VwGH 2008/04/0132

VwGH2008/04/01322.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 4. Juli 2008, Zl. N/0062-BVA/11/2008-14, betreffend Verpflichtung zum Ersatz der Pauschalgebühr nach dem BVergG 2006 (mitbeteiligte Partei: X in Y; weitere Partei:

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3;
BVergG §318;
BVergG §319 Abs1;
BVergG §322 Abs1;
EURallg;
VwGG §51;
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3;
BVergG §318;
BVergG §319 Abs1;
BVergG §322 Abs1;
EURallg;
VwGG §51;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Republik Österreich (Beschwerdeführerin) verpflichtet, dem Mitbeteiligten die von ihm für den Nachprüfungsantrag und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt EUR 1.600,-- binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe am 13. Juni 2008 einen Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung der Beschwerdeführerin betreffend einen näher genannten Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich und einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie einen Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren eingebracht. Er habe bezüglich konkret bezeichneter Punkte der Ausschreibung dargelegt, dass die dort angeführten Forderungen u.a. gegen das Recht auf fairen Wettbewerb und die Gleichbehandlung der Bieter verstießen und eine ausreichend genaue Kalkulation des Einheitspreises nicht ermöglichten.

Dazu habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sie durch die "3. Berichtigung" vom 17. Juni 2008 im Einzelnen erläuterte Klarstellungen in der Ausschreibung vorgenommen habe.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 habe der Mitbeteiligte sämtliche Anträge vom 13. Juni 2008 zurückgezogen und begründend ausgeführt, dass die Ausschreibung durch die genannte

"3. Berichtigung" im Wesentlichen in seinem Sinne geändert bzw. präzisiert worden und er somit klaglos gestellt worden sei. Außerdem habe der Mitbeteiligte beantragt, den wegen Antragsrückziehung zu refundierenden Pauschalgebührenanteil zu refundieren sowie die BBG (die das Vergabeverfahren im Namen der Beschwerdeführerin durchführende vergebende Stelle) zu verpflichten, dem Mitbeteiligten die restlichen Pauschalgebühren zu ersetzen.

Sodann führte die belangte Behörde aus, dass der Mitbeteiligte die Pauschalgebühren für die obgenannten Anträge in Höhe von EUR 1.600,-- nachweislich entrichtet habe und dass dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit Bescheid vom 20. Juni 2008 stattgegeben worden sei. Den Materialien zu § 319 BVergG 2006 sei zu entnehmen, dass ein Gebührenersatz auch dann zu erfolgen habe, wenn der Antragsteller während eines anhängigen Verfahrens klaglos gestellt werde. Die Beschwerdeführerin habe durch die "3. Berichtigung" die Ausschreibung hinsichtlich der vom Mitbeteiligten bekämpften Punkte "geändert bzw. präzisiert". Der Mitbeteiligte habe "daher infolge Klaglosstellung" gemäß § 319 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2006 Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 BVergG 2006 entrichteten Gebühren. Gemäß § 319 Abs. 2 leg. cit. gebühre dem Mitbeteiligten auch der Ersatz der Pauschalgebühren, die er für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen des BVergG 2006 in der hier maßgebenden

Fassung BGBl. I Nr. 86/2007 lauten auszugsweise:

"Gebühren

§ 318. (1) Für Anträge gemäß den §§ 320 Abs. 1, 328 Abs. 1 und § 331 Abs. 1 und 2 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:

….

Gebührenersatz

§ 319. (1) Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn

  1. 1. dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und
  2. 2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.

(3) Über den Gebührenersatz hat das Bundesvergabeamt spätestens drei Wochen ab jenem Zeitpunkt zu entscheiden, ab dem feststeht, dass ein Anspruch auf Gebührenersatz besteht.

...

§ 322. (1) Ein Antrag gemäß § 320 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,

  1. 2. die genaue Bezeichnung des Auftraggebers,
  2. 3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes ...

    ..."

    2. Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der Beschwerdeführerin, sie sei im gegenständlichen Fall wegen der unrichtigen Bezeichnung des Auftraggebers u.a. im Nachprüfungsantrag des Mitbeteiligten nicht "passiv legitimiert" und könne daher nicht zum Ersatz der Pauschalgebühren verpflichtet werden, nicht teilt:

    Es trifft zwar zu, dass in der angefochtenen Ausschreibung als Auftraggeber die Republik Österreich (Bund) und als vergebende Stelle die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) genannt waren. Zutreffend ist auch, dass im gegenständlichen Nachprüfungsantrag (der auch den Antrag auf Pauschalgebührenersatz enthält) die BBG als Auftraggeber bezeichnet wird (§ 322 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006).

    Durch den Inhalt des Nachprüfungsantrages (§ 322 Abs. 1 BVergG 2006) werden der Prozessgegenstand und die Prüfungsbefugnis bestimmt und abgegrenzt, wobei es mangels konkreter Vorgaben in der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG (vgl. Art. 1 Abs. 3) Sache des Mitgliedstaates ist, unter Berücksichtigung des Effizienz- und Äquivalenzgebotes die Voraussetzungen festzulegen (vgl. auch M. Möslinger-Gehmayr in Schramm/Aicher/Thienel/Fruhmann, Kommentar zum BVergG 2006 Rz 1 zu § 322).

    Ausgehend davon, dass vergebende Stelle jene Organisationseinheit oder jener Bevollmächtigter des Auftraggebers ist, die bzw. der das Vergabeverfahren für den Auftraggeber durchführt (§ 2 Z 41 BVergG 2006) und im gegenständlichen Fall durch die Bezeichnung der vergebenden Stelle in Verbindung mit der konkreten (durch Anführung der Geschäftszahl präzisierten) Bezeichnung der angefochtenen Ausschreibung sowohl der Prozessgegenstand als auch der Auftraggeber unzweifelhaft feststanden, hätte es dem sich aus der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ergebenden Effektivitätsgebot widersprochen, wenn die belangte Behörde den Antrag des Mitbeteiligten wegen ungenauer Bezeichnung des Auftraggebers zurückgewiesen hätte (vgl. zum Ganzen auch das zu § 163 Abs. 2 BVergG 2002 ergangene Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2006/04/0002, in dem der Verwaltungsgerichtshof, bezugnehmend auf Kritik an einer zu formalistischen Sichtweise der Behördenpraxis, entschieden hat, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Verständigung des Auftraggebers auch dann nachkommt, wenn er den Auftraggeber im Wege der vergebenden Stelle von der beabsichtigten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens informiert).

    3. Zutreffend ist zunächst die Ansicht der belangten Behörde, dass Anspruch auf Ersatz der gemäß § 318 BVergG 2006 entrichteten Gebühren auch im Falle der bloß teilweisen Klaglosstellung (dieser Fall ist in § 319 Abs. 1 BVergG 2006 nicht explizit geregelt) besteht, wenn der Nachprüfungsantrag ursächlich für die teilweise Klaglosstellung und die Entrichtung der Pauschalgebühr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2011, Zl. 2008/04/0023, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die letztgenannte Bestimmung).

    Der Umstand, dass eine Partei (hier: der Mitbeteiligte) aufgrund der vermeintlichen Klaglosstellung den Nachprüfungsantrag zurückzieht, ändert mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (vgl. demgegenüber etwa § 51 VwGG) am Anspruch gemäß § 319 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2006 nichts.

    4. Gegenständlich ist daher entscheidungsrelevant, ob der Mitbeteiligte durch das Verhalten der Beschwerdeführerin zumindest teilweise klaglos gestellt wurde.

    In der Beschwerde wird bestritten, dass der Mitbeteiligte durch die "3. Berichtigung" der Ausschreibung klaglos gestellt worden sei. Einerseits fehlten im angefochtenen Bescheid Sachverhaltsfeststellungen, inwieweit die Ausschreibung durch die genannte "3. Berichtigung" überhaupt verändert worden sei, andererseits habe die belangte Behörde zu dieser Frage kein Parteiengehör eingeräumt. Bei Vermeidung dieser Verfahrensfehler wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass einzelne (in der Beschwerde näher erläuterte) Bestimmungen der Ausschreibung durch die "3. Berichtigung" gar nicht verändert und andere Bestimmungen lediglich präzisiert worden seien. Lediglich in Bezug auf den in der Ausschreibung verlangten spartenspezifischen Umsatz sei durch die 3. Berichtigung der Ausschreibung eine Änderung erfolgt, doch sei diese Änderung nicht im Sinne des Mitbeteiligten gelegen, weil damit der verlangte spartenspezifische Umsatz über das ursprüngliche Maß hinaufgesetzt worden sei.

    Mit dem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin einen relevanten Verfahrensmangel auf:

    Das Schreiben des Mitbeteiligten vom 27. Juni 2008, mit dem dieser seinen Nachprüfungsantrag zurückgezogen und zur Begründung ausgeführt hat, die Ausschreibung sei durch die genannte

    "3. Berichtigung" im Wesentlichen in seinem Sinne geändert bzw. präzisiert worden und der Mitbeteiligte somit klaglos gestellt worden, wurde der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdeführerin wurde lediglich von der Einstellung des Verfahrens wegen Zurückziehung des Antrages verständigt. Der Beschwerdeführerin wurde somit keine Gelegenheit gegeben, sich zu der entscheidungsrelevanten Frage zu äußern, ob gegenständlich zumindest teilweise Klaglosstellung eingetreten ist. Mit dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen zeigt die Beschwerdeführerin die Relevanz dieses Verfahrensfehlers auf.

    Schon wegen des ausstehenden Parteiengehörs ist auf das detaillierte Vorbringen in der Gegenschrift, ob und inwieweit eine (teilweise) Klaglosstellung des Mitbeteiligten eingetreten sei, nicht weiter einzugehen. Abgesehen davon können die Ausführungen in der Gegenschrift eine fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ersetzen (vgl. die hg. Judikatur referiert bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E 141ff zu § 60 AVG).

    Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    5. Der Antrag der Republik Österreich (Beschwerdeführerin) auf Zuerkennung von Aufwandersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren war wegen der gegebenen Identität der Beschwerdeführerin mit dem Rechtsträger der belangten Behörde abzuweisen (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 22. November 2011, Zl. 2007/04/0116, mwN).

    Wien, am 2. Oktober 2012

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