VwGH 2007/15/0299

VwGH2007/15/029928.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in den Beschwerdesachen des J M in G, vertreten durch Lippitsch Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 31. Oktober 2007,

1. GZ RV/0733-G/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung betreffend Endgültigerklärung von Einkommensteuerbescheiden für 2002 und 2003, sowie 2. GZ RV/0199-G/07 und RV/0200-G/07, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 2002) und Einkommensteuer 2002,

Normen

BAO §200;
BAO §243;
BAO §246 Abs1;
BAO §273 Abs1 lita;
BAO §289;
BAO §303 Abs4;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1;
VwRallg;
BAO §200;
BAO §243;
BAO §246 Abs1;
BAO §273 Abs1 lita;
BAO §289;
BAO §303 Abs4;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Das Beschwerdeverfahren gegen den erstangefochtenen Bescheid Zl. RV/0733-G/06, wird, soweit Einkommensteuer 2003 betroffen ist, eingestellt;

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid GZ RV/0733-G/06 wird im Übrigen, also soweit Einkommensteuer 2002 betroffen ist, als unbegründet abgewiesen.

Der zweitangefochtene Bescheid GZ RV/0199-G/07 und RV/0200- G/07 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 2.572,80 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte für die Streitjahre 2002 und 2003 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 34.159,90 EUR (2002) und 1.368 EUR (2003). Zusätzlich erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer (bereits im Jahr 1998 begonnenen) Tätigkeit als Musiker und Komponist, und zwar solche von - 20.615 EUR (2002) und 2.000 EUR (2003).

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2002 und 2003 erklärungsgemäß fest, allerdings mit gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufigen Bescheiden (Ausfertigungsdatum 11. März 2004), weil es der Ansicht war, dass hinsichtlich der Einkunftsquelleneigenschaft der Tätigkeit als Musiker und Komponist Unsicherheit bestehe. In der gegen diese Bescheide eingebrachten Berufung vom 25. August 2004 bekämpfte der Beschwerdeführer die Vorläufigkeit der Bescheide.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 2005 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Aus der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben von 1998 bis 2003 sei erkennbar, dass die Tätigkeit von einem ernsthaften Bestreben zur Einnahmenerzielung gekennzeichnet sei und sich nach Art, Umfang und Intensität von der Tätigkeit anderer - allenfalls hauptberuflich tätiger - Musiker nicht grundlegend unterscheide. Der Beschwerdeführer absolviere regelmäßig Konzertauftritte und trete am Musikmarkt durch eigene Produktionen in Erscheinung. Die angebotenen Leistungen fänden beim Publikum entsprechende Nachfrage und Akzeptanz. Der Beschwerdeführer entfalte in der Öffentlichkeit ein werbendes Engagement. Er ziehe bei der Vermarktung eigener Leistungen Fremdkräfte heran, was branchenüblich sei. Die der Musikausübung unmittelbar zuordenbaren Einnahmen und Ausgaben (etwa Konzert- und Verkaufserlöse von ca. 538.000 S) sowie Investitionen für Musikinstrumente und technische Ausstattung indizierten eine professionelle Gestaltung. Die im überblickbaren Zeitraum erwirtschafteten Gesamteinnahmen von ca. 964.000 S und Gesamtausgaben von ca. 2,3 Mio. S überschritten einen für musikalische Hobbytätigkeiten nach der Verkehrsauffassung typischen Rahmen bei weitem. Es liege daher eine Betätigung nach § 1 Abs. 1 LVO vor.

Bei einer Betätigung nach § 1 Abs. 1 LVO lägen Einkünfte vor, wenn sie durch die Absicht veranlasst sei, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Es bleibe zu untersuchen, ob die Betätigung nach Maßgabe der in § 2 Abs. 1 LVO genannten Kriterien geeignet sei, die Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen anhand objektiver Umstände zu erweisen.

Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage iSd § 2 Abs. 1 Z 6 LVO seien im gegenständlichen Fall darin zu erblicken, dass der Beschwerdeführer seine Musikgruppe im Jahr 2003 neu formiert habe, Konzertauftritte gegenüber den Vorperioden deutlich intensiviert habe und sein wirtschaftliches Engagement offenbar auf den musikalischen Erwerbszweig verlagert habe. Weiters habe der Beschwerdeführer seine Werbeaktivitäten wesentlich verstärkt.

