VwGH 2007/08/0033

VwGH2007/08/003310.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerden 1. der D Personalbereitstellung OÖ1 GmbH und 2. der D Personalbereitstellung OÖ2 GmbH, beide in O, beide vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 28. Dezember 2006, Zl. BMSG-322709/0004-II/A/3/2006, betreffend Abweisung von Devolutionsanträgen in Angelegenheiten der Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §355;
ASVG §357 Abs1;
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §410;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs1;
ASVG §355;
ASVG §357 Abs1;
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §410;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Laut Firmenbuch wurden die erstbeschwerdeführende Gesellschaft (im Weiteren: D1-GmbH), die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft (im Weiteren: D2-GmbH), die D3-GmbH und die D4-GmbH am 1. August 2000 mit Sitz in O gegründet sowie diesen Betrieben seitens der übertragenden D-Personalbereitstellung GmbH jeweils ein einzelner näher bezeichneter Teilbetrieb übertragen; alle vier Betriebe haben dieselbe Geschäftsanschrift in O.

Mit Einlangensdatum 21. Februar 2006 haben die D1-, D2-, D3- und D4-GmbH beim Landeshauptmann von Oberösterreich vier Devolutionsanträge mit der Begründung gestellt, sie hätten am 3. Juni 2005 (Einlangensdatum) bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse jeweils einen Antrag auf Absprache über die in der Folge einer (mit "der Finanz" und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Jahre 2004 durchgeführten) "GPLA-Prüfung" mit Nachtragsrechnung vom 1. Juni 2005 vorgeschriebenen Beiträge gestellt; diesen Anträgen sei die Gebietskrankenkasse nicht nachgekommen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Mai 2006 wurden die Devolutionsanträge der "D-Personalbereitstellung GmbH" (- gemeint waren offensichtlich alle vier genannten Gesellschaften -) abgewiesen. Zur Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, die gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben habe damit geendet, dass sich der Prüfer und das geprüfte Unternehmen darauf geeinigt hätten, dass ein pauschaler Betrag ohne genauere Prüfung zur Nachzahlung gelange. In der Folge sei durch die beschwerdeführenden Parteien die bescheidmäßige Erledigung hinsichtlich der für die näher bezeichneten Zeiträume nachverrechneten Beiträge zu den einzelnen Dienstgeber-Beitragsnummern begehrt, jedoch die dazu erforderliche nochmalige Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen beharrlich verweigert worden, was als grobe Verletzung ihrer Parteipflichten anzusehen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2006 gab die belangte Behörde der gegen diesen Bescheid erhobenen gemeinsamen Berufung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft sowie der D3-GmbH und der D4-GmbH teilweise Folge und hob die Entscheidung über die Devolutionsanträge der D3- und D4- GmbH wegen örtlicher Unzuständigkeit auf (Spruchpunkt II.); mit Spruchpunkt I. wurde der angefochtene Bescheid, soweit über die Zulässigkeit der Devolutionsanträge der erst- und zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft entschieden worden war, bestätigt.

Ihre Entscheidung zum - für die gegenständlichen Beschwerden relevanten - Spruchpunkt I. stützte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Ausgehend von den (bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 3. Juni 2005 eingelangten) Bescheidanträgen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft, worin "eine bescheidmäßige Erledigung für die auf der Nachtragsrechnung vom 13.05.2005 nachverrechneten Beiträge 09/2000 bis 12/2003 und der darauf entfallenden Verzugszinsen" begehrt worden sei, sei Gegenstand des damit beantragten Bescheides die Frage der Rechtmäßigkeit der Nachtragsverrechnung vom 13. Mai 2005 gewesen. Die Gebietskrankenkasse sei, sobald sie das vom Bescheidantrag ausgelöste Verfahren durchgeführt habe, als Behörde in einem Verwaltungsverfahren aufgetreten, auf welches nicht alle Bestimmungen des AVG, sondern nur jene anzuwenden seien, auf die § 357 ASVG verweise. Abgesehen davon würden aber für das Verfahren vor dem Versicherungsträger sehr wohl auch die Grundprinzipien des Ermittlungsverfahrens nach dem AVG gelten, wozu die Offizialmaxime ebenso wie die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit, das Parteiengehör, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und schließlich der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gehören würden. Die Behörde könne daher alles als Beweismittel heranziehen, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet sei und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe daher im Rahmen ihrer auf den Bescheidantrag folgenden Prüfung zu Recht von Amts wegen die umfassende Ermittlung des der Entscheidung zugrundezulegenden Sachverhaltes begonnen.

