VwGH 2007/08/0097

VwGH2007/08/009719.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über den Antrag des A A in W, vertreten durch Mag. Rene Heinz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Dezember 2006, Zl. LGSW/Abt.3- AIV/05661/2006-10841, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe (Zl. 2007/08/0097 WE), und in der Beschwerdesache des Antragstellers gegen den genannten Bescheid (Zl. 2007/08/0098), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Zu 1:

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 2006 wurde der Berufung des Beschwerdeführers vom 22. (richtig offenbar: 20.) November 2006 gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 7. November 2006, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 25. Oktober 2006 bis 30. Oktober 2006, keine Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde - dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Verfahrenshilfe vom 15. März 2007 zufolge - spätestens vier Tage nach dem 19. Dezember 2006 zugestellt.

Der Beschwerdeführer macht in seinem Wiedereinsetzungsantrag den Wiedereinsetzungsgrund des § 46 Abs. 1 VwGG geltend und bringt dazu vor, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei und daher die Rechtsmittelbelehrung des gegenständlichen Bescheides nicht verstanden habe. Er sei davon ausgegangen, dass er selbst "Berufung" gegen den angefochtenen Bescheid einbringen könne. Dies sei mit Hilfe eines Freundes am 22. Jänner 2007 (an das Arbeitsmarktservice Geiselbergstraße) auch erfolgt. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass er eine depressive Psychose habe und wegen seines Gesundheitszustandes oft nicht in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen bzw. deren Konsequenzen abzuschätzen.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag brachte der seitdem 23. April 2007 durch einen Verfahrenshelfer vertretene Beschwerdeführer am 7. Mai 2007 die zu Zl. 2007/08/0098 protokollierte Beschwerde ein.

Dem Wiedereinsetzungsantrag liegen der Bescheid vom 19. Dezember 2006, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. Jänner 2007 an die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (betitelt: "Antwort des Bescheides vom 19.12.2006") und zwei Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. A. vom 28. August 2006 bzw. vom 28. November 2006 bei.

Im Schreiben vom 28. August 2006 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer depressiv und unruhig sei sowie Tendenzen zur Paranoia habe. Des weiteren leide er unter Schlafstörungen und sei manchmal ängstlich und aggressiv. Die Diagnose laute "paranoide Depression". Eine regelmäßige psychiatrische Kontrolle und Behandlung sei nötig. Der Beschwerdeführer sei vom 10. Jänner 2001 bis 26. März 2001 wegen dieser Beschwerden bei Dr. H. A. in Behandlung gewesen.

Im Schreiben vom 28. November 2006 wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer unruhig und depressiv sei sowie Tendenzen zur Paranoia aufweise. Eine regelmäßige psychiatrische Kontrolle sei nötig. Er leide unter einer depressiven Psychose.

Vorgelegt wurde weiters bereits mit dem Verfahrenshilfeantrag des Beschwerdeführers ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 25. September 2006 an Frau K. von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er den Kurs nicht beendet habe, da er zu diesem Zeitpunkt im Krankenstand gewesen sei. Er schicke die entsprechende Krankenstandsbestätigung, die das Arbeitsmarktservice bereits bekommen haben müsse. Zudem seien die Kurszeiten für den Beschwerdeführer nicht akzeptabel, da die Anfahrtszeit zum Kurs mit der Schnellbahn nicht "übereintreffe". Das Warten auf das Coaching würde zwei bis drei Stunden dauern, was zu lange sei. Außerdem handle es sich nicht um einen Computerkurs, sondern nur um einen Sprachkurs.

In der ebenfalls mit dem Verfahrenshilfeantrag vorgelegten und, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 2006 und der Beschwerde ergibt, rechtzeitig erhobenen Berufung vom 20. November 2006 bringt der Beschwerdeführer vor:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Meine Beraterin sagte mir am 19. Oktober 06, ich solle ihr meinen Ausweis am 25. Oktober bringen. Ich kann meinen Ausweis auch am 3.1.07 nach Beendigung meines Kurses bringen. Denn sämtliche andere Daten liegen bereits bei Herrn P J auf (Vertrag).

Meine Beraterin sagte, sie werde mich sperren, wenn ich zu diesem Termin nicht erscheine, doch ich kann natürlich nicht an beiden Plätzen gleichzeitig sein. Sie und ich missverstehen uns oftmals, wenn wir miteinander reden, da meine Deutschkenntnisse nicht sehr gut sind. Obwohl für den 25.10. kein Termin in meiner Terminkarte eingetragen war, wurde mein Geld an diesem Tag gesperrt.

Der eigentliche Grund ist jener, dass meine Beraterin darüber verärgert war, dass ich sie geduzt, statt gesiezt habe, was mir wegen meinen schlechten Deutschkenntnissen passiert ist.

Bezüglich des Termins bekam ich einen Brief, den ich aber nicht lesen konnte. Dieser beginnt ab 13.11.06 und dauert 6 Wochen (13.11.2006-22.12.2006). Mein nächster Termin ist am 13.12.06, und dieser findet also noch während meines Kurses statt. Was ich Ihnen damit sagen möchte, ist dass für mich alles sehr verwirrend ist.

All diese Probleme entstanden, da ich zuerst Frau Fenister in der AMS-Landstraße und dann Herrn Dr. B um Hilfe gebeten habe, um meine Beraterin gegen Herrn W zu tauschen. Meine Beraterin war sehr empört darüber und hat mir mein Geld trotz Krankenstand gestrichen.

Zu Ihrer Information sende ich Ihnen mit diesem Brief alle

meine ärztlichen Befunde mit.

Hochachtungsvoll

A A

Ps: Die Geschäftsstellenleiterin K K hatte mir gesagt, ich könne auch erst nach dem Kurs beim AMS vorsprechen."

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Mangelnde deutsche Sprachkenntnisse stellen als solche keinen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0369). Gerade das Wissen des Beschwerdeführers um seine mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache muss ihn in Bezug auf die Einhaltung von Fristen zu besonderer Sorgfalt veranlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/11/0187).

Eine vom Beschwerdeführer behauptete Krankheit stellt dann keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn die Krankheit nicht durch geeignete Beweismittel nachgewiesen wird (vgl. den hg. Beschluss vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0086).

Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergibt sich zunächst, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 10. Jänner 2001 bis 26. März 2001 in ärztlicher Behandlung war. Das sagt jedoch nichts über den gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers im Jahr 2006 aus.

Wesentlich ist hingegen, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Erkrankung, wie sie im Schreiben des Dr. H.A. vom 28. August 2006 dokumentiert ist, in der Lage war, die Eingaben vom 25. September 2006 und vom 20. November 2006 (letztere eine rechtzeitige Berufung) einzubringen. Eine Verschlechterung der Krankheit gegenüber der Zeit zwischen dem 28. August 2006 und dem 28. November 2006 (in der der Antragsteller vermochte, die Eingaben vom 25. September 2006 und vom 20. November 2006 vorzunehmen), die die Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers weitergehend ausgeschlossen hätte, ist im Schreiben des Dr. H.A. vom 28. November 2006 ebensowenig dargestellt wie eine Besserung des Gesundheitszustandes zwischen dem 28. August 2006 und dem 28. November 2006, die die Eingaben vom 25. September 2006 und vom 20. November 2006 erst ermöglicht hätte. Angesichts dessen vermögen die Schreiben vom 28. August 2006 und vom 28. November 2006 aber einen Ausschluss der Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht zu belegen, durch den ihm die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde unmöglich gewesen wäre (vgl. die Judikaturnachweise zur Relevanz des Fehlens der entsprechenden Dispositionsfähigkeit bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 654).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG

keine Folge zu geben.

Zu 2:

Demnach erweist sich die mit dem Wiedereinsetzungsantrag unter einem nachgeholte Beschwerde als verspätet. Die Beschwerde war daher schon aus diesem Grund ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. September 2007

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