VwGH 2007/21/0510

VwGH2007/21/051018.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 23. August 2007, Zl. 2Fr-62-1/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL;
EURallg;
FrG 1997 §24;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §45;
NAGDV 2005 §11 Abs1 C litb;
VwRallg;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL;
EURallg;
FrG 1997 §24;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §45;
NAGDV 2005 §11 Abs1 C litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, kam 1990 im Alter von vier Jahren mit seiner Mutter nach Österreich und verfügt seit 29. April 2003 über einen Niederlassungsnachweis.

Nachdem ein Verfahren wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung noch diversionell erledigt worden war, wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 18. Februar 2005 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen verurteilt. Mit einem weiteren, ebenfalls in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. Jänner 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 (zweiter Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt. Diesem Schuldspruch liegt zu Grunde, der Beschwerdeführer habe am 29. Mai 2006 in Klagenfurt und Ebental im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern als unmittelbarer Täter versucht, teils mit Gewalt, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, dem C.K. fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Suchtgift, mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt werden sollte, indem ein Mittäter eine geladene CO2-Pistole an der linken Schulter des C.K. ansetzte und der Beschwerdeführer und die Mittäter diesen mit der wörtlichen Drohung, ihn umzubringen, aufforderten, alles herzugeben, was er eingesteckt habe, ihn nach einem Fluchtversuch unter Versetzen zahlreicher Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper verbunden mit der mehrfachen Äußerung, man werde ihn endgültig fertig machen und umbringen, ins Fahrzeug zurückzerrten und neuerlich durch Ansetzen der Waffe unter wiederholten Drohungen, ihn umzubringen, zur Herausgabe von Bargeld und Suchtgift aufforderten.

Insbesondere im Hinblick auf die letztgenannte Verurteilung erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 23. August 2007 gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung jedoch mit Beschluss vom 1. Dezember 2007, B 1890/07-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ging - zutreffend - davon aus, dass gegenständlich der Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht sei. Sie führte weiter aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen - insbesondere dem Schutz der Gesundheit und des Eigentums anderer sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen - zuwiderlaufe, weshalb die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme (Gefährlichkeitsprognose) gerechtfertigt erscheine.

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Niederlassungsnachweises, der gemäß § 11 Abs. 1 C NAG-DV als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" weiter gilt. Angesichts dessen wäre ergänzend zu prüfen gewesen, ob vorliegend auch die verschärfte Gefährdungsprognose des § 56 FPG als gegeben anzunehmen ist (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Das ist indes der Fall, wobei zunächst darauf hinzuweisen ist, dass gegenständlich sowohl die Bedingungen der Z 1 (erster Fall) als auch jene der Z 2 des § 56 Abs. 2 FPG erfüllt sind. Der versuchte schwere Raub ist im Übrigen unter solchen Umständen begangen worden, dass - anders als die Beschwerde meint - nicht von Unbesonnenheit oder Leichtsinn die Rede sein kann; die brutale Ausführung (siehe die obige Tatdarstellung) lässt vielmehr ein hohes Aggressionspotenzial erkennen, welches auch nicht durch den geltend gemachten "Medikamenteneinfluss" - die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beschwerdeführer schon seit seinem 15. Lebensjahr Kontakt zu Drogen habe - nicht relativiert werden kann. Auch davon, dass die letzte Straftat des Beschwerdeführers, wie die Beschwerde meint, "in krassem Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten" stehe, kann nicht die Rede sein, wurde der Beschwerdeführer doch einerseits bereits 2005 nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt und gesteht die Beschwerde andererseits selbst ein, dass er auch eine - diversionell erledigte - Sachbeschädigung begangen habe. Richtig ist zwar, dass die belangte Behörde bezüglich der jeweiligen Taten keine näheren Feststellungen getroffen hat, doch lässt sich immerhin schon aus dem bloßen Umstand der Begehung der genannten Vergehen eine Tendenz des Beschwerdeführers zu Gewaltdelikten ableiten. Inwieweit Feststellungen zu den individuellen Tatumständen insgesamt ein positiveres Gesamtbild des Beschwerdeführers gezeichnet hätten, wie in der Beschwerde ausgeführt, ist nicht nachvollziehbar. Insgesamt kann es somit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keinem Zweifel unterliegen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine (gegenwärtige, hinreichend) schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 56 Abs. 1 FPG darstellen würde. Daran kann auch der Hinweis in der Beschwerde, der Beschwerdeführer werde sich nach der Verbüßung seiner Haftstrafe mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in das Berufsleben eingliedern und wieder in den gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter aufgenommen werden, nichts ändern, haben ihn doch auch schon in der Vergangenheit diese Umstände nicht von der Begehung von strafbaren Handlungen abhalten können.

