VwGH 2007/13/0135

VwGH2007/13/013517.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch die Houf Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 27. September 2007, Zl. RV/0739-W/07, betreffend Nachsicht (§ 236 BAO) von Einkommensteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236;
BAO §236;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Jänner 2004 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2001 mit rund

51.500 EUR fest.

Auf Grund einer dagegen erhobenen Berufung setzte das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Dezember 2004 die Einkommensteuer für 2001 mit rund 43.300 EUR fest.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein.

Mit Schriftsatz vom 1. September 2006 beantragte der Beschwerdeführer neben der Aussetzung der Einhebung und der Ratenzahlung hinsichtlich näher angeführter Beträge die Nachsicht gemäß § 236 BAO hinsichtlich einer restlichen Abgabenschuld in Höhe von 8.565,20 EUR, welche sich aus dem "Restbetrag der Einkommensteuer 2001, Säumniszuschlägen, Stundungszinsen, Pfändungsgebühren, Anspruchszinsen und Aussetzungszinsen" zusammensetze. Der Beschwerdeführer sei als Gesellschafter-Geschäftsführer nach dem Konkurs der L-GesmbH im Jahr 2001 zur Haftung für Gesellschaftsschulden herangezogen worden und habe Beträge in Höhe von rund 79.000 EUR leisten müssen, welche er bei der Erklärung seiner Einkommensteuer für 2001 als Betriebsausgaben geltend gemacht habe. Im Zuge eines außergerichtlichen Vergleiches mit den Gläubigern der Gesellschaft habe der Beschwerdeführer im Jahr 2001 weitere Zahlungen leisten müssen, welche nicht den Charakter von Betriebsausgaben hätten. Weiters sei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 22. März 2005, mit welchem diese den Beschwerdeführer im Instanzenzug zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der L-GesmbH in Höhe von rund 49.000 EUR herangezogen habe, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Dadurch sei das Einkommen des Jahres 2001 zur Gänze verbraucht worden und der Beschwerdeführer werde zusätzlich auf sein gesamtes Privatvermögen zurückgreifen müssen, um die Verbindlichkeiten bedienen zu können. Seit 1. Jänner 2004 verfüge der Beschwerdeführer über kein Einkommen mehr. Obwohl kein persönlicher Vermögenszuwachs im Jahr 2001 stattgefunden habe und obwohl er auf Privatvermögen für den außergerichtlichen Ausgleich habe zurückgreifen müsse, sei Einkommensteuer für 2001 festgesetzt worden, was er als unbillig erachte.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Nachsicht mit Bescheid vom 29. Dezember 2006 ab.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, im September 2006 habe er eine Aufsichtsratstätigkeit im Ausland für zumindest ein Jahr angenommen, wodurch ihm eine Entlohnung von monatlich rund 8.000 EUR zufließen werde. Daraus werde er Raten in Höhe von 3.000 EUR dem Finanzamt abstatten können. Sollte dem Antrag auf Nachsicht nicht stattgegeben werden, müsste er ein Schuldenregulierungsverfahren beantragen. Da durch die Einhebung die Existenz des Beschwerdeführers gefährdet sei, liege persönliche Unbilligkeit vor.

In der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung am 27. September 2007 brachte der Beschwerdeführer vor, er sehe eine sachliche Unbilligkeit in der Einbringung der Einkommensteuer für 2001 darin, dass das in diesem Jahr erzielte Einkommen völlig für Ausgleichszahlungen nach einem Konkursverfahren aufgegangen sei, welchen jedoch nur teilweise eine steuerliche Abziehbarkeit zugekommen sei. Daher seien betreffend die Einkommensteuer 2001 keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen und er habe keine Vorsorge für die Entrichtung dieser Abgabe treffen können. Zu seiner Einkommenslage brachte der Beschwerdeführer vor, er habe von August 2006 bis einschließlich August 2007 monatliche Einkünfte in Höhe von 8.400 EUR erzielt, erziele derzeit aber kein Einkommen. Ab Jänner 2008, möglicherweise schon ab Dezember 2007, werde er ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von

5.400 EUR eingehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe keine sachliche Unbilligkeit aufgezeigt, weil im Umstand, dass die Voraussetzungen für einen Betriebsausgabenabzug nicht vorlägen, keine unbillige Härte der Einbringung erblickt werden könne. Einen von den Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage abweichenden atypischen Vermögenseingriff habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt.

Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer sei derzeit arbeitslos, beziehe kein Einkommen und verfüge über keinerlei Privatvermögen. Bei dieser Sachlage erachte die belangte Behörde die Abgabenschulden als derzeit uneinbringlich. Da keine Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung gegeben sei, liege keine Unbilligkeit der Einhebung vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer gerade noch ersichtlich im Recht auf Gewährung von Abgabennachsicht verletzt erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Vermeint die Abgabenbehörde - wie im Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein. Gemäß § 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleich käme.

Die Feststellungen der belangten Behörde über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse bekämpft der Beschwerdeführer nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Entscheidung bei Nachsichtsersuchen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (vgl. das von der belangten Behörde zutreffend zitierte hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, 91/13/0023, sowie aus jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2010, 2006/15/0278, und vom 24. Juni 2010, 2008/15/0221).

Ist die Abgabenschuld nach den unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich nicht einbringlich, liegt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO vor (vgl. das von der belangten Behörde zutreffend zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2001, 2001/15/0033, sowie das erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. April 2010).

Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der genannten Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 beispielsweise aufgezählten und hier nicht in Betracht kommenden Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010, 2006/15/0337, mwN) anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigen Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.

Der Beschwerdeführer trägt vor, im Rahmen eines Konkurs- und Ausgleichsverfahrens einer GesmbH sei er durch seine unbeschränkte Haftung als deren Gesellschafter-Geschäftsführer zu Zahlungen herangezogen worden, die bei der Einkommensteuerveranlagung 2001 nur teilweise als Betriebsausgaben hätten geltend gemacht werden können, weshalb er wirtschaftlich nur einen sehr geringen Vermögenszuwachs erzielt habe, während er dieses zu diesen Zahlungen verwendete Einkommen versteuern müsse. Damit zeigt der Beschwerdeführer keine sachliche Unbilligkeit auf. Dass Zahlungen nicht als Betriebsausgaben absetzbar, sondern als Verwendung des zu versteuernden Einkommens des Beschwerdeführers anzusehen sind, ist kein vom Gesetzgeber unbeabsichtigtes Ergebnis.

Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. November 2010

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