VwGH 2007/18/0818

VwGH2007/18/081812.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der MC in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. September 2007, Zl. UVS-FRG/4/525/2007-18, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde führte nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen begründend aus, dass die Beschwerdeführerin seit 1. Jänner 2007 Bürgerin der Europäischen Union und sowohl in Rumänien als auch in Österreich strafrechtlich unbescholten sei.

Zumindest seit 2002 sei die Beschwerdeführerin immer wieder in Österreich aufhältig gewesen. Sie habe über Vermittlung eines Bekannten den österreichischen Staatsbürger M. kennengelernt, den sie am 28. Dezember 2004 geheiratet habe.

Bei der Stellung ihres Erstantrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigte Drittstaatsangehörige" am 21. Jänner 2005 habe sich die Beschwerdeführerin auf diese Ehe berufen.

Als Ergebnis ihrer Beweiswürdigung hielt die belangte Behörde fest, Zweck der von der Beschwerdeführerin eingegangenen Ehe sei gewesen, ihr einen Aufenthaltstitel sowie die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet als Ehefrau eines Österreichers zu verschaffen. Es habe bei dieser Eheschließung von vornherein keine Absicht bestanden, jeweils ein dem Art. 8 EMRK und dem Wesen der Ehe entsprechendes Eheleben zu führen. Sie habe damit den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht. Es lägen sowohl die Voraussetzungen des § 60 FPG als auch jene des § 86 Abs. 1 FPG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vor.

Auch im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG sei das Aufenthaltsverbot zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Bei diesem Ergebnis sei auch bei Ausübung des der Behörde zustehenden Ermessens ein Abstandnehmen von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht gekommen.

Im Rahmen der Begründung der festgesetzten Dauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde unter anderem aus, die von der Beschwerdeführerin gesetzte Handlung habe in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens beeinträchtigt. Es bedürfe daher eines geraumen, nicht zu gering anzusetzenden Zeitraumes der Beobachtung des Wohlverhaltens der Beschwerdeführerin, um sicherzustellen, dass sie nicht neuerlich das von ihr gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen werde, und gewährleistet sei, dass sie keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Österreich mehr hervorrufen werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin ist - was die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - gemäß § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste und auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2008/18/0598, mwN).

2. Bei der Beurteilung, ob die Annahme im Sinn des § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG gerechtfertigt sei, dürfen Änderungen in den Lebensumständen des Fremden, die gegen den Fortbestand einer Gefährdungsprognose sprechen, nicht ausgeklammert werden. Von der Beschwerdeführerin, die vor Erlassung des angefochtenen Bescheides als Unionsbürgerin freizügigkeitsberechtigt geworden ist, ist jedenfalls nicht mehr zu befürchten, dass sie eine Ehe schließt, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zu führen, um sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe zu berufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2007/18/0802, mwN).

Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannt und ihre Entscheidung - auch was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 63 FPG anlangt - unter anderem mit der Gefahr begründet hat, dass die Beschwerdeführerin (wieder) eine Aufenthaltsehe zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile schließen könnte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb auf die in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel nicht mehr einzugehen war.

3. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. April 2011

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