Was die Beurteilung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG anlangt, so ging die belangte Behörde ohnehin davon aus, dass mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot in hohem Maße in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Dabei berücksichtigte sie insbesondere, dass sich der Beschwerdeführer seit 1990, gemeinsam mit Mutter und Schwester, in Österreich aufhält, hier die Schule besuchte und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt. Wenn sie ungeachtet dessen zum Ergebnis gelangte, dass der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten sei, so begegnet dies angesichts des strafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, das zuletzt in einem schweren Raub gipfelte, keinen Bedenken. Zutreffend wies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang außerdem darauf hin, dass die familiären Beziehungen des unverheirateten und kinderlosen Beschwerdeführers in Österreich im Hinblick auf sein Alter relativiert sind. Inwieweit, wie in der Beschwerde behauptet, im Hinblick auf die 1990 erfolgte Flucht vor dem Bürgerkrieg eine besondere Abhängigkeit zu Mutter und Schwester bestehe, wurde nicht näher ausgeführt.

Auch die Abwägung nach § 66 Abs. 2 FPG ist frei von Rechtsirrtum. Dass der Beschwerdeführer zu seinem Heimatland keine Beziehungen mehr hat und in Bosnien-Herzegowina mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen hätte, muss, wie schon von der belangten Behörde ausgeführt, angesichts der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit hingenommen werden. Im Übrigen ist dem nunmehrigen Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in Bosnien-Herzegowina weder Verwandte noch Freunde, zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer in einer im Verwaltungsverfahren erstatteten persönlichen Stellungnahme auf zwei Onkeln und eine Tante in Bosnien-Herzegowina hinwies. Wenn schließlich im Zusammenhang mit den Konsequenzen einer Abschiebung des Beschwerdeführers und einer Trennung von seinen Familienmitgliedern Ermittlungsmängel behauptet werden, so gelingt es der Beschwerde nicht, zielführende Ergebnisse allenfalls anzustellender zusätzlicher Ermittlungen darzutun. Der Hinweis auf ein im Strafverfahren eingeholtes neuropsychiatrisches Sachverständigengutachten, aus dem sich eindeutig ergebe, dass sich beim Beschwerdeführer "depressive Züge als längerfristige Problematik manifestiert" hätten und dass er nach Haftentlassung die Unterstützung seiner Familie benötige, reicht hiefür nicht aus.

Soweit in der vorliegenden Beschwerde ergänzend das der Behörde offen stehende Ermessen angesprochen wird, ist ihr zu erwidern, dass die auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes in einem Fall wie dem vorliegenden offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes wäre (vgl. auch dazu das schon genannte hg. Erkenntnis vom 20. November 2008). Schließlich kommt aber auch dem Einwand, das Aufenthaltsverbot hätte nicht unbefristet erlassen werden dürfen, keine Berechtigung zu.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 FPG (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0213) ist ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der mehrfachen Gewaltdelikte des Beschwerdeführers und insbesondere im Hinblick auf die Umstände des zuletzt begangenen versuchten schweren Raubes die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.

Insgesamt ergibt sich somit, dass dem bekämpften Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Februar 2009

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