Eine eindeutige Aussage darüber, ob die Betätigung objektiv geeignet sei, einen Gesamtgewinn abzuwerfen, könne allerdings auch im Gesamtbild nicht getroffen werden, weil ein Teil der Kriterien für Liebhaberei spreche (Missverhältnis des Gewinnes 2003 zu den Verlusten der Vorjahre, die Umsatzhöhe übersteigende Verluste), ein anderer Teil hingegen dagegen (marktgerechtes Verhalten und Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage). Unklar bleibe nach dem derzeitigen Wissensstand, ob es dem Beschwerdeführer gelingen werde, seine Einnahmen zu festigen oder zu steigern, ob er Aufwendungen minimieren oder zumindest auf dem bestehenden Niveau halten könne, und ob sich das positive Ergebnis im Jahr 2003 nicht bloß als ein Zufallsgewinn herausstelle. Da eine taugliche Prognose über die zukünftige Entwicklung der Ertragsituation derzeit (noch) nicht möglich sei, habe das Finanzamt die Abgabenfestsetzungen zutreffend gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig vorgenommen.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 2007 nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und führte zur Begründung aus, dass ihm für diesen Zeitraum ein berichtigter Lohnzettel (dieser weist im Vergleich zum bisherigen Lohnzettel zusätzliche Bezüge von 288.600,43 EUR aus) übermittelt worden sei. Im zugleich erlassenen neuen Einkommensteuerbescheid 2002 wurden die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in berichtigter Höhe von 322.760,33 EUR angesetzt.

In der Berufung vom 14. Februar 2007 wird gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens vorgebracht, dass keine Tatsachen neu hervorgekommen seien. Der Beschwerdeführer habe nämlich die nicht korrekte Lohnabrechnung durch seinen früheren Dienstgeber bereits mittels Selbstanzeige vom 13. August 2002 bekannt gegeben und dabei ausgeführt, dass er im Jahr 2002 zusätzlich einen der Einkommensteuer unterliegenden Geldbetrag von insgesamt 291.963,11 EUR (4,017.500 S) bezogen habe. Diese Umstände seien damit bereits vor der Ausfertigung des vorläufigen Einkommensteuerbescheides 2002 vom 11. März 2004 bekannt gewesen.

In Bezug auf die Vorläufigkeit des Einkommensteuerbescheides 2002 wird in der Berufung begehrt, die Einkommensteuer - entsprechend den Beträgen in der seinerzeit eingereichten Einkommensteuererklärung - nunmehr mit endgültigem Bescheid festzusetzen. Der Beschwerdeführer erziele aus seiner (früher nebenberuflich betriebenen) musikalischen Tätigkeit seit dem Jahr 2003 ausschließlich Gewinne. Diese Betätigung stelle nach der Beendigung seines Dienstverhältnisses im Jahr 2002 seinen Hauptberuf dar.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2007 (zweitangefochtener Bescheid) wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid als unbegründet ab, gab aber der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 insofern Folge, als sie gemäß § 200 Abs. 2 BAO eine Endgültigerklärung aussprach.

Der Beschwerdeführer habe durch seinen Rechtsanwalt im August 2002 bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz eine Selbstanzeige eingebracht, die auch dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion übermittelt worden sei. Darin sei eine Abgabenverkürzung aus unrichtigen Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum 1998 bis 2002 in Höhe von insgesamt 351.000 S angegeben und weiters auf die Übertragung von Prämien in Gesamthöhe von 3,6 Mio. S aus einer vom früheren Dienstgeber einbezahlten Kapitalversicherung auf den Beschwerdeführer (anlässlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses im April 2002) hingewiesen worden.

In einem Schreiben vom 11. Februar 2004 an den Vorstand des Finanzamtes habe der Beschwerdeführer auf die eingereichte Selbstanzeige hingewiesen. Eine Kopie der Selbstanzeige sei vom Beschwerdeführer sodann am 5. Mai 2004 per Telefax auch an den Sachbearbeiter für die Einkommensteuerveranlagung am Finanzamt übermittelt worden.

