Normen
FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe laut eigenen Angaben seit 2000 ständig in Österreich. Aktenkundig sei jedoch keine (richtig: eine) erstmalige Anmeldung (mit Nebenwohnsitz) am 14. November 2002. Ferner sei nicht aktenkundig, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einreise über einen Einreise- oder Aufenthaltstitel für Österreich verfügt habe.
Nachdem er mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wien Innere Stadt vom 25. September 2002 von einem österreichischen Staatsbürger adoptiert worden sei, sei dem Beschwerdeführer erstmals am 25. April 2003 ein Aufenthaltstitel erteilt worden; seit 23. August 2005 verfüge er über einen Niederlassungsnachweis.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. März 2007 sei der Beschwerdeführer (wegen des Verbrechens) nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz - SMG, (des Vergehens) nach § 28 Abs. 1 SMG, (des Vergehens nach) § 27 Abs. 1 SMG und (des Vergehens) nach § 50 Abs. 1 Z. 3 Waffengesetz zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der seit 2002 drogensüchtige Beschwerdeführer bis zu seiner Verhaftung am 28. September 2006 regelmäßig Kokain, Speed, Ecstasy sowie Cannabisprodukte konsumiert habe. Zum Zweck des Weiterverkaufs habe er im September 2006 ca. ein Kilogramm Cannabisharz um EUR 9.000,-- sowie 1.600 Ecstasy-Tabletten erworben. 300 Stück Ecstasy-Tabletten habe er (am 25. September 2006) einem unbekannten Abnehmer verkauft, die restlichen Tabletten hätten später bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt werden können. Zehn Kilogramm Cannabisharz habe er (am 28. September 2006) gemeinsam mit einem Mittäter einem verdeckten Ermittler verkaufen wollen. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung seien eine Pistole sowie Munition sichergestellt worden, zu deren Besitz der Beschwerdeführer nicht befugt gewesen sei.
Das genannte Urteil erfülle zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden lediglich zu seinem Adoptivvater. Mit diesem wohne der Beschwerdeführer weder im gemeinsamen Haushalt, noch sei er anlässlich der mit ihm aufgenommenen Niederschrift am 17. Oktober 2006 im Stande gewesen, dessen Vornamen, Familiennamen, Alter oder Wohnadresse auch nur annähernd richtig zu nennen.
Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr an. Auch unter Bedachtnahme auf den illegalen Besitz einer Faustfeuerwaffe sei die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als erheblich einzustufen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.
Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchgeführten Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers wiege selbst unter Berücksichtigung seiner unzähligen Beschäftigungsverhältnisse nicht schwer, werde doch die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das schwerwiegende und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Auch die Beziehung zum Adoptivvater, die dem Beschwerdeführer letztlich die Legalisierung seines Aufenthaltes in Österreich ermöglicht habe, könne nicht als besonders schwerwiegend angesehen werden. Der Beschwerdeführer sei längst volljährig und wohne nicht mit seinem Adoptivvater im gemeinsamen Haushalt. Er wisse über dessen grundlegende persönliche Daten offenbar nicht derart Bescheid, wie man es bei einem Vater-Sohn-Verhältnis nach herkömmlichen Maßstäben erwarten dürfte.
Das dem Beschwerdeführer sohin insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erweise sich daher als keinesfalls ausgeprägt. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Taten, insbesondere der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und daran, diesem fernzubleiben. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.
Es bestehe auch keine Veranlassung, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Schließlich begründete die belangte Behörde, weshalb sie die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von zehn Jahren für gerechtfertigt erachte.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, bleibt in der Beschwerde unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 1. März 2007 begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
1.2. Gegen die im angefochtenen Bescheid gemäß § 60 Abs. 1 FPG getroffene Gefährdungsannahme bringt der Beschwerdeführer vor, der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung allein vermöge die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht zu rechtfertigen. Dem Beschwerdeführer sei die Rechtswohltat einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe zuteil geworden. Die belangte Behörde habe nicht schlüssig dargestellt, weshalb sie von einer überaus hohen Wiederholungsgefahr ausgehe.