Dem Einwand der beschwerdeführenden Gesellschaften, sie wären nicht verpflichtet gewesen, nach Abschluss der durchgeführten gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben noch einmal Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren, wurde neben Zitierung der §§ 41a und § 42 ASVG sowie §§ 148 und 151 BAO entgegnet, dass eine Beschränkung der Wahl der noch heranzuziehenden Beweismittel auch aus § 41a ASVG nicht herauszulesen sei.

Zu den weiteren Einwänden der beschwerdeführenden Gesellschaften, die ermittelnde Gebietskrankenkasse habe mit Schreiben vom 1. August 2005 nicht die D-Personalbereitstellung GmbH, sondern die B-Holding GmbH aufgefordert, Unterlagen vorzulegen, diese sei jedoch gar nicht Dienstgeberin und habe auch keine Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 ASVG, räumte die belangte Behörde zwar ein, dass dieses Schreiben offenbar versehentlich an die B-Holding GmbH und nicht an die vier Dienstgeber gerichtet worden sei, hielt dem aber entgegen, dass diesem Umstand hier keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme: Die Aufforderung zur Vorlage der notwendigen Unterlagen sei nämlich ein formloses Schreiben gewesen. Sowohl die B-Holding GmbH als auch die beschwerdeführenden Gesellschaften seien von derselben Steuerberatungs-GmbH vertreten gewesen, wodurch die beschwerdeführenden Parteien durch ihre Rechtsvertreterin Kenntnis von dieser Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen erlangt, den Inhalt des Schreibens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf das hier anhängige Verfahren bezogen und dazu inhaltlich Stellung genommen hätten. Die Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Gesellschaften habe mit ihrem Antwortschreiben vom 14. September 2005 auch zu erkennen gegeben, dass sie erkannt habe, dass das Schreiben versehentlich an die B-Holding GmbH gerichtet worden sei, und habe in weiterer Folge Einwendungen erhoben. Ein nochmaliges, an die beschwerdeführenden Gesellschaften gerichtetes Schreiben sei in dieser Phase des Verfahrens nicht erforderlich gewesen. Den beschwerdeführenden Gesellschaften müsse also klar gewesen sein, dass sich das Schreiben der Gebietskrankenkasse vom 1. August 2005 auf eine dem AVG entsprechende Feststellung der nachzuverrechnenden Sozialversicherungsbeiträge gerichtet habe.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften seien als Parteien zufolge ihrer ebenfalls im AVG verankerten und von der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur bejahten Mitwirkungspflicht gehalten gewesen, die behördliche Tätigkeit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Feststellung des Sachverhaltes, die nur bei Mitwirkung der Partei zielführend sein können, zu ermöglichen, und hätten solche Handlungen unterlassen, weshalb der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein dadurch verfehlter rechtzeitiger Abschluss des Ermittlungsverfahrens und als Folge davon das Unterlassen der Entscheidung innerhalb der sechsmonatigen Frist nicht vorgeworfen werden könne. Die Verzögerung sei somit nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen dessen Spruchpunkt I. - richten sich die vorliegenden inhaltsgleichen Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Beschwerdeabweisung sowie den Kostenzuspruch für Vorlageaufwand.

Die mitbeteiligte Partei hat jeweils eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Gemäß § 410 Abs. 1 Satz 1 ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 ASVG berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Nach Z. 7 leg. cit. hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderlassung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.

Der zur ausschließlichen Geltendmachung der Beitragsforderung berufene Krankenversicherungsträger ist gemäß §§ 355, 409, 410 Abs. 1 ASVG immer - also unabhängig von der Ausfertigung eines Rückstandsausweises, der kein Bescheid ist - (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1995, Zl. 93/08/0194) berechtigt, unter anderem in Beitragsangelegenheiten die sich aus dem Gesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten mit Bescheid festzustellen. Verpflichtet ist er zur Bescheiderlassung in diesen Angelegenheiten dann, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG die Bescheiderteilung verlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147).

