VwGH 2007/10/0041

VwGH2007/10/004129.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerden

1.) des F R in N, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 29. Jänner 2007, Zl. 5-N-B1181/176-2006, und 2.) der D R in N, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 29. Jänner 2007, Zl. 5-N-B3507/12-2006, jeweils betreffend Zurückweisung eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs1;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2 lita;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §3;
NatSchG Bgld 1990 §5;
NatSchG Bgld 1990 §81;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs1;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §2 lita;
NatLSchV Neusiedlersee 1980 §3;
NatSchG Bgld 1990 §5;
NatSchG Bgld 1990 §81;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingaben vom 14. August 2006 beantragten die Beschwerdeführer jeweils unter Anschluss einer Projektbeschreibung samt Kopien von Fotografien die "nachträgliche Bewilligung der durchgeführten Grundstückshebungen/-senkungen und Niveauangleichungen" auf Grundstücken der EZ 3701 KG N.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Anträge jeweils wegen entschiedener Sache zurück.

Begründend wurde jeweils ausgeführt, bereits mit Bescheid vom 6. Juli 1999 sei ein Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung der nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung einer Anschüttung und einer Uferbefestigung auf den Grundstücken Nr. 5757/114, 5757/115 und 5757/183 der KG N. abgewiesen worden. Weiters sei dem Erstbeschwerdeführer aufgetragen worden, die ohne naturschutzrechtliche Bewilligung vorgenommene Anschüttung auf den Grundstücken Nr. 5757/114 und 5757/115 der KG N. zu entfernen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2002, Zl. 99/10/0193-13, sei die Beschwerde, soweit Anschüttungen auf den Grundstücken Nr. 5757/114 und 5757/115 betroffen gewesen seien, als unbegründet abgewiesen worden.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG seien Anbringen von Beteiligten, die die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrten, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die Zurückweisung des Anbringens komme nur in Betracht, wenn die Abänderung oder Behebung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides in derselben Sache beantragt werde. Bei Änderung der Sach- und Rechtslage komme eine Zurückweisung mangels entschiedener Sach- und Rechtslage nicht in Betracht.

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - sowie die Änderung jener Rechtsvorschriften, die tragend für die frühere Entscheidung gewesen seien, zu einer neuerlichen Entscheidung führen.

Gegenständlich liege jedenfalls keine wesentliche Sachverhaltsänderung vor. Der ursprüngliche Schüttbereich (aus dem Jahr 1999) unterscheide sich "von mit Eingabe vom 14.8.2006 vorgelegten Planunterlagen nur geringfügig". Der Unterschied liege lediglich bei der Oberflächengestaltung der Anschüttung. Nach wie vor liege gegenständlich der Sachverhalt der Errichtung einer Anschüttung auf einer Fläche der gegenständlichen Grundstücke vor, wobei bereits im Jahr 1999 bescheidmäßig festgestellt worden sei, dass ein verbotener Eingriff vorliege. Im Bescheid vom 6. Juli 1999 werde ausdrücklich festgelegt, inwieweit die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes erfolgen solle. Dies sei bei einer Besprechung mit Lokalaugenschein im März 2004 konkretisiert worden.

Dieser Schüttkörper sei in weiterer Folge durch verschiedene Grundstückshebungen und Niveauanpassungen zwar verändert, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes im Sinne des ha. Wiederherstellungsauftrages jedoch nicht erfolgt.

Die mit Bescheiden vom 26. August 2004 erteilten Bewilligungen zur Errichtung je eines Holzhauses auf den Grundstücken Nr. 5757/114 und 5757/115 beträfen andere Grundstücksteile.

Die Ansuchen seien gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen, weil sich die für die Entscheidungsfindung tragenden Rechtsvorschriften nicht geändert hätten und keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

Die belangte Behörde legte Teile der Verwaltungsakten vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat erwogen:

Die angefochtenen, die Anträge der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Bescheid vom 6. Juli 1999 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückweisenden Bescheide beruhen ihrer Begründung zufolge tragend auf der Auffassung der belangten Behörde, es liege "gegenständlich jedenfalls keine wesentliche Sachverhaltsänderung vor. Der ursprüngliche Schüttbereich (aus dem Jahre 1999) unterscheidet sich von mit Eingabe vom 14. 8. 2006 vorgelegten Planunterlagen nur geringfügig. Der Unterschied liegt lediglich bei der Oberflächengestaltung der Anschüttung."

Dem halten die Beschwerden - allerdings im Kontext mit weitwendigen, überwiegend an der Sache vorbeigehenden, redundanten und teils widersprüchlichen Darlegungen, aber doch erkennbar - sinngemäß entgegen, die geplante Anschüttung unterscheide sich hinsichtlich ihrer Lage und Ausdehnung wesentlich von jener, die Gegenstand des Bescheides vom 6. Juli 1999 gewesen sei; überdies lägen weitere Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts in Gestalt von "Niveauveränderungen" im Rahmen naturschutzbehördlich bewilligter Vorhaben vor.