1.3. Vorauszuschicken ist, dass dem Beschwerdeführer - bereits mangels jeglichen Hinweises auf die Verwirklichung eines unionsrechtlichen Freizügigkeitssachverhaltes durch seinen österreichischen Adoptivvater - weder die Rechtsposition eines "begünstigten Drittstaatsangehörigen" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, noch - auf Grund seiner Volljährigkeit - jene eines "Familienangehörigen" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG zukommt. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer ist daher der Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 (iVm § 87) FPG nicht anzuwenden.
Im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 wurde dem Beschwerdeführer ein ab 23. August 2005 gültiger Niederlassungsnachweis erteilt. Dieser gilt gemäß § 11 Abs. 1 lit. C der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger".
Gegen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" oder "Daueraufenthalt - EG" verfügen, ist eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig (vgl. § 61 Z. 2 FPG). Sein weiterer Aufenthalt muss eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen.
§ 56 FPG fände auf den Beschwerdeführer jedoch nur dann Anwendung, wenn dieser über den unbefristeten Aufenthaltstitel bereits "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes", also zum Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände, verfügt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2007/21/0220, mwN). Da sich das gegenständliche Aufenthaltsverbot u.a. auf den bereits ab dem Jahr 2002 bis 28. September 2006 erfolgten Konsum von Suchtgiften durch den Beschwerdeführer stützt, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 56 FPG nicht vor. Die belangte Behörde hat bei ihrer Entscheidung somit zutreffend den Gefährdungsmaßstab des § 60 Abs. 1 FPG herangezogen.
Dem Beschwerdeführer ist u.a. vorzuwerfen, Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28 Abs. 6 SMG um mehr als das 25-fache übersteigenden Menge in Verkehr gesetzt zu haben. Auf Grund des seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Fehlverhaltens sowie im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnenden - von der belangten Behörde zutreffend aufgezeigten - Wiederholungsgefahr (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2011, Zl. 2007/18/0910, mwN), die im vorliegenden Fall angesichts des langen Tatzeitraumes von 2002 bis 28. September 2006 besonders augenscheinlich wurde, bestehen gegen die auf § 60 Abs. 1 FPG gestützte Gefährdungsannahme der belangten Behörde keine Bedenken.
Das Beschwerdevorbringen, das Strafgericht habe die verhängte Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen, führt angesichts des gravierenden Fehlverhaltens schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts zu treffen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2011/18/0014, mwN).
2.1. Die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung bekämpft der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seine zum Bundesgebiet bestehenden Bindungen, insbesondere zu seinem Adoptivvater, der österreichischer Staatsbürger sei, auf seinen langjährigen Aufenthalt und sein sonstiges Wohlverhalten.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung in Zweifel zu ziehen.
Die belangte Behörde hat die familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Adoptivvater und die große Anzahl seiner Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigt. Ihren Feststellungen, der Beschwerdeführer lebe mit dem Adoptivvater nicht im gemeinsamen Haushalt und sei bei seiner Vernehmung am 17. Oktober 2006 nicht in der Lage gewesen, dessen grundlegende persönliche Daten auch nur annähernd richtig zu nennen, tritt die Beschwerde nicht entgegen. Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, er hat keine Sorgepflichten. Angesichts des langen Tatzeitraumes fällt auch das von ihm behauptete, jedoch nicht konkretisierte "sonstige Wohlverhalten" nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht. Ungeachtet des dem Beschwerdeführer erst am 25. April 2003 erteilten Aufenthaltstitels war sein - den auf seine Angaben gestützten Feststellungen der belangten Behörde zufolge - ca. siebenjähriger Aufenthalt maßgeblich von seinem zur strafgerichtlichen Verurteilung geführt habenden Fehlverhalten geprägt.
Stellt man dem insgesamt somit keineswegs besonders ausgeprägten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet das große öffentliche Interesse insbesondere an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität gegenüber, so begegnet das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung keinen Bedenken.
3. Angesichts des dargestellten Fehlverhaltens und der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers (u.a.) wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z. 1 FPG) wäre eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2010, Zl. 2008/18/0478, mwN).
4. Schließlich ist auch die von der belangten Behörde gemäß § 63 Abs. 1 FPG festgelegte Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht zu beanstanden. In Anbetracht des gravierenden, langjährigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und seiner Lebenssituation kann die Auffassung, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf der festgelegten Frist nicht erwartet werden könne, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 16. Juni 2011
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