In einem solchen Fall ist über den Antrag des Versicherten ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Einlagen des Antrages, der Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an den Landeshauptmann über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar beim Landeshauptmann einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden des Versicherungsträgers zurückzuführen ist (§ 410 Abs. 2 ASVG).

Im vorliegenden Fall haben die beschwerdeführenden Gesellschaften gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG beantragt, ihre Rechte und Pflichten hinsichtlich des Rückstandsausweises vom 13. Mai 2005 festzustellen. Aus dem Wortlaut dieses Antrages ergibt sich, dass er auf die Feststellung allenfalls noch bestehender aktueller Beitragsrückstände abzielte. Da der angerufene Versicherungsträger nicht innerhalb von sechs Monaten bescheidmäßig entschieden hat, war infolge der erhobenen Devolutionsanträge der Landeshauptmann von Oberösterreich in seiner Funktion Behörde erster Instanz und in weiterer Folge die belangte Behörde gemäß § 415 Abs. 2a Z. 2 ASVG zur Entscheidung über die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Mai 2006 erhobenen Berufungen zuständig.

Die §§ 41a, 42 und 357 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes BGBl. 189/1955 (ASVG) in der hier maßgebenden Fassung lauten:

"§ 41a. (1) Die Krankenversicherungsträger (§ 23 Abs. 1) haben die Einhaltung aller für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Tatsachen zu prüfen (Sozialversicherungsprüfung). Hiezu gehört insbesondere

(2) Sind für einen Dienstgeber mehrere Krankenversicherungsträger zuständig, so hat die Sozialversicherungsprüfung jener Krankenversicherungsträger durchzuführen, in dessen Bereich sich die Betriebsstätte im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes 1988 befindet.

(3) Gemeinsam mit der Sozialversicherungsprüfung ist vom Krankenversicherungsträger auch die Lohnsteuerprüfung nach § 86 des Einkommensteuergesetzes 1988 durchzuführen. Der Prüfungsauftrag ist von jenem Krankenversicherungsträger zu erteilen, der die Prüfung durchführen wird.

(4) Für die Sozialversicherungsprüfung gelten die für die Prüfungen nach § 151 der Bundesabgabenordnung maßgeblichen Vorschriften der Bundesabgabenordnung. Bei der Durchführung der Lohnsteuerprüfung (§ 86 EStG 1988) ist das Prüforgan des Krankenversicherungsträgers als Organ des für die Lohnsteuerprüfung zuständigen Finanzamtes tätig. Das Finanzamt ist von der Prüfung und vom Inhalt des Prüfungsberichtes oder der aufgenommenen Niederschrift zu verständigen.

(5) Die Krankenversicherungsträger (§ 23 Abs. 1) haben den Finanzämtern der Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) und den Gemeinden alle für das Versicherungsverhältnis und die Beitragsentrichtung bedeutsamen Daten zur Verfügung zu stellen. Diese Daten dürfen nur in der Art und dem Umfang verwendet werden, als dies zur Wahrnehmung der gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung ist. Die Verwendung nicht notwendiger Daten (Ballastwissen, Überschusswissen) ist unzulässig. Daten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr benötigt werden, sind möglichst rasch zu löschen."

"§ 42. (1) Auf Anfrage des Versicherungsträgers haben

  1. 1. die Dienstgeber,
  2. 2. Personen, die Geld- bzw. Sachbezüge gemäß § 49 Abs. 1 und 2 leisten oder geleistet haben, unabhängig davon, ob der Empfänger als Dienstnehmer tätig war oder nicht,
  3. 3. sonstige meldepflichtige Personen und Stellen (§ 36),
  4. 4. im Fall einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 auch die Bevollmächtigten,

    längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen. Weiters haben sie den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind. Die Versicherungsträger sind überdies ermächtigt, den Dienstgebern alle Informationen über die bei ihnen beschäftigten oder beschäftigt gewesenen Dienstnehmer zu erteilen, soweit die Dienstgeber diese Informationen für die Erfüllung der Verpflichtungen benötigen, die ihnen in sozialversicherungs- und arbeitsrechtlicher Hinsicht aus dem Beschäftigungsverhältnis der bei ihnen beschäftigten oder beschäftigt gewesenen Dienstnehmer erwachsen.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann auf Antrag des Versicherungsträgers die nach Abs. 1 auskunftspflichtigen Personen (Stellen) zur Erfüllung der dort angeführten Pflichten verhalten. Entstehen durch diese Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörde dem Versicherungsträger besondere Auslagen (Kosten von Sachverständigen, Buchprüfern, Reiseauslagen u. dgl.), so kann die Bezirksverwaltungsbehörde diese Auslagen auf Antrag des Versicherungsträgers der auskunftspflichtigen Person (Stelle) auferlegen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihr auferlegten Pflichten entstanden sind. Diese Auslagen sind wie Beiträge einzutreiben.

(3) Reichen die zur Verfügung stehenden Unterlagen für die Beurteilung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände nicht aus, so ist der Versicherungsträger berechtigt, diese Umstände aufgrund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung von Daten anderer Versicherungsverhältnisse bei demselben Dienstgeber sowie von Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe festzustellen. Der Versicherungsträger kann insbesondere die Höhe von Trinkgeldern, wenn solche in gleichartigen oder ähnlichen Betrieben üblich sind, anhand von Schätzwerten ermitteln.

(4) Die Versicherungsträger sind berechtigt, die zuständigen Behörden zu verständigen, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zu dem begründeten Verdacht gelangen, dass eine Übertretung arbeitsrechtlicher, gewerberechtlicher oder steuerrechtlicher Vorschriften vorliegt."

"§ 357. (1) Für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen gelten entsprechend die nachstehenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172: § 6 über die Wahrnehmung der Zuständigkeit mit der Maßgabe, dass § 361 Abs. 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes unberührt bleibt, § 7 über die Befangenheit von Verwaltungsorganen, § 8 über Beteiligte, Parteien, § 9 über Rechts- und Handlungsfähigkeit, §§ 10 bis 12 über Vertreter, §§ 13 bis 17a über Anbringen, Rechtsbelehrung, Niederschriften, Aktenvermerke und Akteneinsicht, § 18 Abs. 1, 2 und 4 über Erledigungen, §§ 21 und 22 über Zustellungen, §§ 32 und 33 über Fristen, § 38 über die Beurteilung von Vorfragen, §§ 58, 59 bis 61 und § 62 Abs. 4 über Inhalt und Form der Bescheide, §§ 69 und 70 über Wiederaufnahme des Verfahrens, §§ 71 und 72 über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

(2) Die in Abs. 1 angeführte Bestimmung des § 18 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Ausfertigungen, die mittels elektronischer Datenverarbeitungsanlagen hergestellt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen."

Der Umstand, dass im § 357 Abs. 1 ASVG die Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren (mit Ausnahme des § 38 AVG) nicht für anwendbar erklärt wurden, enthebt die Sozialversicherungsträger - auch unter Berücksichtigung der Intention des Sozialversicherungsgesetzgebers auf rationelle Gestaltung der Massenverfahren nach diesen Gesetzen - nicht der Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt in ausreichendem Maße festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1982, Zl. 82/08/0127, 0128).

In diesem Zusammenhang kann den beschwerdeführenden Parteien zunächst nicht gefolgt werden, soweit diese vermeinen, dass die "Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA)" durch einen zwischen dem Prokuristen des geprüften Unternehmens und dem Prüfer "abgeschlossenen" Vergleich formal beendet gewesen sei und deshalb ein auf § 42 ASVG gestütztes Begehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf umfassende Vorlage von Unterlagen eine unzulässige Wiederholungsprüfung gemäß § 41a ASVG iVm § 148 Abs. 3 BAO bedeutet hätte. Dieser Darstellung steht bereits das eigene Beschwerdevorbringen entgegen, wonach diese Einigung nur unter der Bedingung der Genehmigung der Geschäftsführung der beschwerdeführenden Gesellschaften zustande gekommen wäre, diese aber niemals erteilt worden sei, womit das Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse war daher grundsätzlich im Recht, wenn sie im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - unter Heranziehung von § 42 ASVG - die notwendigen Unterlagen zur bescheidmäßigen Erledigung beizuschaffen versuchte.

