VwGH 2008/01/0449

VwGH2008/01/044928.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde 1. des R P, geboren 1970, 2. des A P, geboren 2004, 3. des M P, geboren 2004, und 4. des I P, geboren 2006, alle in G, alle vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 7. Mai 2008, Zl. Ia 370-391/2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1a;
TilgG 1972 §6 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
TilgG 1972 §6 Abs2 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1a;
TilgG 1972 §6 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
TilgG 1972 §6 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 20. Juli 2007 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden: StbG), (Spruchpunkt 1.) sowie die Anträge der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 17 und 18 StbG ab (Spruchpunkt 2.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, halte sich seit dem 19. Juli 1990 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich auf. Er sei seit Mai 2002 (mit einer türkischen Staatsangehörigen) verheiratet, dieser Ehe entstammten die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer. Der Erstbeschwerdeführer sei bei einem näher bezeichneten Arbeitgeber beschäftigt. Im Zeitraum vom 3. August 2006 bis 3. November 2006 habe er Sozialhilfeleistungen von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch in Höhe von EUR 693,46 bezogen.

Der Erstbeschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 6. Februar 2006 wegen des Vergehens der (schweren) Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden; die Strafe sei unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Erstbeschwerdeführer am 21. Jänner 2006 seine Ehefrau durch einen wuchtigen Faustschlag in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt habe, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung der Ehefrau, nämlich einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke, zur Folge gehabt habe. Weiters sei der Erstbeschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 16. Februar 2003 wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Erstbeschwerdeführer im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 16. Februar 2003 für sein minderjähriges Kind keine bzw. nur unzureichende Unterhaltszahlungen geleistet, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt habe, dass der Unterhalt des unterhaltsberechtigten Kindes ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Weiters sei der Erstbeschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 30. März 2000 wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Erstbeschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Februar 1998 bis 27. März 2000 für seinen Sohn keinerlei Unterhaltszahlungen geleistet, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt habe, dass der Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Auf Grund der festgestellten rechtskräftigen Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers sei der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG erfüllt. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft komme aber auch im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht in Betracht. Der Erstbeschwerdeführer habe am 21. Jänner 2006 die körperliche Integrität seiner Ehefrau vorsätzlich und grob verletzt, durch diese Handlung habe sich eine äußerst geringe Hemmschwelle gegenüber dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit einer körperlich unterlegenen Person offenbart. Besonders hervorzuheben sei die Brutalität, mit der der Erstbeschwerdeführer bei dieser Tat vorgegangen sei, zumal er mit der Faust in das Gesicht seiner zu diesem Zeitpunkt schwangeren Ehefrau geschlagen habe. Außerdem bringe die lange Zeitdauer (von beinahe zwei bzw. drei Jahren), während der der Erstbeschwerdeführer seine Unterhaltspflicht grob verletzt habe, die negative Einstellung gegenüber der Rechtsordnung deutlich zum Ausdruck und runde das gewonnene negative Persönlichkeitsbild vom Erstbeschwerdeführer ab. Sein Verhalten lasse den Schluss zu, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft wesentliche Vorschriften missachten werde, die zur Abwehr von Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit sowie die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassen wurden. Auf Grund des zuletzt im Jänner 2006 verwirklichten Deliktes könne ein seitheriges Wohlverhalten zu keiner günstigen Zukunftsprognose führen. Darüber hinaus liege das Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG vor, zumal der Erstbeschwerdeführer im Zeitraum von 3. August 2006 bis 3. November 2006 seinen Lebensunterhalt durch den Bezug von Sozialhilfe bestritten habe.

Infolge der Abweisung des Antrages des Erstbeschwerdeführers seien auch die Erstreckungsanträge der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1a StbG liegt eine gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt.

Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG steht jede wegen einer Vorsatztat erfolgte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegen. Auf das Ausmaß der Freiheitsstrafe kommt es dabei - im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 - nicht an (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 2009, Zl. 2009/01/0057, und vom 23. April 2009, Zl. 2006/01/0694).

Der Erstbeschwerdeführer wurde wegen der Vorsatzdelikte der (schweren) Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB) und der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 198 Abs. 1 StGB) rechtskräftig zu (bedingten) Freiheitsstrafen in der Dauer von drei Monaten, zwei Monaten bzw. drei Wochen verurteilt. Dass diese Verurteilungen getilgt wären, behauptet die Beschwerde nicht.

Die Beschwerde argumentiert nur dahin, dass die Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers der beschränkten Auskunft unterliegen würden und damit im Staatsbürgerschaftsverfahren nicht berücksichtigt werden dürften. Gemäß § 6 Abs. 2 des Tilgungsgesetzes 1972 trete eine Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister bei höchstens dreimonatiger Freiheitstrafe ein. Im Falle der Beschränkung der Auskunft dürfe die Staatsbürgerschaftsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. keine Auskünfte über diese Straftaten aus dem Strafregister erhalten.

Damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 7 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68/1972, in der hier maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, darf schon vor der Tilgung über Verurteilungen aus dem Strafregister bei Vorliegen der in den Abs. 2 und 3 genannten Voraussetzungen lediglich Auskunft erteilt werden unter anderem den Staatsbürgerschaftsbehörden zur Durchführung von Verfahren nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985. Gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 Tilgungsgesetz 1972 tritt die Beschränkung nach Abs. 1 sofort mit Rechtskraft des Urteils ein, wenn keine strengere Strafe als eine höchstens dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt worden ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen durften die Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers daher in Strafregisterauskünfte an die Staatsbürgerschaftsbehörde aufgenommen werden, sodass es sich dabei auch um maßgebliche Verurteilungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG handelte.

Die auf § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG gestützte Abweisung des Antrages des Erstbeschwerdeführers erweist sich demnach nicht als rechtswidrig, sodass auch die Abweisung der Erstreckungsanträge der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer dem Gesetz entsprach.

Da sich die Beschwerde somit schon deshalb als unbegründet erweist, war sie - ohne dass auf die weiteren von der belangten Behörde ins Treffen geführten Versagungsgründe eingegangen werden muss - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Juni 2011

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