Mit dem bereits mehrfach erwähnten Bescheid vom 6. Juli 1999 hat die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung der (nachträglichen) naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Anschüttung und einer Uferbefestigung auf den Grundstücken Nr. 5757/114 und 5757/115 der KG N. unter Berufung auf die §§ 2 lit. a und 3 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung, mit der der Neusiedlersee und seine Umgebung zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde (Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee), LGBl. Nr. 22/1980 (NatLSchV), in Verbindung mit §§ 5 lit. c, 6 Abs. 1 lit. b und 5 sowie 81 Abs. 2, 5 und 6 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes - NG 1990, LGBl. 27/1991 (Bgld NatSchG), abgewiesen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2002, Zl. 99/10/0193). Der angefochtene, einen Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung der (nachträglichen) naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Vornahme einer Anschüttung auf den Grundstücken Nr. 5757/115 und 5757/116 der KG N. - der im Hinblick auf den offenbar gegebenen räumlichen Zusammenhang mit dem Antrag seiner Ehegattin, der Zweitbeschwerdeführerin, auf Erteilung der (nachträglichen) naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Vornahme einer Anschüttung auf dem Grundstück Nr. 5757/114 der KG N. und die weitgehende Wortidentität der Eingaben eine Einheit bildet - im Hinblick auf den Bescheid vom 6. Juli 1999 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückweisende Bescheid entspricht dann dem Gesetz, wenn in Ansehung der in Rede stehenden Anträge (vom 12. November 1998 einerseits und vom 14. August 2006 andererseits) Identität der Sache vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den - hier nicht in Betracht kommenden - Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die objektive Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Entschiedene Sache liegt daher vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt. Die Rechtskraft wird jedoch auch dann nicht durchbrochen, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist; es kann also nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebenden Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 2007, Zl. 2003/10/0268 mwN). Dabei ist das Wesen der Sachverhaltsänderung nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (vgl. dazu das Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0259). Es obliegt dem Beschwerdeführer, der einen im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG ergangenen Bescheid bekämpft, konkret aufzuzeigen, inwiefern sich das den Gegenstand seines neuen Antrages bildende Vorhaben in Umständen von rechtlich erheblicher Bedeutung von jenem unterscheide, das Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung war (vgl. auch dazu das soeben erwähnte Erkenntnis vom 9. März 1993).

Davon ausgehend entspricht ein einen Antrag im Hinblick auf die rechtskräftige Abweisung eines früheren Antrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückweisender Bescheid dann den Anforderungen an die gesetzmäßige Begründung eines solchen Bescheides, wenn im Einzelnen jene Umstände festgestellt werden, die eine Beurteilung der Frage erlauben, ob im Verhältnis des Vorhabens, das Gegenstand der rechtskräftigen Abweisung war, zum neuen Vorhaben im Sinne des oben Gesagten "Identität der Sache" vorliegt.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung ihres Bescheides mit der pauschalen, nicht weiter begründeten Beurteilung begnügt, dass sich "der ursprüngliche Schüttbereich von mit Eingabe vom 14. 8. 2006 vorgelegten Planunterlagen nur geringfügig" (nämlich "lediglich bei der Oberflächengestaltung der Anschüttung") unterscheide. Sie hat es jedoch unterlassen, im Einzelnen - hier: was Lage und Ausmaß der Anschüttung und die im Hinblick auf den angewendeten bzw. anzuwendenden Bewilligungstatbestand sonst rechtserheblichen Umstände - betrifft, darzulegen, welches Vorhaben Gegenstand ihres Bescheides vom 6. Juli 1999 war, und welches Vorhaben den Gegenstand des neuerlichen Antrages der Beschwerdeführer bildet. Sollte die belangte Behörde - was angesichts der Aktenlage nicht ausgeschlossen werden kann - im Hinblick auf inhaltliche Mängel des Antrages der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sein, im Einzelnen den Gegenstand des Vorhabens der Beschwerdeführer festzustellen, wäre es ihre Aufgabe gewesen, den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Präzisierung zu geben.

Nur auf der Grundlage einer den oben dargelegten Anforderungen entsprechenden Begründung könnte der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Auffassung der belangten Behörde überprüfen, das neue Vorhaben unterscheide sich vom rechtskräftig abgewiesenen nur "geringfügig", also in Ansehung von Umständen, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Antrages bildeten, nicht in solcher Weise, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebenden Erwägungen eine andere Beurteilung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Im Hinblick auf das vollständige Fehlen einer solchen ins Einzelne gehenden Begründung müssen auch die oben erwähnten Darlegungen der Beschwerde als ausreichend erachtet werden, aufzuzeigen, dass ein anderes Ergebnis bei Vermeidung des Begründungsmangels nicht ausgeschlossen werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2. Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 29. September 2010

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