VwGH 2007/21/0154

VwGH2007/21/015422.5.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 20. März 2007, Zl. Fr 2591/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
EheG §23 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
EheG §23 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach den Beschwerdebehauptungen und der Darstellung im bekämpften Bescheid ein Staatsangehöriger von "Serbien und Montenegro", reiste im November 2002 nach Österreich ein. Er stellte einen Asylantrag, der letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates rechtskräftig abgewiesen wurde; die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Oktober 2003, Zl. 2003/01/0389, ab.

Am 25. Juni 2004 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf wurde ihm in der Folge eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeitsdauer vom 3. August 2004 bis 2. August 2005 erteilt.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2005 erklärte das Bezirksgericht Neunkirchen die vom Beschwerdeführer am 25. Juni 2004 geschlossene Ehe gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz für nichtig; der Beschwerdeführer und seine "Ehefrau" hätten nie beabsichtigt, eine eheliche Gemeinschaft einzugehen, die Ehe sei vielmehr ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden, dem Beschwerdeführer einen legalen Aufenthalt und eine Beschäftigung in Österreich trotz negativen Ausgangs des Asylverfahrens zu ermöglichen. Dieses Urteil erwuchs am 29. November 2006 in Rechtskraft.

Bereits mit Bescheid vom 9. November 2006 hatte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen im Hinblick auf die von ihr festgestellte Aufenthaltsehe des Beschwerdeführers gegen diesen gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot verhängt. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 20. März 2007 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Begründend führte sie aus, dass sie an den rechtskräftigen Urteilsspruch über das Bestehen einer "Scheinehe" gebunden sei. Angesichts dessen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer "nicht geständig" sei und "weiter in diesem Rechtsmissbrauch" verharre, um damit einhergehende Begünstigungen nicht aufgeben zu müssen. Sein rechtsmissbräuchliches Verhalten dauere somit nach wie vor an, weshalb die Schlussfolgerung zulässig sei, dass durch seinen Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenwesens, schwer gefährdet werde. Die Gefährdungsprognose müsse daher zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfallen, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes "auch unter Zugrundelegung von § 86 Abs. 1 FPG 2005 zulässig und geradezu geboten" sei. Unter dem Blickwinkel des § 66 FPG müsse angesichts des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seit November 2002 davon ausgegangen werden, dass durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in sein Privatleben eingegriffen werde. Außerdem befänden sich die Schwester und der Schwager des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, diesbezüglich habe er jedoch nie eine besonders intensive Nahebeziehung behauptet. Was die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers anlange, so sei ihm diese nur auf Grund einer infolge des Eingehens der Aufenthaltsehe widerrechtlich erlangten arbeitsrechtlichen Bewilligung möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Rechtsordnung über einen relativ langen Zeitraum hinweg umgangen und die zuständigen Behörden getäuscht. In diesem Zusammenhang müsse auch auf seinen offenbar rechtsmissbräuchlich gestellten Asylantrag hingewiesen werden. Insgesamt stehe daher § 66 FPG der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, Ermessensgesichtspunkte, die gegen die Verhängung dieser Maßnahme sprechen würden, seien nicht erkennbar. Zusammenfassend sei daher ausgehend vom fortgesetzten und wiederholten Rechtsmissbrauch des Beschwerdeführers die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von zehn Jahren als dringend geboten "und daher vertretbar" zu beurteilen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2).

Nach § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Dass im vorliegenden Fall der eben angesprochene Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt ist, kann angesichts der rechtskräftigen Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden. Richtig hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die Bindungswirkung des Nichtigkeitsurteiles verwiesen, sodass sie - Spruch und Entscheidungsgründen dieses Urteiles folgend - davon auszugehen hatte, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich zu dem Zweck geschlossen habe, ihm einen legalen Aufenthalt und eine Beschäftigung in Österreich zu ermöglichen. Welche (weiteren) Feststellungen bezüglich des besagten Nichtigkeitsurteiles noch zu treffen gewesen wären - in der Beschwerde werden "konkrete Feststellungen" vermisst - ist nicht zu erkennen. Im Übrigen trifft es zwar zu, dass das von der belangten Behörde im gegebenen Kontext ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 96/19/3525, nicht den Fall eines Aufenthaltsverbotes betraf. Die dortigen Aussagen zur Bindungswirkung eines Ehenichtigkeitsurteiles gelten gleichwohl auch für Aufenthaltsverbote (vgl. aus letzter Zeit nur das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0453). Dass angesichts dieser Bindungswirkung das Übergehen von Beweisanträgen des Beschwerdeführers, das Thema "Scheinehe" betreffend, keinen Verfahrensmangel darstellen kann, versteht sich von selbst.

