Normen
EMRK Art6 Abs1;
ROG Stmk 1974 §34 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
EMRK Art6 Abs1;
ROG Stmk 1974 §34 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen;
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.165,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die belangte Behörde wies mit dem erstangefochtenen Bescheid den im Jahre 1993 gestellten Antrag der Beschwerdeführerin auf Entschädigung gemäß § 34 Stmk. RaumordnungsG 1974 (Stmk. ROG) in Verbindung mit dem im Jahre 2006 gestellten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens ab. Im vorliegenden Fall liege schon das gemäß § 34 Abs. 1 Stmk. ROG geforderte Kriterium der Wirkung des Flächenwidmungsplanes, die die Bebauung eines als Bauland geeigneten Grundstückes zur Gänze verhindere, im Hinblick darauf nicht vor, dass die vom Gemeinderat für das verfahrensgegenständliche Grundstück getroffene Flächenwidmung als Bauland durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen zunächst bei ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2007, B 537/07-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof (protokolliert zu Zl. 2007/06/0196) zur Entscheidung ab. In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde wies mit dem zweitangefochtenen Bescheid den im Dezember 2006 neuerlich gestellten Entschädigungsantrag gemäß § 34 Stmk. ROG im Hinblick auf die bereits im erstangefochtenen Bescheid darüber getroffene Entscheidung wegen entschiedener Sache zurück.
In der dagegen erhobenen Beschwerde (protokolliert zu Zl. 2007/06/0135) wird gleichfalls Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat im Beschwerdeverfahren zu Zl. 2007/06/0135 die Verwaltungsakten vorgelegt und in beiden Beschwerdeverfahren jeweils eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wurden die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden sind nicht zulässig:
In § 34 Abs. 5 erster bis fünfter Satz Stmk. RaumordnungsG 1974 (Stmk. ROG), LGBl. Nr. 174 i.d.F. LGBl. Nr. 39/1986 und der Kundmachung einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof, LGBl. Nr. 112/2002, ist im Falle eines Entschädigungsantrages verfahrensrechtlich Folgendes vorgesehen:
"Falls zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer keine gütliche Vereinbarung über das Ausmaß der Entschädigung zustande kommt, ist der Antrag auf Entschädigung bei sonstigem Anspruchsverlust vom Grundeigentümer innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des den Anspruch begründenden Flächenwidmungsplanes, im Falle einer Stadt mit eigenem Statut bei der Landesregierung, ansonsten bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. Die Behörde hat über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über die Höhe der Entschädigung nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden. Gegen die Festsetzung der Entschädigung ist keine Berufung zulässig. Jede Partei kann innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Festsetzung der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes treten die Bestimmungen des Bescheides der Behörde hinsichtlich der Festsetzung des Entschädigungsbetrages außer Kraft."
§ 34 Abs. 5 dritter und vierter Satz Stmk. ROG in der Fassung nach der Aufhebung der Worte "der Höhe" im dritten und vierten Satz durch den Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 12. Oktober 2002, VfSlg. Nr. 16.692, ist im Lichte des angeführten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dahin auszulegen (vgl. zur vorliegenden Problematik umfassend auch den hg. Beschluss vom 27. August 2002, Zl. 2002/10/0061), dass über eine von der Verwaltungsbehörde in erster Instanz getroffene Entscheidung über einen Antrag auf Entschädigung im Sinne dieser Bestimmung sowohl dem Grunde wie der Höhe nach als Rechtsmittel nur die Anrufung jenes Bezirksgerichtes zur Verfügung steht, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Mit der in § 34 Abs. 5 Stmk. ROG vorgesehenen Anrufung des Gerichtes tritt der erstinstanzliche Verwaltungsbescheid in dieser Angelegenheit außer Kraft (vgl. auch den hg. Beschluss vom 27. September 2005, Zl. 2005/06/0186).
Mit der durch den erstangefochtenen Bescheid erfolgten Abweisung des Entschädigungsantrages der Beschwerdeführerin aus dem Jahre 1993 i.V.m. dem angeführten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 5 leg. cit. hat die belangte Behörde eine Entscheidung über die beantragte Entschädigung dem Grunde nach vorgenommen (vgl. auch den hg. Beschluss vom 27. August 2002, Zl. 2002/10/0061).
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 34 Abs. 5 fünfter Satz Stmk. ROG gebietet es aber auch davon auszugehen, dass nicht nur gegen Bescheide, mit denen meritorisch über Anträge auf Entschädigung abgesprochen wurde, die Anrufung des Gerichtes als Rechtsmittel eingeräumt ist, sondern auch gegen solche, mit denen ein derartiger Antrag - wie im Fall des zweitangefochtenen Bescheides - aus einem formellen Grund zurückgewiesen wurde (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2002, VfSlg. Nr. 16.692, betreffend die Aufhebung von Teilen des § 34 Abs. 5 Stmk. ROG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK, und vom 1. Oktober 2002, VfSlg. Nr. 16.648, grundsätzlich zum Umfang der sukzessiven Zuständigkeit gemäß § 16 Abs. 3 ElWOG). Auch wenn die Verwaltungsbehörde den Antrag auf Entschädigung gemäß § 34 Stmk. ROG aus einem formellen Grund - wie im vorliegenden Fall wegen entschiedener Sache - als unzulässig erachtet und zurückgewiesen hat, liegt damit eine Entscheidung über einen Antrag auf Entschädigung, der ein "civil right" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK betrifft, vor (vgl. das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2002). Gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK muss über "civil rights", somit auch über den in § 34 Stmk ROG 1974 vorgesehenen Entschädigungsanspruch - dem Grunde und der Höhe nach - von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden (vgl. das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2002). Ein solches ist weder die Bezirksverwaltungsbehörde noch die Steiermärkische Landesregierung. Die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) genügt nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 6 EMRK nämlich nicht (siehe das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2002 und die dazu verwiesene Vorjudikatur). Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen (siehe das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 12. Oktober 2002). Ob es im Übrigen im Rahmen des § 34 Abs. 5 Stmk. ROG selbständige verfahrensrechtliche Entscheidungen der Verwaltungsbehörde, die auf dem AVG beruhen, gibt, mit denen nicht über ein "civil right", nämlich den Antrag auf Entschädigung, entschieden wird, in Bezug auf die eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2007, Zl. 2006/06/0149, betreffend eine im MRG vorgesehen sukzessive Zuständigkeit), braucht im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Kostenersatz für die Aktenvorlage war nur einmal zu gewähren.
Wien, am 27. Jänner 2009
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