob eine Frist eingetragen worden sei; anschließend sei der gegenständliche Akt in den Kanzleikasten gehängt worden. Am 10. März 2006 habe der Amtsleiter der Antragsstellerin, J. D., dem Vertreter bekannt gegeben, der Gemeindevorstand habe am 9. März 2006 beschlossen, dass in der gegenständlichen Angelegenheit Beschwerde erhoben werden soll. Es sei daher nochmals kontrolliert worden, ob in dem gegenständlichen Fall die sechswöchige Rechtsmittelfrist sowie sieben Tage vorher ein Vorkalender eingetragen worden sei. Am 5. April 2006 sei der gegenständliche Akt "im Sinne des Vorkalenders" zwecks Vorbereitung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde dem Vertreter von seinen Mitarbeiterinnen vorgelegt worden; am gleichen Tag habe auch J. D. nachgefragt, ob die Beschwerde schon verfasst sei, weil die Frist ablaufe. Der Vertreter habe sodann infolge Nachberechnung der Frist den Ablauf der sechswöchigen Frist am Vortag festgestellt.
In der Rechtsanwaltskanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin sei weder diesem, noch der Kanzleileiterin, noch G. W. im Zusammenhang mit der Vormerkung von Fristen bislang ein Fehler unterlaufen. Die Versäumung der gegenständlichen Beschwerdefrist stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Im Übrigen handle es sich höchstens um einen minderen Grad des Versehens ihres Vertreters, weil dieser ausdrücklich die Eintragung einer sechswöchigen Frist ab dem 21. Februar 2006 einer höchst verlässlichen Kanzleikraft angeordnet habe. Das System der Vormerkung sei in der Kanzlei des Vertreters so organisiert, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt seien.
Als Beweis für ihr Vorbringen legte die Antragstellerin eidesstattliche Erklärungen von ihrem Vertreter, von G. W. und der Kanzleileiterin bei, mit denen die Darstellung im Antrag bestätigt wird.
G. W. erklärt u.a., dass sie von 2. Juli 2001 bis 27. Juni 2004 in der Rechtsanwaltskanzlei A. als Lehrling tätig gewesen sei und gleichzeitig die entsprechende Berufsschule für Bürokaufleute besucht habe. Die Rechtsanwaltskanzlei A. habe sie in sämtlichen Tätigkeiten einer Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei eingeschult. Fristen habe sie aber nicht eintragen müssen. Auch in ihrer nachfolgenden Tätigkeit bei der Rechtsanwaltskanzlei H. habe sie nur fallweise (in Vertretung anderer Mitarbeiterinnen) Fristen vorgemerkt. Seit 23. Mai 2005 sei sie in der Kanzlei des Vertreters der Antragsstellerin beschäftigt.
Zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde die versäumte Handlung nachgeholt und Beschwerde gegen den genannten Bescheid der niederösterreichischen Landesregierung erhoben.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht berechtigt.
§ 46 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz lautet:
"Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Wiedereinsetzung schadet ein solches Versagen dann nicht, wenn dem Rechtsanwalt nur ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden kann. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfen also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen, ermöglichen aber jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. März 2001, 2001/04/0005).
Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen hat, ist in einer Rechtsanwaltskanzlei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jener Kanzleiangestellte allein verantwortlich, der den Termin in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom 28. März 2001).
Im vorliegenden Fall hat der Vertreter der Antragsstellerin nach Bekanntgabe der Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof deren Berechung ausschließlich seiner Sekretärin überlassen. Die bloße Anordnung, eine sechswöchige Frist beginnend ab dem auf dem Eingangsvermerk des angefochtenen Bescheids versehenen Datum einzutragen, stellt jedenfalls keine Berechnung bzw. Festlegung des Fristablaufes dar.
Eine - insofern unerlässliche - Kontrolle der richtigen Bestimmung und Eintragung der Frist im konkreten Fall durch den Vertreter wird nicht aufgezeigt, der Vertreter hat sich mit der Wahrnehmung, es sei irgendeine Frist eingetragen, begnügt. Die Antragsstellerin behauptet, ihr Vertreter habe stichprobenartig die Richtigkeit der von dem Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender überprüft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings eine "stichprobenartige Überprüfung" der vom Kanzleipersonal vorgenommenen Eintragungen im Fristenkalender für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt gegenüber seinem Kanzleipersonal obliegenden Überwachungspflicht im allgemeinen nicht ausreichend (vgl. das hg Erkenntnis vom 30. September 1986, 86/04/0072). Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof im Fall des Erkenntnisses vom 25. Oktober 1994, 94/07/0003, bei einer damals seit ungefähr sieben Jahren beim Vertreter beschäftigten Kanzleiangestellten, die sich bisher als absolut verlässlich erwiesen hat, ausgesprochen, dass die Beschränkung auf Stichproben "in letzter Zeit" als ausreichend angesehen werden kann. Dieser Fall ist aber nicht vergleichbar. Nach dem Vorbringen der Antragsstellerin ist G. W. erst seit 23. Mai 2005 in der Kanzlei des Vertreters tätig. Die Sicherheit einer ordnungsgemäßen Arbeitserfüllung und damit verbunden ein Ausschluss eines Versagens ist nach diesem Zeitraum nicht gewährleistet, zumal G.W. in ihrer Berufslaufbahn bis zum Eintritt in die Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin mit der Berechnung und Eintragung von Rechtsmittelfristen nur marginal befasst war und daher keine Erfahrung mit dieser Tätigkeit mitbrachte. Der Vertreter der Antragsstellerin hätte sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass seine Sekretärin die Beschwerdefrist richtig berechnet und dementsprechend in den Fristenkalender einträgt, weshalb sich eine bloß stichprobenartige Überprüfung im vorliegenden Fall als nicht ausreichend erweist.
In dem im Antrag zitierten hg. Erkenntnis vom 7. November 2003, 2003/18/0249, 0303, wird darauf abgestellt, dass die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen auch dann gegeben ist, wenn die mit der Führung des Fristenvormerks betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. Der Fall des weiters zitierten hg. Erkenntnisses vom 30. November 2004, Zl. 2004/18/0333, ist schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dort um die rein manipulative Tätigkeit des Kuvertierens ging.
Hier hätte dem Vertreter der Antragsstellerin spätestens bei seiner zweiten Kontrolle am 10. März 2006 auffallen müssen, dass die Frist falsch berechnet und der Vorkalender anstelle von sieben Tagen vor Ablauf der Frist offenbar lediglich sechs Tage vorher angesetzt wurde. Die Setzung des Vorkalenders hätte im vorliegenden Fall nämlich insofern ein wirksames Kontrollsystem dargestellt, als dem Vertreter der gegenständliche Akt dann am 4. April 2006, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, vorgelegt worden und es ihm zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre, die Beschwerdefrist zu wahren.
Da der Vertreter der Antragsstellerin trotz zweimaliger Aktenvorlage an ihn die von der Kanzleibediensteten vorgenommene Fristeneintragung nicht auf ihre Richtigkeit überprüft hat, kann von einem minderen Grad des Versehens keine Rede sein. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher abzuweisen.
Da sich somit die am 7. April 2006 zur Post gegebene Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als verspätet erweist, war diese gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 31. Juli 2006
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