VwGH 2004/04/0126

VwGH2004/04/012615.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in 4020 Linz-Urfahr, Flußgasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. Mai 2004, Zl. Ge-274965/1-2004-Pö/Zm, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Gewerberechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. Mai 2004 der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Gewerberechtsangelegenheit abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, sein Rechtsvertreter habe am letzten Tag der Berufungsfrist einen befreundeten Kollegen, der in der Kanzlei zu Besuch gewesen sei, gebeten, die Berufung eingeschrieben zur Post zu geben. Dieser habe den Brief zwar übernommen, dann "jedoch vollkommen darauf vergessen". Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe offensichtlich auf jegliche Kontrolle der Umsetzung des erteilten Auftrages verzichtet, obwohl es weitab jeder herkömmlichen Ablauforganisation einer Anwaltskanzlei liege, Poststücke durch befreundete Kollegen, die sich zu Besuch aufhielten, zur Post zu geben. Es liege daher ein dem Beschwerdeführer zuzurechnendes Verschulden seines Rechtsvertreters vor, das über den minderen Grad des Versehens hinausgehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht von einer "Kombination aus Parteienvertreter und Boten" ausgegangen, weil der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen Rechtsanwalt mit der Briefaufgabe betraut habe. Richtigerweise hätte dieser Rechtsanwalt als Bote qualifiziert werden müssen; sein Verschulden hätte dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden dürfen. An der Zuverlässigkeit des Boten habe kein Zweifel bestanden, zumal er Akademiker und Freund des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers sei. Eine Kontrolle sei also nicht notwendig ,aber auch nicht möglich gewesen, weil die Berufung dem Boten erst am letzten Tag der Berufungsfrist übergeben worden sei.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr nach ständiger hg. Judikatur ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S. 1558 f dargestellte Judikatur). Im Falle einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung diesfalls (u.a.) davon ab, dass weder die Partei noch den bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Wer lediglich beauftragt wird, einen Brief zur Post zu geben, ist Bote und nicht Rechtsvertreter. Sein Verschulden trifft den Auftraggeber nicht; dieser ist allerdings für eine zumutbare und der Sachlage nach gebotene Überwachung verantwortlich (vgl. die bei Walter/Thienel, S. 1561 f dargestellte Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für die Postaufgabe eines Boten bedient, der darauf jedoch "vollkommen vergessen" hat. Eine Kontrolle der erfolgten Postaufgabe meinte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Rücksicht darauf unterlassen zu könne, dass es sich beim Boten um einen befreundeten Rechtsanwalt gehandelt habe.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hätte es einer Kontrolle, ob der dem Boten erteilte Auftrag auch tatsächlich ausgeführt wurde, schon deshalb bedurft, weil es sich - wie die Behörde zu Recht bemerkt - um eine weitab jeder herkömmlichen Organisation einer Anwaltskanzlei liegende Vorgangsweise handelt, einen in der Kanzlei zu Besuch weilenden, befreundeten Anwalt mit der Aufgabe von Poststücken zu betrauen. In einer solchen, von der "normalen" Postabfertigung in der Kanzlei abweichenden, außergewöhnlichen Situation hätte sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aber jedenfalls vergewissern müssen, ob der als Bote verwendete Rechtsanwalt dem ihm erteilten Auftrag, einen Brief zur Post zu bringen, auch tatsächlich entsprochen hat, nicht zuletzt deshalb, weil die Aufgabe von Poststücken im Allgemeinen nicht zu den von einem Rechtsanwalt persönlich wahrgenommenen Tätigkeiten zählt. In der Unterlassung jeglicher Vergewisserung betreffend die Erfüllung des Auftrages zur Postaufgabe durch den Boten liegt daher im vorliegenden Fall ein Verschulden des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, das über den minderen Grad des Versehens hinaus geht.

Mit dem Vorbringen, eine "nachträgliche Kontrolle" sei nicht mehr möglich gewesen, "weil der letzte Tag der Berufungsfrist versäumt" worden sei, wird schließlich auch keine Unrichtigkeit in der Auffassung der belangten Behörde aufgezeigt, bei rechtzeitiger Vornahme zumutbarer kontrollierender Maßnahmen hätte eine Fristversäumung vermieden werden können. Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher zu Recht verweigert.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. September 2004

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