VwGH 2007/10/0209

VwGH2007/10/020929.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der M S in G, vertreten durch Dr. Hans und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. August 2007, Zl. FA11A-32-1039/2005-13, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Stmk 1998 §1 Abs1;
SHG Stmk 1998 §10;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Stmk 1998 §7 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
SHG Stmk 1998 §1 Abs1;
SHG Stmk 1998 §10;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Stmk 1998 §7 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. August 2007 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. April 2004 auf Übernahme der durch ihre Pension und das ihr zukommende Pflegegeld nicht gedeckten Kosten ihrer Heimunterbringung abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei Hälfteeigentümerin zweier Liegenschaften, der Liegenschaft EZ 138 und der Liegenschaft EZ 1716, beide KG L., gewesen. Mit Schenkungsvertrag vom 2. September 1998 habe sie einen 1/10 Anteil der Liegenschaft EZ 138 ihrem Neffen, Dr. Bernhard K., geschenkt und mit Übergabsvertrag vom 4. November 2002 den verbleibenden 4/10 Anteil dieser Liegenschaft und den Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 1716 ihrer Schwester Rosa K. übergeben; Rosa K. habe dafür im Einzelnen genannte Gegenleistungen übernommen. Am 4. November 2002 habe sich die Beschwerdeführerin bereits seit 5 Wochen im Heim befunden; der Notariatsakt betreffend den Übergabsvertrag sei im Heim aufgenommen worden. Damals sei bereits abzusehen gewesen, dass die Beschwerdeführerin auf unbestimmte Zeit Pflege in Anspruch werde nehmen müssen und dass ihr Einkommen dafür nicht ausreichen werde. Zwei Tage nach Übertragung der Liegenschaftsanteile an Rosa K. habe die Beschwerdeführerin in einem Sozialhilfegewährungsverfahren, das wegen Zurückziehung des Sozialhilfeantrages in der Folge jedoch wieder eingestellt worden sei, angegeben, sie verfüge weder über ein Sparbuch, noch über ein Haus, eine Eigentumswohnung, über Grundbesitz oder Barmittel. Der Übergabsvertrag vom 4. November 2002 sei als Schenkungsvertrag zu beurteilen. Er sei gemäß § 879 ABGB sittenwidrig und daher nichtig. Ob die Schenkung an Rosa K. - wie die Beschwerdeführerin behauptet habe - schon vor der Heimunterbringung betrieben worden sei, sei rechtlich irrelevant. Die Beschwerdeführerin sei daher nach wie vor als Eigentümerin der Liegenschaftsanteile anzusehen, die Geschenknehmerin sei lediglich "bücherliche Scheineigentümerin". Zwar sei eine Verwertung des Anteiles der Beschwerdeführerin an der Liegenschaft EZ 138 - aus näher dargestellten Gründen - "beeinträchtigt". Möglich und zumutbar sei ihr allerdings die Verwertung des Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ 1716. Unter Berücksichtigung des Verkehrswertes dieses Liegenschaftsanteiles (EUR 55.200,--) stünden der Beschwerdeführerin daher ausreichend eigene Mittel zur Abdeckung der Kosten der Heimunterbringung zur Verfügung. Eine Notlage iSd Stmk Sozialhilfegesetzes liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Stmk Sozialhilfegesetz 1998 (Stmk SHG) soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Die Sozialhilfe umfasst gemäß § 1 Abs. 1 Stmk SHG

  1. a) Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes,
  2. b) Hilfe in besonderen Lebenslagen,
  3. c) soziale Dienste.

    Zum Lebensbedarf gehört gemäß § 7 Abs. 1 lit. b Stmk SHG die erforderliche Pflege iSd § 9 Stmk SHG, die u.a. die Pflege in geeigneten stationären Einrichtungen umfasst (§ 9 Abs. 2 lit. b Stmk SHG).

    Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht für Personen, die den Lebensbedarf für sich (und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen) nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, gemäß § 4 Abs. 1 Stmk SHG ein Rechtsanspruch nach Maßgabe des II. Abschnittes des Stmk SHG.

    Hilfe ist gemäß § 5 Abs. 1 Stmk SHG nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sei der Beschwerdeführerin zwar nicht möglich, die Kosten der erforderlichen Pflege (Heimunterbringung) aus ihrem Einkommen (Pension und Pflegegeld) zu decken. Berücksichtige man jedoch, dass der Übergabsvertrag vom 4. November 2002 betreffend den Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 1716 sittenwidrig und daher nichtig sei, könne ungeachtet der Einverleibung des Eigentumsrechtes für Rosa K. davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin die Verwertung dieses Liegenschaftsanteiles möglich und zumutbar sei. Einkommen und Vermögen der Beschwerdeführerin seien daher insgesamt ausreichend, um ihren Lebensbedarf, d.h. die erforderliche Pflege zu sichern.

    Die Beschwerdeführerin hält dagegen, es sei ihr weder möglich noch zumutbar, den Hälfteanteil der Liegenschaft zu verwerten. Sie ist bereits mit diesem Vorbringen im Ergebnis im Recht:

    Angesichts der Zeitraumbezogenheit von Bescheiden über die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2008, Zl. 2006/10/0201, und die dort zitierte Vorjudikatur) hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides - beschwerdefallbezogen - davon ab, ob die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (13. April 2004) ihren Lebensbedarf zur Gänze aus eigenen Mitteln, gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer Verwertung des Hälfteanteils der Liegenschaft EZ 1716 sichern konnte.

    Nun nimmt die belangte Behörde den Standpunkt ein, es sei im Zeitpunkt der Antragstellung und danach zwar nicht die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des erwähnten Liegenschaftsanteiles im Grundbuch eingetragen gewesen, sondern Rosa K.. Allerdings sei die Eintragung des Eigentumsrechtes für Rosa K. im Grundbuch unberechtigt vorgenommen worden, weil der im Jahre 2002 abgeschlossene Übergabsvertrag den guten Sitten iSd § 879 ABGB widerspreche und daher nichtig sei. Folglich könne eine Rückabwicklung Platz greifen und es sei schlussendlich eine Verwertung des Liegenschaftsanteiles durch die Beschwerdeführerin möglich.

    Die belangte Behörde übersieht dabei, dass nach hg. Judikatur die Hilfebedürftigkeit eines Hilfe Suchenden iSd sozialhilferechtlichen Regelungen nicht bereits mit dem Hinweis verneint werden kann, dieser könne seinen Lebensbedarf ohnedies aus ihm angeblich zustehenden Ansprüchen decken. Entscheidend ist vielmehr, ob der Hilfe Suchende die erforderliche Leistung auf Grund solcher Ansprüche auch so rechtzeitig erhalten kann, dass sein Bedarf nicht gefährdet wird. Andernfalls hat der Sozialhilfeträger - mit der allfälligen Möglichkeit eines Ersatzanspruches gegen den primär Verpflichteten - in Vorlage zu treten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2007/10/0082, und die dort zitierte Vorjudikatur).

    Demgegenüber hat die belangte Behörde die Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführerin iSd Stmk SHG mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verwertung eines Liegenschaftsanteiles verneint, an dem sie unbestrittenermaßen nicht einmal als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist, ohne auch nur im Ansatz die Frage zu erörtern, ob die - nach Auffassung der belangten Behörde - auf diesem Weg erzielbaren Mittel so rechtzeitig erlangt werden könnten, dass eine Gefährdung des - unbestrittenermaßen bestehenden - Pflegebedarfes der Beschwerdeführerin nicht eintritt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grund als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen hatte.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

    Wien, am 29. April 2009

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