Nach Ansicht der belangten Behörde stehe somit fest, dass die bei der Finanzstrafsachenstelle im Jahr 2002 eingereichte Selbstanzeige erst nach dem Ergehen des vorläufigen Einkommensteuerbescheides 2002 vom 11. März 2004, nämlich im Mai 2004, an die für die Einkommensteuerveranlagung zuständige Organisationseinheit des Finanzamtes übermittelt worden sei. Dazu komme, dass der Sachverhalt der Selbstanzeige unvollständig gewesen sei. Klarheit über die maßgebliche Sachlage, nämlich die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sei erst im weiteren Verfahrensverlauf aufgrund der beim früheren Dienstgeber des Beschwerdeführers durchgeführten Lohnsteuerprüfung geschaffen worden. Diese Prüfung habe am 12. Juli 2004 begonnen und mit Schlussbesprechung vom 19. Oktober 2004 ihr Ende gefunden. (Aus OZ 13 des Verwaltungsaktes ergibt sich, dass der berichtigte Lohnzettel in der Zeit von 19. Oktober bis 3. November 2004 in die EDV der Finanzverwaltung eingespeist worden ist.)

Damit seien nach der Ausfertigung des vorläufigen Einkommensteuerbescheides vom 11. März 2004 aus der Sicht des Einkommensteuerverfahrens 2002 "aufgrund der späteren Feststellungen des Lohnsteuerprüfers" Tatsachen neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO rechtfertigten. Die für das Streitjahr 2002 nach der Schlussbesprechung vom 19. Oktober 2004 berichtigten "Lohnzetteldaten" seien dem Sachbearbeiter des Finanzamtes für die betriebliche Veranlagung im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides noch nicht vorgelegen. Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO lägen daher vor.

Gemäß § 200 Abs. 1 BAO könne die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich sei. Zur Frage der vorläufigen Abgabenfestsetzung habe die belangte Behörde in der Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 die Auffassung vertreten, dass wegen der kurzen Zeitspanne zwischen der Betriebseröffnung (1998) und dem letzten Streitjahr (2003) noch keine endgültige Aussage über das Vorliegen einer Einkunftsquelle oder steuerlich unbeachtlicher Liebhaberei getroffen werden könne.

Im Erkenntnis vom 20. April 2006, 2004/15/0038, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die in § 2 Abs. 1 Z 6 LVO angesprochenen Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage einen Hinweis auf die Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen darstellten. Es gehe dabei nicht darum, die Betätigung danach zu untersuchen, ob sie objektiv geeignet sei, Gewinne abzuwerfen, sondern vielmehr darum, ob die einzelnen Maßnahmen darauf gerichtet seien, Erträge zu erhöhen bzw. Aufwendungen zu mindern, und ob daraus der Schluss gezogen werden könne, dass die subjektive Einstellung des Steuerpflichtigen auf Gewinnerzielung gerichtet sei.

Die Rechtsprechung stelle sohin bei typisch erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten iSd § 1 Abs. 1 LVO im Zuge der Kriterienprüfung vor allem darauf ab, ob die vom Steuerpflichtigen gesetzten Verbesserungsmaßnahmen ihrer Art nach geeignet seien, eine Ertragssteigerung herbeizuführen.

Da in der Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 bestimmte Maßnahmen des Jahres 2003 (insb. Neuformation der Musikgruppe, Intensivierung von Konzertauftritten, Verlagerung des wirtschaftlichen Engagements auf den musikalischen Erwerbszweig) bereits als Besserungsmaßnahmen iSd § 2 Abs. 1 Z 6 LVO angesehen worden seien und die (im Zeitpunkt jener Berufungsentscheidung vorgelegene) Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung in den anschließenden Perioden habe beseitigt werden können - im Zeitraum 2003 bis 2005 seien positive Betriebsergebnisse erzielt worden -, wäre im Rahmen einer neuerlichen Bescheiderlassung (aus der Sicht des Jahres 2007) schon für das Jahr 2002 eine endgültige Beurteilung zu treffen gewesen. Der Wandel von der bisherigen Nebentätigkeit zum Hauptberuf stelle zudem eine Strukturverbesserung dar und dokumentierte die Absicht, die Tätigkeit als Musiker, Komponist und Sänger gewinnorientiert zu betreiben.

Der am 23. Jänner 2007 ergangene vorläufige Einkommensteuerbescheid 2002 des Finanzamtes sei demnach gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig zu erklären. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien aber mit dem vom Finanzamt berichtigt angesetzten und der Höhe nach unbestrittenen Betrag von 322.760,33 EUR anzusetzen.

