VwGH 2007/09/0022

VwGH2007/09/002220.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Z T in W, vertreten durch Mag. Klaus Heintzinger, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Schopenhauerstraße 39/7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 6. Dezember 2006, Zl. LGSW/Abt.3/08115/1448411/1452467/2006, betreffend Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Z. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §1 Abs2 litm;
AuslBG §15 Abs1 Z3 idF 2005/I/101;
FrG 1997 §47 Abs3;
AuslBG §1 Abs2 litm;
AuslBG §15 Abs1 Z3 idF 2005/I/101;
FrG 1997 §47 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 21. September 2006 beantragte der Beschwerdeführer, ein am 24. April 1965 geborener kroatischer Staatsangehöriger, der von österreichischen Staatsbürgern adoptiert worden war (Bewilligung des Adoptionsvertrages durch das Bezirksgericht Baden, rechtskräftig ab dem 24. November 2003), die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 4. Oktober 2006 wurde dieser Antrag abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG abgewiesen. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes führte die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, auf Grund seines Antrages vom 17. Februar 2006 sei dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 12. September 2006 bis zum 12. September 2007 eine Niederlassungsbewilligung "Angehöriger" (erstmals) erteilt worden. Nach der Aktenlage sei davon auszugehen, dass die österreichischen Wahleltern des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU nicht in Anspruch genommen hätten, sondern ständig in Österreich niedergelassen seien. Ein Fall des § 57 in Verbindung mit § 54 Abs. 1 NAG liege nicht vor. Die Rechtsgrundlage für die Erteilung seines Aufenthaltstitels sei § 47 Abs. 3 NAG gewesen; in diesem Falle sei sein Recht auf Niederlassung erst mit Erteilung dieser Bewilligung vorgelegen, da diese konstitutiv wirke. Auf ein bloß deklaratives Niederlassungsrecht vor Erteilung des Aufenthaltstitels könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen. § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG stelle aber unter anderem darauf ab, dass der Ausländer "bisher" und somit unmittelbar vor der Antragstellung von den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gemäß § 1 Abs. 2 lit. l oder m leg. cit. ausgenommen gewesen sein müsse. Infolge seiner Großjährigkeit könne er sich ab dem 1. Jänner 2006 nicht mehr auf die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG berufen. Er könne sich nicht darauf berufen, dass er ab Wegfall der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG ab dem 1. Jänner 2006 "weiterhin" in Österreich rechtmäßig niedergelassen gewesen sei, da ihm ein Aufenthaltstitel, welcher ihn zur Niederlassung in Österreich berechtige, erstmals ab dem 12. September 2006 erteilt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, ist einem Ausländer, der noch keinen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (§ 17 AuslBG) auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er bisher gemäß § 1 Abs. 2 lit. l und m leg. cit. nicht dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterlegen und weiterhin rechtmäßig niedergelassen ist.

Voraussetzung für die Erteilung eines Befreiungsscheines nach dieser Gesetzesbestimmung ist daher, dass der Fremde

1. bisher unter die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 lit. l und m AuslBG fiel und

2. weiterhin (also auch schon vorher) rechtmäßig niedergelassen war.

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen; fehlt auch nur eine, ist die Erteilung eines Befreiungsscheines nach dieser Gesetzesbestimmung abzulehnen.

ad 1.: Dem gemäß war zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer "bisher" unter die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 lit. l oder m AuslBG fiel oder nicht, wobei sich das Wort "bisher" auf jene "Familienangehörigen" bezieht, deren Angehörigeneigenschaft durch Tod, Wegzug oder Scheidung beendet wurde (siehe dazu die in Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, 2006, S. 201 wiedergegebenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage).

§ 1 Abs. 2 AuslBG in der ab dem 1. Januar 2006 gültigen

Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 lautet auszugsweise:

"...

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

...

l) Freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der EWR-Bürger oder der Ehegatte Unterhalt gewährt, sowie drittstaatsangehörige Eltern des EWR-Bürgers und seines Ehegatten, denen der EWR-Bürger oder der Ehegatte Unterhalt gewährt, sofern sie zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 berechtigt sind;

m) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist."

Um unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG in dieser Fassung zu fallen, ist es daher notwendig, dass das Kind (Adoptivkind) österreichischer Staatsbürger, im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer, zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist.

Der Beschwerdeführer ist seit 24. November 2003 Drittstaatsangehöriger eines österreichischen Staatsangehörigen und verfügte mit Wirksamkeit vom 12. September 2006 über eine Niederlassungsbewilligung "Angehöriger", die ihm aber keinen unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt verschafft. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht - wie die belangte Behörde offenbar meint - darauf an, dass der Aufenthaltstitel nicht schon bereits vor In-Kraft-Treten des NAG, sondern erst im Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bestanden hat. Der Beschwerdeführer fällt als "Angehöriger" österreichischer Staatsbürger und im Hinblick auf seine Niederlassungsbewilligung unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG.

ad 2.: Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, bis zum In-Kraft-Treten des AuslBG in der geltenden Fassung sei es nicht notwendig gewesen, dass er über eine Niederlassungsbewilligung im Sinne eines abgeschlossenen Verfahrens verfüge. Vielmehr hätte § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG dahingehend interpretiert werden müssen, dass die Wortfolge "weiterhin rechtmäßig niedergelassen" nur bedeuten könne, dass ein Niederlassungsverfahren zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes eingeleitet und in weiterer Folge positiv abgeschlossen worden sei.

Die hier wesentlichen Bestimmungen des bis 31. Dezember 2005 in Kraft gestandenen Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997, aufgehoben durch BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG), lauteten:

"§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.

(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Niederlassungsbewilligung ist mit fünf Jahren, in den Fällen der beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den EWR-Bürger (§ 46 Abs. 2 Z 3) jedoch mit sechs Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Einreise zu befristen.

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

  1. 1. Ehegatten;
  2. 2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;

    3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.

    ...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt.

..."

Der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt seiner Adoption durch österreichische Staatsangehörige das 21. Lebensjahr bereits überschritten hatte, hat sich im Verwaltungsverfahren nicht darauf berufen, dass ihm Unterhalt gewährt werde. Er unterfiel damit keinem der Tatbestände des § 47 Abs. 3 FrG und hätte daher einer Niederlassungsbewilligung bedurft. Nach seinen eigenen Angaben in der Beschwerde war aber der Beschwerdeführer bis zu seiner dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegenden Antragstellung auf Ausstellung eines Befreiungsscheines nicht im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Damit erfüllt er die zweite in § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG genannte Voraussetzung nicht. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer bereits vor In-Kraft-Treten des NAG einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt hatte, weil darauf abzustellen ist, ob der Antragsteller bereits vor In-Kraft-Treten des NAG "rechtmäßig niedergelassen war".

Aus diesem Grunde war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2008

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