Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) vom 30. August 2007 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 79 Abs. 1 iVm § 79a GewO 1994 aufgetragen, bei der Bar W. am genannten Standort mehrere näher bezeichnete, zusätzliche Auflagen unverzüglich zu erfüllen und als Betriebsvorschrift auf Dauer einzuhalten.
Unter anderem wurden folgende Auflagen vorgeschrieben:
"1. Im Lokal dürfen keine Live-Musik-Veranstaltungen mit elektroakustischer Verstärkung durchgeführt werden.
...
4. Die Pegelbegrenzeranlage ist durch eine hierzu befugte Fachperson im akustischen Zustand des unbesetzten Lokales so einzustellen, dass in Raummitte und in der Mitte der Tanzfläche der mit A-Bewertung gemessene Schalldruckpegel, der durch die Signalwiedergabe bei Abspielen einer CD mit Rosa-Rauschen auf allen Kanälen verursacht wird, einen Wert von 78 dB nicht überschreitet. Bei der Einstellung sind alle angeschlossenen Lautsprechergruppen zu betreiben und sämtliche der Lautstärke- und Klangregelung dienenden Regelelemente der Endverstärkerstufe, sofern diese nicht unverstellbar ausgeführt werden, in die obere Endstellung zu bringen".
Zur Begründung führte die BH aus, der gewerbetechnische Amtssachverständige habe zur Erreichung des hinreichenden Schutzes der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen die Vorschreibung der aus dem Spruch ersichtlichen Auflagen für erforderlich erachtet.
Der medizinische Amtssachverständige habe im Gutachten vom 11. Juni 2007 aufbauend auf dem gewerbetechnischen Gutachten festgestellt, dass die dort enthaltenen Auflagen vollständig und geeignet seien, die Einhaltung der Zumutbarkeitsgrenzen sicherzustellen. Insbesondere seien die Schallpegelbegrenzung der Musikdarbietung und das Geschlossenhalten der Außentüren entscheidend wichtig für den Immissionsschutz der Nachbarn. Eine Plombierung der unter behördlicher Kontrolle eingepegelten Verstärkeranlage sei erforderlich.
Die BH führte weiters aus, der Mitbeteiligte als Betreiber der Bar habe mit Eingabe vom 22. Juni 2007 u.a. bekanntgegeben, dass sich die Umstände maßgeblich geändert hätten, weil seit dem 1. Februar 2007 das Lokal durch ihn geführt werde und er großen Wert auf die Rücksichtnahme auf die Nachbarn lege. Eine maßgebliche Austrittsquelle für die Schallimmissionen sei die Decke zum über dem Lokal liegenden "Kronensaal" und von dort über die Fenster in Richtung D.-Straße. Mittlerweile sei die Schallisolierung des "Kronensaals" durch Anbringung von schallschluckenden Textilien entscheidend verbessert worden.
Dazu sei - so die BH weiter - grundsätzlich festzustellen, dass der "Kronensaal" nicht Bestandteil der Betriebsanlage der Bar sei. Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass allfällige vom Betreiber angebrachte Schallisolierungen nicht vom Verfügungsberechtigten über den "Kronensaal" wieder entfernt würden und dann derselbe Zustand wieder erreicht würde, wie es zum Zeitpunkt der Erstattung des gewerbetechnischen Gutachtens der Fall gewesen sei.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung gegen Punkt 1 und 4 dieses Bescheides und brachte im Wesentlichen vor, der gewerbetechnische Amtssachverständige gehe in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Mai 2007 davon aus, dass die Hauptschallaustrittsquelle die Deckenkonstruktion des Lokales sei und der Schall aus dem darüber liegenden "Kronensaal" (insbesondere durch die dort vorhandenen großen Fenster Richtung D.-Straße) am stärksten nach außen dringe. Die Schallmessung sei am 7. November 2006 durchgeführt worden. Er habe in seiner Eingabe vom 22. Juni 2007 vorgebracht, dass die Schallisolierung nach dieser Messung durch Anbringung von schallschluckenden Textilien im Kronensaal objektiv verbessert worden sei.
Die BH begegne diesem Vorbringen überraschend mit dem Argument, der Mitbeteiligte sei nicht verfügungsberechtigt über den Kronensaal und es sei daher nicht gesichert, dass die Schallisolierungen nicht wieder entfernt werden würden. Dazu lege er eine schriftliche Zusage der Verfügungsberechtigten über den Kronensaal vor, wonach diese garantiere, dass die vom Mitbeteiligten angebrachte Schallisolierung von ihr nicht entfernt werden würde.
Da durch diese Schallisolierung die Geräuschimmissionssituation wesentlich verändert worden sei, sei eine neue Schallmessung erforderlich, bevor der in Punkt 4 des Bescheidspruches festgelegte Wert (derzeit 78 dB) tatsächlich festgelegt werden könne.
Mit Eingabe vom 6. Dezember 2007 ergänzte der Mitbeteiligte sein Berufungsvorbringen dahingehend, dass inzwischen die Notausgangstüre in Richtung D.-Straße, die bislang ebenfalls eine Schallimmissionsquelle gewesen sei, als Schallschutztüre (Schallschutzwert 42 dB) ausgeführt worden sei.