Dagegen kommt den Beschwerden Berechtigung zu, insoweit sie aufzeigen, dass das gegenständliche Aufforderungsschreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 1. August 2005 nicht an die beschwerdeführenden Gesellschaften, sondern an die B-Holding GmbH gerichtet wurde:

Vorweg ist festzuhalten, dass auch die belangte Behörde einräumt, das Aufforderungsschreiben vom 1. August 2008 sei offenbar versehentlich an die B-Holding GmbH gerichtet gewesen, und auch sie offenkundig davon ausgeht, dass diese weder Dienstgeberin der betroffenen Arbeitnehmer gewesen ist noch über eine Bevollmächtigung im Sinne von § 35 Abs. 3 ASVG verfügt hat. Auch für eine (sonstige) Auskunftspflicht dieses Unternehmens gemäß § 42 ASVG gibt es keine Anhaltspunkte.

Nach dem - im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen - Inhalt des Schreibens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 1. August 2005 wurde darin die B-Holding GmbH als Dienstgeberin unter Hinweis auf § 42 ASVG zur Vorlage der Namenslisten mit den ausbezahlten Beträgen für die Jahre 2001, 2002 und 2003 zu näher bezeichneten Lohnarten sowie von Urlaubs- und Krankenstandsaufzeichnungen von Mitarbeitern der D1-, D2-, D3- und D4-GmbH (zu den jeweils genannten unterschiedlichen Dienstgeberkontonummern) aufgefordert.

Mit Schreiben vom 14. September 2005 nahm die B-Holding GmbH dazu Stellung, in dem sie im Wesentlichen neben Ausführungen zur Zulässigkeit der Prüfung in diesem Verfahrensstadium festhielt, dass das Schreiben nicht an die einzelnen Gesellschaften gerichtet worden und der Hinweis auf § 42 Abs. 2 (gemeint: ASVG) unverständlich sei, da sie nicht deren Bevollmächtigte gemäß § 35 Abs. 3 (gemeint: ASVG) sei.

Im gesamten (weiteren) Verwaltungsverfahren wurden keine Aufforderungen zur Vorlage der bezughabenden Unterlagen gemäß § 42 ASVG an die beschwerdeführenden bzw. antragstellenden Gesellschaften gerichtet.

Unter Zugrundelegung dessen kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie das (Antwort)Schreiben der B-Holding GmbH vom 1. August 2005 den beschwerdeführenden Gesellschaften zurechnet und daraus einen Erklärungswillen der letztgenannten Gesellschaften zur Verweigerung der Vorlage der Unterlagen ableiten will: In dem Schreiben erfolgt eine eindeutige Klarstellung, dass keine Bevollmächtigung der B-Holding GmbH seitens der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 35 Abs. 3 ASVG vorliegt; auch die weiteren Ausführungen erfolgen unmissverständlich namens der B-Holding GmbH. Auf die bloße Kenntnis von der gegenständlichen Aufforderung - allenfalls im Wege der sämtliche involvierte Gesellschaften vertretenden Steuerberatungs-GmbH - kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerinnen im Rahmen der sie gemäß § 42 ASVG treffenden Mitwirkungspflicht wirksam zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurden, nicht an.

Entscheidend ist, dass den beschwerdeführenden Parteien weder eine förmlich an sie gerichtete Aufforderung zur Vorlagen von Unterlagen gemäß § 42 ASVG zugegangen ist noch sie sich geweigert haben, einer solchen zu entsprechen.

Wenn daher die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von einer (förmlichen) Befassung der vier genannten Gesellschaften als Dienstgeber der betroffenen Arbeitnehmer Abstand nimmt und deshalb die bescheidmäßige Erledigung der Anträge unterbleibt, ist dies ausschließlich auf ein Verschulden des Versicherungsträgers zurückzuführen, weshalb den Berufungen Folge zu geben gewesen wäre.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das jeweilige Mehrbegehren an Umsatzsteuer findet darin keine Deckung. Das den Ersatz der Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 10. Juni 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte