VwGH 2007/05/0064

VwGH2007/05/006423.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der S GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. Dezember 2006, Zl. BOB - 475/06, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z32;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33;
BauO Wr §62a Abs1 Z34;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z32;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33;
BauO Wr §62a Abs1 Z34;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Magistratsabteilung 37/4 erteilte mit Bescheid vom 27. Juni 2006 der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeit auf der Liegenschaft in 1040 Wien, Graf-Starhemberg-Gasse 28, gestützt auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO), folgenden Auftrag:

"1.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass an der Südseite des Gebäudes eine Stahlbetondecke über dem 6. Stock um 1,50 m über der südlichen Baufluchtlinie ohne vorher erwirkter Baubewilligung errichtet wurde, (ist) beseitigen zu lassen.

2.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass auf der Stahlbetondecke über dem 6. Stock vier raumhohe Stahlbetonpfeiler im Ausmaß von 25/25 cm im Bereich der westliche Baufluchtlinie ohne vorher erwirkter Baubewilligung errichtet

wurden, ist ... beseitigen zu lassen.

3.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass in einem Abstand von ca. 15 cm von der rechten Grundgrenze zur Liegenschaft Wien 4, Graf-Starhemberggasse-ONr. 26 die Außenwand auf eine Länge von ca. 3,00 m an die westliche Baufluchtlinie ohne vorher erwirkter Baubewilligung vorgerückt wurde, ist beseitigen zu lassen.

4.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass die oberste Stahlbetondecke entgegen des genehmigten Ausmaßes von ca. 5,40 m Breite um 1,65 m in Richtung Westen ohne vorher erwirkter Baubewilligung vergrößert wurde, ist beseitigen zu lassen.

5.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass auf der letzten Decke des Stiegenhauses im Abstand von 3,00 m von der Grundgrenze zur Liegenschaft Wien 4, Graf-Starhemberg-Gasse ONr. 26 ein Schwimmbecken im Ausmaß von 2,60 m x 2,60 m und einer Wannenhöhe von 2,00 m aus 25 cm Hohlblockziegel ohne vorher erwirkter Baubewilligung errichtet wurde, ist beseitigen zu lassen.

6.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass auf der Decke über den Dachgeschoss (Dachterrasse) im Abstand von 5,00 m von der Grundgrenze zur Liegenschaft Wien 4, Graf-Starhemberg-Gasse ONr. 26, ostseitig im Anschluss an das Stiegenhaus eine Werkzeughütte im Ausmaß von 3,50 m x 3,50 m und einer Höhe von 2,50 m in Massivbauweise ohne vorher erwirkter Baubewilligung errichtet wurde, ist beseitigen zu lassen.

7.) Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass auf der Decke über dem Dachgeschoss (Dachterrasse) an der Grundgrenze zur Liegenschaft Wien 4, Graf-Starhemberg-Gasse ONr. 26 im Anschluss an den bestehenden Aufzugsschacht eine Stahlbetonstiege mit 14 Stufen ohne vorher erwirkter Baubewilligung errichtet wurde, ist beseitigen zu lassen.

Die Maßnahmen nach Punkte 1 bis 7 sind binnen sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen gerichteten Berufung teilweise Folge gegeben, indem Spruchpunkt 1. des Magistratsbescheides ersatzlos entfällt und Spruchpunkt 4. abgeändert lautet wie folgt:

"Die Vorschriftswidrigkeit, die darin besteht, dass die oberste Stahlbetondecke auf einer Länge von ca. 2,90 m an der rechten Grundgrenze (rechts der Gaupe) und auf einer Länge von ca. 2,60 m links der Gaupe um jeweils 1,65 m in Richtung Westen ohne vorher erwirkter Baubewilligung vergrößert wurde, ist beseitigen zu lassen."

Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die vom Bescheid in den Spruchpunkten 2., 4., 5., 6. und 7. erfassten baulichen Herstellungen Maßnahmen darstellten, die gemäß § 62a BO weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürften, sei entgegenzuhalten, dass es sich bei diesen Maßnahmen um keine Bauführungen handle, die unter die Bestimmung des § 62a Abs. 1 BO fielen, da sie nicht als eigenständige Bauwerke ausgeführt, sondern auf einem Gebäude errichtet worden seien. Diese Maßnahmen seien somit rechtlich als Änderung eines Gebäudes zu werten. Dass durch diese Änderung das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde sei ebenso evident wie der Umstand, dass diese Baumaßnahmen von Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes seien. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme im Verwaltungsverfahren angesprochenen Herstellungen (1. Gartenhütte bzw. Werkzeughütte mit Blick auf § 62a Abs. 1 Z. 5 BO, 2. Pergola, mit Blick auf § 62a Abs. 1 Z. 14 BO; 3. Schwimmbecken, mit Blick auf § 62a Abs. 1 Z. 22 BO, 4. Flugdach, mit Blick auf § 62a Abs. 1 Z. 13 BO,

