VwGH 2006/01/0918

VwGH2006/01/091828.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. November 2006, Zl. 220.322/9-II/04/06, betreffend § 66 Abs. 2 AVG in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (mitbeteiligte Partei: N J in F, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §67d Abs2 Z1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §67d Abs2 Z1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Serbiens, reiste am 7. November 2000 gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat begründete er im Wesentlichen damit, dass seine Eltern nicht mehr dort hätten bleiben wollen und er aus diesem Grund mit ihnen das Land verlassen habe. Er sei kroatischer Abstammung und habe deshalb in der Schule Probleme mit Mitschülern und Lehrern gehabt. Außerdem habe er nicht zum serbischen Militär einrücken wollen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.

Über eine dagegen erhobene Berufung verhandelte die belangte Behörde am 14. Juni 2005. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensganges, des Verhandlungsprotokolls der Berufungsverhandlung und eines vom Mitbeteiligten vorgelegten Auszuges aus dem Geburtenbuch seiner Heimatgemeinde begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung wie folgt (Nummerierung weggelassen):

"Das Bundesasylamt hat sein im gegenständlichen Fall durchgeführtes Verfahren, wie auch aus der in Spruchteil II des angefochtenen Bescheides erfolgten Bezugnahme auf 'die Bundesrepublik Jugoslawien' ersichtlich, auf diesen Staat (nunmehr: Serbien) als 'Herkunftsstaat' im Sinne des § 1 Z 4 AsylG abgestellt. (...)

Dieses Abstellen begegnet nunmehr, aufgrund der unterm 14.9.2005 vorgelegten Urkunden, im gegenständlichen Verfahren, auch keinen Bedenken des unabhängigen Bundesasylsenates mehr. (...)

Allerdings erweist sich, angesichts der mittlerweile, d.h. seit Erlassung des angefochtenen Bescheides, verstrichenen Zeit eine Aktualisierung der allgemeinen landeskundlichen Feststellungen - und damit eine Neubewertung der Gefährdungssituation - als unumgänglich. (...)

Die Angelegenheit wurde daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zurückverwiesen. (...)

Die Fortsetzung der begonnenen öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 67d Abs. 2 Z 1 AVG nicht erforderlich."

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift "aus Kapazitätsgründen" verzichtet, dies unter Hinweis darauf, dass das Bundesasylamt mittlerweile eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens vorgenommen und "schon dadurch wohl die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides" bestätigt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Amtsbeschwerde erwogen:

1. Die Amtsbeschwerde macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe die gegenständliche Angelegenheit bloß wegen eines infolge Zeitablaufes als erforderlich erachteten Aktualisierungsbedarfs der Länderfeststellungen ohne weitere Begründung an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Der angefochtene Bescheid werfe die wesentliche Frage auf, ob ein solcher Aktualisierungsbedarf für sich genommen ausreiche, um eine Zurückverweisung an die erste Instanz zu begründen. Dies stünde nach Auffassung des Beschwerdeführers in klarem Widerspruch zu dem Grundsatz, dass bei der Ermessensübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens Bedacht zu nehmen sei. Auch sei es grundsätzlich die Pflicht der Berufungsbehörde, vor der Erledigung der Berufung für die notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens zu sorgen und mit den in § 66 Abs. 4 AVG enthaltenen Einschränkungen reformatorisch zu entscheiden. Der Spielraum für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG sei im Verfahren vor der belangten Behörde - im Vergleich zu sonstigen Berufungsverfahren nach dem AVG - eher geringer und jedenfalls nicht größer. Für die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG genüge es im Übrigen nicht, wenn die von der Berufungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit vorgenommene Beurteilung, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung bzw. Vernehmung unvermeidlich sei, zutreffe. Es müsse auch begründet werden, warum die als erforderlich erachteten ergänzenden Ermittlungen nicht durch die Berufungsbehörde selbst vorgenommen werden könnten.

2. Schon das zuletzt genannte Vorbringen führt die Amtsbeschwerde zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/19/0042, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu einem im Wesentlichen gleich begründeten Bescheid der belangten Behörde ausgeführt hat, liegt es - sofern eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG festgestellt wurde - gemäß § 66 Abs. 2 iVm Abs. 3 AVG im Ermessen der Rechtsmittelbehörde, entweder von der Ermächtigung zur Zurückverweisung Gebrauch zu machen und eine kassatorische Entscheidung zu treffen oder die mündliche Verhandlung selbst durchzuführen und in der Sache zu entscheiden. Dabei obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

3. Auch im hier vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Ermessensentscheidung nicht nachvollziehbar begründet. Auch wenn eine Aktualisierung der Länderfeststellungen und eine darauf gestützte Neubewertung der Gefährdungssituation sich als notwendig erwiesen haben mag, erläuterte die belangte Behörde nicht, warum ihr eine derartige Aktualisierung und Bewertung im Rahmen der Fortsetzung der bereits begonnenen mündlichen Berufungsverhandlung - die von der belangten Behörde den vorgelegten Akten zufolge offenbar zunächst auch in Aussicht genommen wurde - nicht zweckmäßig erschien.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 28. Oktober 2009

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