Ausgehend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG und im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer bezüglich der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung "nicht geständig" sei, gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei auch unter Zugrundelegung von § 86 Abs. 1 FPG zulässig. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass § 86 FPG (iVm § 87) auf den Beschwerdeführer seit Rechtskraft des Ehenichtigkeitsurteiles nicht mehr angewendet werden kann, ist er doch seit diesem Zeitpunkt nicht mehr Familienangehöriger (im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers. Dass die belangte Behörde dennoch irrtümlich auf § 86 Abs. 1 FPG abstellte, vermag den Beschwerdeführer allerdings nicht in Rechten zu verletzen, weil dann, wenn die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG erfüllt sind, jedenfalls auch die Prognose nach § 60 Abs. 1 Z 1 FPG zu treffen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0376), und der belangten Behörde insoweit, als sie im Verhalten des Beschwerdeführers eine schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens erblickte, nicht mit Erfolg entgegen getreten werden kann. Anders als in der Beschwerde vertreten, führen die von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht "zu einem völlig konträren Ergebnis". Auch im - wenngleich noch zum Passgesetz 1969 ergangenen - Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0096, wurde nämlich zum Ausdruck gebracht, dass die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu dem alleinigen Zweck, sich eine Aufenthaltsberechtigung und einen Befreiungsschein zu verschaffen, die Annahme rechtfertige, dass ein (weiterer) Aufenthalt des betreffenden Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde. Im Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0242, wiederum wurde darauf abgestellt, dass die inkriminierte Eheschließung bereits mehr als fünf Jahre zurücklag, welchem Umstand vor dem Hintergrund des damals anzuwendenden § 39 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, der bei "Scheinehen" eine maximale Aufenthaltsdauer von fünf Jahren vorsah, maßgebliche Bedeutung zukam (vgl. jetzt aber § 63 Abs. 1 FPG, der auch im Fall des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässt). Im vorliegenden Fall freilich lag die verpönte Eheschließung noch nicht einmal drei Jahre zurück, weshalb nicht zu sehen ist, dass eine Gefährdungsprognose nicht (mehr) getroffen werden hätte dürfen (vgl. dazu abermals das oben zitierte Erkenntnis vom 27. März 2007).

Unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG verweist der Beschwerdeführer auf seine familiären Bindungen und seine Integration im Bundesgebiet, insbesondere auf seine unselbstständige Erwerbstätigkeit seit 1. Juli 2004. Er bringt vor, besonders intensive Beziehungen zu seiner Schwester zu pflegen und vertritt die Ansicht, dass die belangte Behörde Feststellungen zu seinen "Fluchtgründen" hätte treffen müssen. Mit all dem vermag er indes keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer beeinträchtigte durch sein Fehlverhalten nämlich das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, nicht unbeträchtlich. Die aus seiner Aufenthaltsdauer (knapp viereinhalb Jahre) und seiner Berufstätigkeit ableitbaren Interessen erscheinen dadurch relativiert, dass die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts sowie der Zugang zur Berufstätigkeit auf dem Eingehen der - in weiterer Folge für nichtig erklärten - Ehe im Bundesgebiet basierten. Was die Beziehung zur Schwester anlangt, so ist jedenfalls nichts ersichtlich, was auf ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis hinweisen würde. Bezüglich der "Fluchtgründe" schließlich tut der Beschwerdeführer nicht dar, was daraus konkret im gegebenen Zusammenhang zu gewinnen gewesen wäre. Eine Fehlbeurteilung im Grunde des § 66 FPG ist daher jedenfalls im Ergebnis nicht zu erkennen.

Der angefochtene Bescheid begegnet auch in Ansehung der darin festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots keinen Bedenken. Wie schon erwähnt, darf ein Aufenthaltsverbot nunmehr auch in "Aufenthaltsehefällen" für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden (§ 63 Abs. 1 FPG). Wohl hat die belangte Behörde nur kursorisch begründet, weshalb sie gegenständlich die höchstzulässige Dauer für erforderlich hielt. Vor dem Hintergrund des dargestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Ausschöpfung des gesetzlich vorgesehenen Zeitrahmens allerdings nicht zu beanstanden. Auch der Beschwerdeführer verweist nur auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0335, in dem bezüglich des dort zu beurteilenden Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 2 Z 9 des Fremdengesetzes 1997 freilich gleichfalls festgehalten wurde, dass die Ausschöpfung der - damals zulässigen - Höchstdauer nicht als rechtswidrig erkannt werden könne.

Zusammenfassend ergibt sich damit, dass bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 22. Mai 2007

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