Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund, je zur Hälfte, Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist der Sohn, die Zweitbeschwerdeführerin die Ehefrau des in Österreich lebenden Y., dem mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 24. Oktober 2005 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden war. Die Beschwerdeführer sind türkische Staatsangehörige. Am 18. Jänner 2006 beantragten sie im Weg des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul die Erteilung von Aufenthaltstiteln als Angehörige des Y. Diese Anträge wurden jeweils mit Bescheid vom 1. September 2006 abgewiesen.
Die Zustellung dieser Bescheide durch Hinterlegung erfolgte jeweils an Y., dem beide Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unstrittig Vollmacht zu ihrer Vertretung erteilt hatten. Der Beginn der Abholfrist fiel auf (Dienstag, den) 5. September 2006.
Mit Eingaben vom 4. Oktober 2006 beantragten die - durch Y. sowie durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretenen - Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und holten zugleich die versäumte Berufung nach.
Die Wiedereinsetzungsanträge begründeten sie damit, Y. habe die am 5. September 2006 hinterlegten Bescheide am 7. September 2006 behoben. In der Meinung, die zweiwöchige Berufungsfrist beginne an diesem Tag zu laufen, sei er erst am Abend des 20. September 2006 in der Kanzlei seines Rechtsvertreters erschienen. Dessen telefonische Anfrage am 21. September 2006 habe ergeben, dass die Berufung spätestens am 19. September 2006 eingebracht hätte werden müssen. Daher hätten Y. und die beiden Beschwerdeführer erst am 21. September 2006 erfahren, dass die Berufungsfrist versäumt worden sei. Mangels juristischer Kenntnisse der Beschwerdeführer und des Y. sei die Versäumung der Berufungsfrist lediglich auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen, sodass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen.
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden vom 7. Mai 2007 wies die belangte Behörde die dargestellten Wiedereinsetzungsanträge gemäß § 71 iVm § 66 Abs. 4 AVG ab. Die im Verfahren betreffend die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln erhobenen Berufungen wies sie gemäß § 66 Abs. 4 und § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Begründend führte sie aus, aus dem (oben dargestellten) Vorbringen könne kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgeleitet werden. Ein Fremder, "bei dem ein ihm bekanntes Verfahren im Gange" sei, über welches bescheidmäßig abgesprochen werde, oder sein Vertreter, dessen Verschulden ihm zuzurechnen sei, müsse sich "über dessen Wichtigkeit" bewusst sein. Es liege daher in seinem Verschulden, wenn er es unterlasse, zeitgerecht das ordentliche Rechtsmittel einzubringen. Mangelnde Rechtskenntnisse seien "nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis oder als minderer Grad eines Versehens zu werten". Da somit nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass die Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis oder durch einen minderen Grad des Versehens gehindert gewesen wären, die Berufungsfrist einzuhalten, sei die Berufung gegen die Abweisung ihrer Wiedereinsetzungsanträge abzuweisen gewesen.
Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 5. September 2006 vorgenommen worden sei, erwiesen sich die erwähnten, erst am 4. Oktober 2006 erhobenen Berufungen als verspätet.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung dieser Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Vertreters - etwa eines Zustellbevollmächtigten - bedient, ist ihr nach ständiger hg. Judikatur ein Verschulden dieses Vertreters wie ein eigenes Verschulden zuzurechnen. Im Fall einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand diesfalls auch davon ab, dass weder die Partei noch deren Bevollmächtigten ein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0268, vom 26. April 2001, Zl. 2000/20/0336, und vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0126, jeweils mwN).
Zwar kann ein "Ereignis" iSd § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG auch in einem Rechtsirrtum bestehen. Daraus ist für den Standpunkt der Beschwerdeführer hier jedoch nichts gewonnen, weil im vorliegenden Zusammenhang lediglich ein Irrtum des Y. darüber in Betracht käme, dass bereits die Hinterlegung eines Zustellstücks und nicht erst dessen Behebung die Wirkung der Zustellung begründet. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre dieser Irrtum allerdings durch entsprechende Nachfragen zu beseitigen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0183, mwN).
Weiters entspricht es ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Partei die Obliegenheit trifft, bereits in ihrem Wiedereinsetzungsantrag alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen. Es ist nicht Sache der Behörde, amtswegig darüber hinausgehende tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0268, und vom 15. Dezember 2006, Zl. 2006/04/0236, mwN). Darauf, dass ihr Bevollmächtigter Y., ein österreichischer Staatsangehöriger, keine ausreichenden Deutschkenntnisse habe, haben sich die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht berufen. Selbst wenn sie allerdings bereits in ihrem Wiedereinsetzungsantrag das von ihnen beschriebene unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis in diesem Sinn konkretisiert hätten, wäre für sie nichts gewonnen. Auch mangelnde Sprachkenntnisse können nämlich ohne Hinzutreten eines konkreten weiteren Hinderungsgrundes (insbesondere daran, entsprechende Erkundigungen - etwa bei der Behörde - einzuholen) die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. August 2006, Zl. 2004/21/0139, mwN).
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde die nicht tauglich begründeten Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführer zutreffend abgewiesen. Da demnach die Berufungen gegen die Abweisung der Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach Ablauf der in § 63 Abs. 5 AVG normierten zweiwöchigen Rechtsmittelfrist erhoben worden waren, steht deren Zurückweisung als verspätet mit dem Gesetz im Einklang.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 17. Juli 2008
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