5. Freitreppe, mit Blick auf § 62a BO Z. 22 als Zubehör zum Schwimmbecken) seien aus diesem Grund gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig und könnten daher nicht unter die in § 62a leg. cit. aufgezählten bewilligungs- und anzeigefreien Bauführungen fallen. Da eine entsprechende Baubewilligung unstrittig bislang nicht erwirkt worden sei, bestehe der vorliegende baupolizeiliche Auftrag zu Recht.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu Spruchpunkt 3., wonach es sich bei dieser Herstellung um eine Gaupe handle, die im dritten Auswechslungsplan eingezeichnet gewesen sei, sei entgegenzuhalten, dass diese Bauführung gemäß § 70a Abs. 4 BO mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 10. Mai 2006 rechtskräftig untersagt worden sei, weshalb auch hinsichtlich dieser Bauführung nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese baubehördlich bewilligt sei. Ob diese bauliche Herstellung als Zubau oder als Gaupe zu werten sei, bedürfe vorliegend keiner Beurteilung, weil diese Maßnahme als eine Änderung des Gebäudes, durch die das äußere Ansehen des Gebäudes verändert werde, unbestritten jedenfalls baubewilligungspflichtig sei. Spruchpunkt 1. habe zu entfallen, da die dort angeführte bauliche Herstellung infolge der Einreichung eines Planwechsels gemäß § 70a Abs. 10 BO als baubehördlich bewilligt gelte. Aus diesem Grund sei auch Spruchpunkt 4. abzuändern gewesen, weil sich dieser auch auf einen Bauteil (die oberste Stahlbetondecke zwischen den Gaupen) bezogen habe, der ebenfalls auf Grund eines Planwechsels als baubehördlich bewilligt gelte.

Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung der Behandlung gemäß § 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 14. März 2007, B 302/07).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Nach § 62a Abs. 3 BO müssen Anlagen nach § 62a Abs. 1 leg. cit. den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften entsprechen und sind anderenfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 BO erteilen.

Solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Die Erteilung eines Auftrags auch ohne vorliegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verletzt kein subjektiv-öffentliches Recht (vgl. Moritz, Bauordnung für Wien4, 2009, S. 324 unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0969). Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige - Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2005/05/0176, mwH). Sachliche Gründe für ein Zuwarten mit der Erlassung des Bauauftrages hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

2. Die belangte Behörde stützte die aktuelle Bewilligungspflicht auf § 60 Abs. 1 lit. c BO, wonach - soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70 BO zur Anwendung kommen - Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, durch die (u.a.) das äußere Ansehen geändert wird oder die von Einfluss auf die Festigkeit sind, "vor Beginn" die Bewilligung der Behörde zu erwirken ist.

In seinem Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2006/05/0277, hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings ausgeführt, dass allein die Veränderung des äußeren Ansehens eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage nicht bedeuten kann, dass eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO jedenfalls nicht in Betracht käme, zumal diese Bestimmung - vgl. insbesondere deren Z. 24 und Z. 33 - Bewilligungsfreiheit für Bauausführungen vorsieht, mit denen üblicherweise eine Änderung des äußeren Ansehens von Gebäuden und baulichen Anlagen einhergehen kann. Es ist nicht zu erkennen, warum dies nicht auch für vom vorliegenden Bauauftrag erfassten Herstellungen - insbesondere für die in Spruchpunkt 6. genannte Werkzeughütte mit Blick auf die Z. 5 des § 62a Abs. 1 BO - gelten sollte (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis Zl. 2006/05/0277).

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde müssen Bauführungen, um unter die Bestimmung des § 62a Abs. 1 BO fallen zu können, auch nicht als "eigenständige Bauwerke" ausgeführt werden, zumal die genannte gesetzliche Bestimmung - vgl. insbesondere Z. 32 bis Z. 34 - Bewilligungsfreiheit für Bauausführungen vorsieht, die in einem bestehenden Gebäude erfolgen (vgl. dazu die dem hg. Erkenntnis Zl. 2006/05/0277 sowie dem hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zlen. 2004/05/0027 bis 0030, Slg. Nr. 16.952 A zugrundeliegenden Fallkonstellationen).

3. Den Ausführungen der belangten Behörde, wonach die vom Auftrag erfassten Herstellungen offenbar auf die Festigkeit des Gebäudes, auf dem sie erfolgten, von Einfluss sind, ist die Beschwerdeführerin aber nicht substantiiert entgegengetreten. Angesichts der aus den Spruchpunkten des Auftrags jeweils ersichtlichen Beschreibungen der Herstellungen ist nicht erkennbar, dass kein solcher Einfluss gegeben wäre. Die Auffassung der belangten Behörde, dass diese Herstellungen aus diesem Grund gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig sind und somit als Veränderung des Gebäudes selbst iS der genannten Bestimmung nicht unter die bewilligungsfreien Bauvorhaben iSd § 62a leg. cit. fallen können, ist somit nicht als rechtswidrig anzusehen. Angesichts des unstrittigen Fehlens von Bewilligungen für die im Auftrag genannten Herstellungen ist dieser Auftrag nicht als rechtsirrig zu erkennen.

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. Februar 2010

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