Bereits mit Antrag vom 27. September 2006 hatte der Beschwerdeführer begehrt, die für die Jahre 2002 und 2003 vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig zu erklären, weil er aus seiner (zunächst nebenberuflichen) musikalischen Tätigkeit seit dem Jahr 2003 ausschließlich Gewinne erziele und diese Betätigung seit der Beendigung seines Dienstverhältnisses im Jahr 2002 auch seinen Hauptberuf darstelle.

Mit Bescheid vom 17. November 2006 wies das Finanzamt diesen Antrag mit dem Hinweis auf die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 24. März 2005 ab. Zur Begründung führte es aus, die Hauptberuflichkeit einer Tätigkeit stelle nur eines von mehreren Merkmalen für die Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft dar. Ein Betätigungszeitraum von unter 10 Jahren sei zu kurz, um bei einer künstlerischen Tätigkeit eine solche Beurteilung vornehmen zu können.

Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. November 2006 Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid, den die belangte Behörde zeitgleich mit dem zweitangefochtenen Bescheid erließ, wurde diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung des erstangefochtenen Bescheides wird ausgeführt, die Berufungsbehörde habe die Berufung gegen einen Bescheid des Finanzamts gemäß § 273 Abs. 1 lit a BAO zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig sei. Eine Berufung sei u.a. dann unzulässig, wenn die Abgabenbehörde in ein und derselben Sache bereits einmal rechtskräftig entschieden habe. Die Rechtskraftwirkung von Bescheiden habe zur Folge, dass in den Bestand der Bescheide nur insoweit eingegriffen werden dürfe, als entsprechende, auf Durchbrechung der Rechtskraft gerichtete gesetzliche Tatbestände vorlägen. Anträge, denen die materielle Rechtskraft einer bereits vorliegenden Entscheidung entgegenstehe, seien daher wegen "entschiedener Sache" zurückzuweisen.

In diesem Zusammenhang sei ausschlaggebend, ob die bereits entschiedene Sache mit jener ident sei, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt werde. Identität werde angenommen, wenn weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten sei und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren decke.

Die Frage der Endgültigerklärung der vorläufigen Abgabenbescheide für die Streitjahre 2002 und 2003 sei bereits Gegenstand eines Berufungsverfahrens gewesen. In diesem Verfahren habe die belangte Behörde über die Berufung betreffend Einkommensteuerbescheid 2002 und 2003 mit Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 rechtskräftig entschieden und unter Bejahung der künstlerischen Tätigkeit als Einkunftsquelle iSd § 1 Abs. 1 LVO u. a. ausgesprochen, dass die vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheide unverändert blieben.

Die Ausführungen im neuerlich erhobenen Antrag auf Endgültigerklärung der Bescheide betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 unterschieden sich nicht wesentlich von den bereits früher vorgetragenen Sachumständen. Die belangte Behörde habe in der Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 darauf Bedacht genommen, dass der Beschwerdeführer sein wirtschaftliches Engagement im Jahr 2003 auf den musikalischen Erwerbszweig verlagert und in diesem Jahr ein positives Betriebsergebnis erzielt habe. Die Berufung vom 27. November 2006 sei daher zurückzuweisen gewesen. Hinsichtlich Einkommensteuer 2002 werde auf den zweitangefochtenen Bescheid verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid und jene gegen den zweitangefochtenen Bescheid wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat über die Beschwerden erwogen:

Zweitangefochtener Bescheid (Zl. 2007/15/0300):

§ 303 Abs. 4 BAO lautet:

"Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist (...) in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Mit dem Vorbringen, die Wiederaufnahme eines durch vorläufigen Bescheid iSd § 200 Abs. 1 BAO abgeschlossenen Verfahrens sei nicht zulässig, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Für die Beurteilung der Berechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens ist es nicht relevant, ob das bisherige Verfahren durch einen vorläufigen oder durch einen endgültigen Bescheid abgeschlossen worden ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2917).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das Finanzamt und die belangte Behörde wären zu Unrecht von neu hervorgekommenen Tatsachen ausgegangen, habe er doch bereits in seiner Selbstanzeige vom 11. Februar 2004 den Sachverhalt offen gelegt. Dieses Vorbringen zeigt schon aus folgendem Grund keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheid hat das Finanzamt die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den Betrag von 288.600,43 EUR erhöht. Dass tatsächlich zusätzliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 288.600,43 EUR vorliegen, stellt der Beschwerdeführer nicht in Streit. Sein Vorbringen besteht darin, dass diese Einkünfte bereits mit der Selbstanzeige den Abgabenbehörden bekannt gegeben worden sind.