2. Nach Einholung eines ergänzenden lärmtechnischen Gutachtens und Durchführung einer mündlichen Verhandlung behob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid der BH gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurück.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens sowie der wesentlichen Ergebnisse der eingeholten Gutachten aus, das Berufungsverfahren habe ergeben, dass durch die Anbringung von schallschluckenden Textilien im Kronensaal und den Austausch der Notausgangstüre in der D.-Straße eine deutliche Verbesserung der Schalldämmung des Gebäudes in Richtung D.-Straße erreicht worden sei und dadurch der A-bewertete Pegel im Lokal deutlich angehoben werden könne. Die lärmtechnischen Messungen seien vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen jedoch lediglich im gegenständlichen Lokal und in der D.-Straße (Nr. 7 und 9) durchgeführt worden. Trotz der vorliegenden Anzeigen und Beschwerden der Nachbarn aus anderen Straßenzügen sei insbesondere in der M.-Gasse keine lärmtechnische Messung durchgeführt worden. Die Einholung eines neuen schalltechnischen Gutachtens, insbesondere in der M.-Gasse, sei jedoch insofern erforderlich, als der gewerbetechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es durch die fehlende Schallschleuse beim Eingang des Lokals in der M.-Gasse durch den Zu- und Abgang von Personen immer wieder zu deutlich wahrnehmbaren Lärmimissionen aus der Betriebsanlage kommen werde und sich erfahrungsgemäß z.B. in diesem Bereich der Betriebslärm deutlich von den gemessenen Werten am Messpunkt unterscheiden werde.
Ausgehend davon, dass durch die durchgeführten schalltechnischen Verbesserungen in Richtung D.-Straße im Sinne des Berufungsvorbringens der A-bewertete Pegel im Lokal deutlich angehoben werden könne, sei die Einholung eines ergänzenden lärmtechnischen Gutachtens sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, dies insbesondere auch deshalb, um den Nachbarn der Betriebsanlage die Möglichkeit zu geben, von ihren Rechten Gebrauch zu machen, wozu auch gehöre, zu den eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen.
In diesem Zusammenhang werde für das weitere Verfahren - sofern dies ebenfalls als Verfahren gemäß § 79a GewO 1994 durchgeführt werde - zu prüfen sein, ob hinsichtlich der vorliegenden Beschwerden jener Nachbarn, die ihre Eingaben als "Anträge gemäß § 79a GewO 1994" bezeichnet haben, die Voraussetzungen für die Einbringung solcher Anträge gegeben seien, andernfalls diese Anträge zurückzuweisen seien.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift - so wie der Mitbeteiligte - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführer haben repliziert.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Nachbarrechten, die sich aus den Bestimmungen des gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens ergeben, insbesondere auf Schutz vor Lärm und auf Vermeidung von voraussehbaren Gefährdungen verletzt. Sie machen damit implizit auch ein Recht auf Entscheidung in der Sache geltend, wie es ihnen gemäß § 66 Abs. 4 AVG zusteht, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG vorgelegen sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1010, Zl. 2009/06/0115).
4.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/19/0042), darf die Berufungsbehörde eine kassatorische Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts die Durchführung einer mündlichen Verhandlung "unvermeidlich erscheint".
Hat die Rechtsmittelbehörde festgestellt, dass die von § 66 Abs. 2 AVG geforderten Voraussetzungen zutreffen, so liegt es gemäß § 66 Abs. 2 iVm Abs. 3 AVG in ihrem Ermessen, entweder von der Ermächtigung zur Zurückverweisung Gebrauch zu machen und eine kassatorische Entscheidung zu treffen oder die mündliche Verhandlung selbst durchzuführen und in der Sache zu entscheiden. Dabei obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2006/01/0918).
4.3. Diesen Anforderungen an die Ermessensentscheidung wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Auch wenn die Einholung eines ergänzenden lärmtechnischen Gutachtens und die Einräumung von Parteiengehör dazu notwendig sein mag, ist nicht von vornherein ersichtlich, warum für eine derartige Ergänzung eine weitere mündliche Verhandlung unvermeidlich erscheint. Selbst wenn eine (weitere) Verhandlung aber nicht vermeidbar wäre, hat die belangte Behörde nicht dargetan, dass eine Ergänzung des Beweisverfahrens im Rahmen einer fortgesetzten mündlichen Berufungsverhandlung keine Ersparnisse an Zeit und Kosten gebracht hätte. Dies gilt in gleicher Weise für die ergänzende Prüfung, ob bei allen Nachbarn, die ihre Eingaben als "Anträge gemäß § 79a GewO" bezeichnet haben, die Voraussetzungen für die Einbringung solcher Anträge gegeben seien. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid der BH hinzuweisen. Worin die Ergänzungsbedürftigkeit liegt, lässt der angefochtene Bescheid nicht erkennen.
4.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am 22. Mai 2012
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