VwGH 2007/09/0272

VwGH2007/09/027216.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der IW in G, vertreten durch Dr. Oswin Hochstöger, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. März 2006, Zl. Senat-GD-05-2000, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 idF 2005/I/101;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 2005/I/103;
AuslBG §3 Abs1 idF 2005/I/101;
AuslBG §2 Abs2 idF 2005/I/101;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 2005/I/103;
AuslBG §3 Abs1 idF 2005/I/101;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 616,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen und nunmehr bekämpften Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, sie habe es als Obfrau des Vereins LA mit Sitz in ST (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) und damit als dessen Vertreterin zu verantworten, dass der Verein die tschechischen Staatsangehörigen Pavel D. und Martin S., für die weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c AuslBG) erteilt, noch eine Anzeigenbestätigung (§ 3 Abs. 5 AuslBG) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a AuslBG) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c AuslBG), oder eine Entsendebewilligung (§ 18 AuslBG) ausgestellt worden seien, am 8. September und 9. September 2003 entgegen § 3 Abs. 1 AuslBG beschäftigt habe, indem die beiden Ausländer beauftragt worden seien, Bauhilfsarbeiten auszuführen. Dadurch habe die Beschwerdeführerin gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verstoßen und es wurden über sie zwei Geldstrafen von jeweils EUR 1.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag, verhängt und ihr die Verfahrenskosten auferlegt.

Dazu führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass selbst von der Beschwerdeführerin unstrittig geblieben sei, dass die beiden tschechischen Staatsangehörigen Pavel D. und Martin S. an einem zu errichtenden Gebäude Arbeiten durchgeführt hätten, welches dem Verein LA, der unter anderem eine Privatschule betreibe, zuzurechnen sei. Ebenso unstrittig könne festgestellt werden, dass die beiden tschechischen Staatsangehörigen vom Verein Naturalien zumindest in Form von Verköstigung und Unterbringung erhalten hätten. Die Tätigkeit der beiden tschechischen Staatsangehörigen, bei der es sich zusammenfassend um Bauhilfsarbeiten gehandelt habe, sei jedenfalls eine Arbeitsleistung gewesen, die ihrer Natur nach typischerweise in einem Abhängigkeitsverhältnis erbracht werde. Sie hätte auch nicht direkt der Erreichung des gemeinsamen Vereinszweckes gedient, sondern sei gekennzeichnet durch den fremdbestimmten Charakter des durch ihre wirtschaftliche Unselbstständigkeit determinierten und bloß in Form der Mitgliedschaft zum Verein gekleideten Verhältnisses gewesen, sei es doch der Zeuge H. gewesen, auf dessen Veranlassung die beiden Ausländer tätig geworden seien, selbst wenn ihm zum Tatzeitpunkt keine Organstellung innerhalb des Vereins zugekommen sei. An dieser Beurteilung ändere sich selbst dadurch nichts, dass sich die Ausländer in einem bestimmten Bereich die Durchführung der Arbeiten und auch die Arbeitszeiten selbst hätten einteilen können. Ebenso wenig ändere es etwas an der Haftbarkeit der Beschwerdeführerin als Obfrau des genannten Vereins, dass die Tätigkeiten der beiden tschechischen Staatsangehörigen durch ein - zumindest ausgehend von den Vereinsstatuten - einfaches Stammmitglied des Vereins veranlasst worden seien. Auch schließe das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Arbeitsleistungen der beiden tschechischen Staatsangehörigen seien faktisch von ihnen als Mitgliedsbeitrag für den Verein erbracht worden - unabhängig von den tatsächlich empfangenen, einem Entgelt ähnlichen Leistungen wie Kost und Quartier - schon im Hinblick auf den Umfang der erbrachten Leistungen die Unentgeltlichkeit derselben aus. Die belangte Behörde vertrete deshalb - bereits auf Grund des insoweit unstrittig festzustellenden Sachverhaltes die Auffassung, dass die Arbeitsleistungen der beiden Ausländer in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis für den von der Beschwerdeführerin vertretenen Verein erbracht worden seien, und nach den Bestimmungen des AuslBG bewilligungspflichtig gewesen seien.

Zur Strafzumessung führte die belangte Behörde aus, dass sie die Mindeststrafe verhänge, die Beschwerdeführerin sei unbescholten, habe fahrlässig gehandelt und eine höhere Strafe sei aus generalpräventiven Gründen nicht erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelten gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 103/2005, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigenbestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" (§ 8 Abs. 2 Z. 3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

Nach § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG in der letztgenannten Fassung gilt die Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung im Sinne des AuslBG.

Nach § 2 Abs. 4 AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Die Beschwerdeführerin macht zusammengefasst geltend, dass die beiden tschechischen Staatsangehörigen Pavel D. und Martin S. die Bauhilfsarbeiten an dem Gebäudeteil auf der Vereinsliegenschaft (Werkstatt für die vereinseigene, mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule) nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sondern als Beitrag zur Erreichung des Zweckes des Vereines, dem sie seit dem 22. Juni 2001 als Mitglieder angehört hätten, erbracht hätten und - abgesehen von der freien Verpflegung und Station, die auch jedem anderen Vereinsmitglied und Gast zuteil werde - in keiner Weise entlohnt worden seien. Die beiden seien ins Vereinsleben eingebunden, kämen nach Österreich, wenn es ihre Zeit zulasse und würden dann, wenn sie kämen, wie alle anderen Vereinsmitglieder freiwillig mitarbeiten, sei es im Bereich der ökologischen Landwirtschaft zur Selbstversorgung des Vereins oder sei es bei der Errichtung eines Vereinsgebäudeteiles.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der Beschäftigung ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Ein Abhängigkeitsverhältnis ist dort anzunehmen, wo keine unternehmerische Eigeninitiative und kein unternehmerisches Erfolgsrisiko getragen wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit im Rahmen eines "Betriebs" im gewerberechtlichen Sinne erbracht wird (vgl. bspw. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2004, Zl. 2001/09/0039, und vom 21. September 2005, Zl. 2004/09/0107).