Nun trifft es zwar zu, dass sich aus der Selbstanzeige bisher nicht erklärte Einkünfte von insgesamt sogar 291.963,11 EUR (4,017.500 S) ergeben. Nach der Darstellung in der Selbstanzeige entfallen von diesem Betrag aber vier Mal 156.000 S und vier Mal

26.600 S, sohin in Summe 730.400 S, also über 50.000 EUR, nicht auf das Veranlagungsjahr 2002, sondern auf andere Veranlagungsjahre. Hinsichtlich des Streitjahres 2002 ergibt sich sohin aus der Selbstanzeige bloß ein Wert, der deutlich unter dem Betrag von 288.600,43 EUR liegt. Solcherart ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der für das Streitjahr 2002 relevante Betrag der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erst im Zug der am 12. Juli 2004 begonnenen und im November 2004 beendeten Lohnsteuerprüfung der Behörde bekannt geworden ist.

Die Beschwerde erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als berechtigt.

Bei Erlassung des Wiederaufnahmebescheides des Finanzamtes ist das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 nicht, wie im angefochtenen Bescheid angenommen, mit dem Bescheid des Finanzamtes vom 11. März 2004 beendet gewesen, sondern mit der Berufungsentscheidung betreffend u.a. Einkommensteuer 2002 vom 24. März 2005. Eine rechtmäßige Wiederaufnahme könnte sich daher nur auf nach dem Ergehen der Berufungsentscheidung betreffend u. a. Einkommensteuer 2002 vom 24. März 2005 neu hervorgekommene Umstände stützen. Die belangte Behörde hat auf Grund eines Rechtsirrtums verkannt, dass das wiederaufzunehmende Verfahren nicht mit dem Bescheid des Finanzamtes, sondern mit der genannten Berufungsentscheidung abgeschlossen worden ist. Sie hat den zweitangefochtenen Bescheid daher, soweit er die Wiederaufnahme des Verfahrens betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Diese Rechtswidrigkeit hat auch die Rechtswidrigkeit des die Einkommensteuer 2002 betreffenden Abspruchs des zweitangefochtenen Bescheides zur Folge, hängt doch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergehende Sachbescheid von der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme ab.

Der zweitangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Erstangefochtener Bescheid (Zl. 2007/15/0299):

Steht der meritorischen Entscheidung über einen an das Finanzamt gerichteten Antrag die Rechtskraftwirkung eines bereits im Rechtsbestand befindlichen Bescheides entgegen, so hat das Finanzamt den Antrag zurückzuweisen.

Gegen einen Bescheid des Finanzamtes ist - von Fällen eines gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses, wie jenem nach § 244 BAO, abgesehen - gemäß § 243 BAO die Berufung zulässig. Gemäß § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Berufung jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer beim Finanzamt den Antrag vom 27. September 2006 auf Endgültigerklärung der gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 eingereicht und damit begründet, es bestehe keine Ungewissheit mehr darüber, dass seine Betätigung als Musiker keine Liebhaberei darstelle. Das Finanzamt hat den Antrag mit Bescheid vom 17. November 2006 abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat Berufung gegen diesen an ihn ergangenen Abweisungsbescheid erhoben. Eine solche Berufung erweist sich als zulässig. Der meritorischen Entscheidung über eine solche Berufung steht insbesondere nicht die Rechtskraft eines denselben Zeitraum betreffenden Einkommensteuerbescheides entgegen.

Die belangte Behörde hat sohin, weil sie im Hinblick auf die Rechtskraft der Einkommensteuerfestsetzung die Berufung gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes als unzulässig beurteilt und mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung nach § 273 Abs. 1 lit a BAO zurückgewiesen hat, die Rechtslage verkannt.

