VwGH 2007/21/0452

VwGH2007/21/045220.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Hauptplatz 3/2/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. September 2007, Zl. Fr- 724/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §85 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §85 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Der am 12. Dezember 1970 geborene Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Jänner 2004 im Besitz eines Reisevisums mit siebentägiger Dauer nach Österreich ein. Am 13. August 2004 heiratete er vor dem Standesamt Ternitz die österreichische Staatsangehörige Brigitta B. Im Hinblick darauf wurden ihm beginnend mit 22. November 2004, zuletzt gültig bis 22. November 2006 Niederlassungsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt. Am 24. Oktober 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels.

Mit Bescheid vom 29. März 2007 erließ die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gegen den Beschwerdeführer - ausgehend von einer "Aufenthaltsehe" mit Brigitta B. - ein auf § 60 Abs. 1 und 2 Z 6 und 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) - nach Durchführung ergänzender Ermittlungen - mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2007 keine Folge und sie bestätigte das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot mit der Maßgabe, dass es auf § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 FPG gestützt werde.

Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid die einzelnen Ermittlungsschritte und deren Ergebnisse ausführlich dar und gründete darauf ihre näher dargestellten beweiswürdigenden Überlegungen. Dabei stützte sie sich unter anderem auf die Angaben von Jasmina J. in der Niederschrift am 30. Mai 2005, wonach sie mit dem Beschwerdeführer eine Lebensgemeinschaft führe und er ihr gegenüber zugestanden habe, dass er mit einer (damals) in Wien wohnhaften Frau verheiratet sei und es sich dabei aber nur um eine Scheinehe handle. An seine Frau, die ebenfalls einen Lebensgefährten und mit diesem ein gemeinsames Kind habe, zahle der Beschwerdeführer nach einer einmaligen Leistung von EUR 2.000,-

- bis 3.000,-- nunmehr monatlich EUR 200,--. Die vom Beschwerdeführer bestrittene Lebensgemeinschaft mit Jasmina J werde - so begründete die belangte Behörde weiter - dadurch bestätigt, dass gegen den Beschwerdeführer für die gemeinsame Wohnung in St. Pölten ein Betretungsverbot verhängt worden sei. Durch einen Bericht vom 16. Dezember 2005 über eine Hauserhebung an der Adresse in Wien 12 sei bewiesen, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Behauptung dort nicht mit Brigitta B. zusammengelebt habe. Dazu komme, dass Brigitta B. gegenüber den ermittelnden Beamten am 10. November 2006 telefonisch befragt angegeben habe, dass die Ehe nicht vollzogen worden sei und sie mit dem Beschwerdeführer seit der Hochzeit keinerlei Kontakt gehabt habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers eines gemeinsamen Wohnsitzes bei der Schwiegermutter in Ternitz werde durch deren Aussage am 10. November 2006 widerlegt, wonach er dort zwar gemeldet, aber noch nie wohnhaft gewesen sei. Im Übrigen verwies die belangte Behörde auch noch auf die von Brigitta B. gegenüber den einschreitenden Beamten gemachten Angaben bei der Hauserhebung am 29. März 2007, wonach der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben in der Niederschrift vom selben Tag nicht bei ihr in Wimpassing wohne und er dort auch keine persönlichen Sachen habe. Daraus folgerte die belangte Behörde zusammenfassend, zwischen dem Beschwerdeführer und Brigitta B. habe nie eine "Ehegemeinschaft" bestanden. Die davon abweichenden Angaben von Brigitta B. in der vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 8. Mai 2007 vorgelegten eidesstättigen Erklärung und bei der Niederschrift am 15. Juni 2007 hielt die belangte Behörde für nicht glaubwürdig und wertete sie als bloße "Konstruktion", um die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zu verhindern. Den "Erstaussagen" sei nämlich mehr Glauben zu schenken als jenen Angaben, die später wohlüberlegt und in Absprache mit allen Beteiligten getroffen werden.

Davon ausgehend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe mit der österreichischen Staatsbürgerin Brigitta B. die Ehe geschlossen, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen zu können, wobei die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht geführt worden sei. Der Beschwerdeführer sei die Ehe nur deshalb eingegangen, um in den Genuss eines Aufenthaltstitels und einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung zu gelangen. Wegen dieses evidenten Rechtsmissbrauchs sei die Annahme gerechtfertig, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung (das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen).

Die belangte Behörde ging angesichts des Aufenthalts des Beschwerdeführers seit Mitte Jänner 2004 und seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben aus. Jedoch sei die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration dadurch geschmälert, dass sie nur durch die eingegangene Aufenthaltsehe ermöglicht worden sei. Durch sein Fehlverhalten habe der Beschwerdeführer das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen ein hoher Stellenwert zukomme, erheblich beeinträchtigt. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei daher im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde. So führen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FPG (952 BlgNR 22. GP 99) aus, dass dieses Aufenthaltsverbot Fremde betrifft, "die eine Ehe nur deshalb abgeschlossen haben, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese zu berufen, ohne ein Eheleben zu führen" (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0106, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0391; siehe zuletzt daran anknüpfend auch die Erkenntnisse vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246, und vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0352).

Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Kritik an der behördlichen Beweiswürdigung, mit denen es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelingt, eine diesbezügliche Unschlüssigkeit aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt nämlich - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde ihre Einschätzung zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe auf die erwähnten Beweisergebnisse, denen umfangreiche Ermittlungen zugrunde liegen, stützte. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde den früheren Aussagen von Brigitta B. und den damit im Einklang stehenden sonstigen Ermittlungsergebnissen mehr Glaubwürdigkeit zubilligte als ihren davon abweichenden, am Ende des Verfahrens getätigten Angaben. Es wird auch nicht plausibel erklärt, weshalb es trotz einer von Seiten des Beschwerdeführers angeblich aus Liebe erfolgten Eheschließung tatsächlich nie zu einem Zusammenleben der Ehepartner gekommen ist.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der - wie erwähnt als Orientierungsmaßstab maßgebliche - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde. In der Beschwerde wird auch die von der belangte Behörde erkennbar für gerechtfertigt angesehene Prognose im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) nicht in Frage gestellt. Die Beschwerde bestreitet aber die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Gesichtspunkt des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf nach § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe keine ausreichende Abwägung im Sinne dieser Bestimmungen vorgenommen, trifft nicht zu. Wie sich aus der obigen Wiedergabe der Bescheidbegründung ergibt, hat die belangte Behörde bei der diesbezüglichen Interessenabwägung ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts und die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen. Ihr kann aber nicht entgegen getreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer erlangte Integration deshalb für relativiert erachtete, weil sie letztlich nur auf eine Aufenthaltsehe zurückzuführen ist. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem vom Beschwerdeführer erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall das schon erwähnte Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246).

Schließlich begegnet die mit zehn Jahren festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes schon deshalb keine Bedenken, weil die Beschwerde nicht aufzuzeigen vermag, aus welchen Gründen - entgegen der Meinung der belangten Behörde - zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Wegfall der Voraussetzungen zu rechnen wäre. Angesichts dessen bestehen auch im vorliegenden Fall gegen ein Aufenthaltsverbot im Ausmaß der nach § 63 Abs. 1 FPG zulässigen Höchstdauer keine Einwände (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2007/21/0154).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2007

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