Entscheidend für die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG ist die wirtschaftliche Unselbstständigkeit, derentwegen eine Person, die im Auftrag und für Rechnung einer anderen Person Arbeit leistet, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, sich in einer einem Arbeitnehmer ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet. Der "Arbeitnehmerähnliche" ist jedenfalls nicht notwendigerweise persönlich vom Empfänger der Arbeitsleistung abhängig. Seine wirtschaftliche Unselbstständigkeit, derentwegen er als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren ist, muss eher darin erblickt werden, dass er unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig und daher insofern vom Empfänger der Arbeitsleistung wirtschaftlich abhängig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, Zl. 2009/09/0254).

Zwar können auch Arbeitsleistungen im Rahmen einer Vereinsmitgliedschaft zur Erreichung des Vereinszwecks ähnlich wie ein unentgeltlicher Gefälligkeitsdienst (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2007, Zl. 2007/09/0230, und vom 15. Mai 2008, Zl. 2007/09/0238) vom Begriff der Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG ausgenommen sein.

Im vorliegenden Fall hat jedoch die belangte Behörde die Heranziehung der beiden Ausländer zur Erbringung von Bauhilfsarbeiten ohne Rechtsirrtum als eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG qualifiziert. Sie hat die Tätigkeiten der beiden tschechischen Staatsangehörigen (Bauhilfsarbeiten bei der Errichtung einer Werkstatt auf dem Grundstück des Vereins) zu Recht als Arbeitsleistungen bewertet, die ihrer Natur nach typischerweise in einem Abhängigkeitsverhältnis erbracht werden. Auch schloss sie, in Ansehung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, die Arbeitsleistung der beiden tschechischen Staatsangehörigen seien faktisch von ihnen als Mitgliedsbeitrag für den Verein erbracht worden - unabhängig von den tatsächlich empfangenen einem Entgelt ähnlichen Leistungen wie Kost und Quartier - schon im Hinblick auf den Umfang der erbrachten Leistungen die Unentgeltlichkeit derselben aus. Diese Feststellungen wurden von der Beschwerdeführerin, die nicht vorgebracht hat, dass ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart gewesen wäre, auch nicht in Abrede gestellt.

Auch der Umstand, dass die beiden Ausländer den Feststellungen der belangten Behörde zufolge nicht auf eigenen Antrieb, sondern auf Veranlassung eines Vereinsmitgliedes, mit dem beide Ausländer in einer wirtschaftlichen Nahebeziehung in der Tschechischen Republik stehen, die gegenständlichen Tätigkeiten für den Verein ausgeführt haben, spricht gegen die Einordnung der Tätigkeit als bewilligungsfreie Leistung im Rahmen einer Vereinsmitgliedschaft. Obwohl dieses Vereinsmitglied zu diesem Zeitpunkt keine Organfunktion im Verein bekleidete, muss dem Verein und damit der Beschwerdeführerin dessen Verhalten zugerechnet werden, da er - mit Wissen und Duldung der Beschwerdeführerin - für den Verein tätig geworden ist. Damit waren die beiden Ausländer, denen die Arbeit auch von einem Vereinsmitglied zugewiesen wurde, aber unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer tätig und daher (zumindest indirekt) insofern vom Empfänger der Arbeitsleistung wirtschaftlich abhängig. Daher hat die Beschwerdeführerin die Beschäftigung der Ausländer im Sinne des § 2 AuslBG entgegen § 3 Abs. 1 leg. cit. zu verantworten.

Es kommt im gegenständlichen Fall auch nicht darauf an, ob die Zurverfügungstellung von Kost und Logis als Gegenleistung zu beurteilen war oder nicht; ausschlaggebend ist vielmehr, dass eine Unentgeltlichkeit nicht vereinbart war. Im Zweifel gilt ein angemessenes Entgelt nämlich als bedungen (vgl. § 1152 ABGB) und ist, wenn die Höhe des Entgelts nicht festgelegt wurde, jedenfalls ein angemessener Lohn zu zahlen (vgl. auch § 29 AuslBG). Ob die Beschwerdeführerin ein den verwendeten Ausländern zustehendes Entgelt (vgl. § 29 AuslBG) geleistet hat oder nicht, brauchte im Verwaltungsstrafverfahren nicht untersucht werden, weil dies an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der angelasteten Verwaltungsübertretung nichts ändert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2007/09/0374).

Zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin nicht dargelegt hat, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde durch die geforderten Feststellung hinsichtlich der internationalen Ausrichtung des Vereins, der Anzahl der übrigen ausländischen Mitglieder sowie der grundsätzlichen Ausgestaltung des Vereins hätte gelangen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. September 2010

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