In diesem Zusammenhang kommt es jedoch hinsichtlich Einkommensteuer 2002 entscheidend auf Folgendes an: Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2002 ist der vorläufige Einkommensteuerbescheid, auf den sich der Antrag auf Endgültigerklärung seinem Inhalt nach bezogen hat, aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Dieser Antrag auf Endgültigerklärung ist damit, nämlich mit dem Wegfall des angesprochenen vorläufigen Einkommensteuerbescheides 2002, unzulässig geworden. Die Unzulässigkeit ist erst während des Verfahrens über die Berufung gegen Bescheid des Finanzamt, mit welchem den in Rede stehenden Antrag auf Entgültigerklärung abgewiesen hat, eingetreten. Über diese Berufung hätte die belangte Behörde solcherart dahingehend zu entscheiden gehabt, dass sie den bekämpften Abweisungsbescheid behebt und den Antrag (weil unzulässig geworden) zurückweist. Die belangte Behörde hat aber mit dem erstangefochtenen Bescheid nicht den Antrag auf Endgültigerklärung, sondern - rechtswidrig - die Berufung zurückgewiesen. Allerdings ist der Beschwerdeführer durch diese Entscheidung der belangten Behörde im Rahmen des Rechts auf Endgültigerklärung nicht in subjektiven Rechten verletzt. Soweit der erstangefochtene Bescheid Einkommensteuer 2002 betrifft, war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Zu beachten ist, dass die Rechtskraft eines gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufigen Abgabenbescheides der Endgültigerklärung des Bescheides insofern nicht entgegensteht, als, wenn keine Ungewissheit iSd § 200 Abs. 1 und 2 BAO mehr besteht, jedenfalls ein endgültiger Bescheid erlassen werden darf. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem ebenfalls einen Antrag auf Endgültigerklärung eines Einkommensteuerbescheides betreffenden Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, 2006/15/0075, zu Recht erkannt, selbst wenn bei Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides - objektiv gesehen - keine Ungewissheit bestanden haben sollte, dürfe auf die vorläufige Abgabenfestsetzung jedenfalls eine endgültige Abgabenfestsetzung folgen.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sei im gegebenem Zusammenhang auch auf Folgendes hingewiesen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist, da die LVO bei Betätigungen iSd § 1 Abs. 1 LVO im allgemeinen das subjektive Gewinnstreben in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, im Rahmen der durch § 2 Abs. 1 LVO normierten Kriterienprüfung das Schwergewicht auf die bis zum jeweiligen Veranlagungsjahr eingetretene Entwicklung zu legen. Das Schwergewicht liegt somit nicht auf der Entwicklung nachfolgender Veranlagungsjahre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, 96/15/0219, VwSlg. 7.687/F, und nochmals das hg Erkenntnis 2006/15/0075). Mit dieser Rechtsprechung wird allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen der Kriterienprüfung der nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungsjahres eintretenden Entwicklung überhaupt keine Bedeutung zukäme. Die Kriterien nach § 2 Abs. 1 LVO stellen Indizien dar, auf Grund derer auf das subjektive Gewinnstreben des Steuerpflichtigen im maßgeblichen Veranlagungsjahr geschlossen werden kann. Eine gewisse Indizwirkung auf das subjektive Streben des Steuerpflichtigen kann auch später in Erscheinung getretenen objektiven Umständen zukommen.

Im zweitangefochtenen Bescheid begründet die belangte Behörde den Wegfall der Ungewissheit iSd § 200 BAO hinsichtlich der Anerkennung der Musikertätigkeit des Beschwerdeführers als Einkunftsquelle u.a. damit, dass im Unterschied zu den objektiven Gegebenheiten, die bei Erlassung der Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 berücksichtigt werden konnten, mittlerweile die "Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung in den anschließenden Perioden beseitigt werden konnte - im Zeitraum 2003 bis 2005 wurden positive Betriebsergebnisse ... erzielt". Dem Finanzamt ist es nicht verwehrt, für die Frage der Endgültigerklärung (des Einkommensteuerbescheides 2002) auf diesen Umstand Bedacht zu nehmen.

Hinsichtlich Einkommensteuer 2003 hat das Finanzamt mit Bescheid vom 5. August 2008, also nach Einbringung der gegenständlichen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, den vorläufigen Abgabenbescheid zum endgültigen erklärt. Auf diesen Umstand hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 11. August 2008 hingewiesen.

Soweit der erstangefochtene Bescheid (die Berufung hinsichtlich) Einkommensteuer 2003 betrifft, kann nunmehr, da die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren begehrte Endgültigerklärung bereits erfolgt ist, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides keine Änderung mehr erfahren. Wird ein Beschwerdeführer - infolge nach Beschwerdeerhebung eingetretener Umstände - mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt als ohne eine derartige Entscheidung über die Beschwerde, so führt dies zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 41).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid, soweit er Einkommensteuer 2002 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Im Übrigen war das den erstinstanzlichen Bescheid betreffende Beschwerdeverfahren - die Entscheidung erfolgte in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 2008/455.

Wien, am 28. Mai 2009

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