Normen
AVG §13 Abs8;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §112 Abs3 idF 2005/I/134;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §13 Abs8;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §112 Abs3 idF 2005/I/134;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 24. August 2006 wurde unter Spruchpunkt II. über Antrag der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Gaststätte in S. "nach Maßgabe des Sachverhaltes und der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan- und Beschreibungsunterlagen" (demnach gehört zur Betriebsanlage ein Gastgarten, für den die "Gastgartenregelung des § 112 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 beansprucht" wird und der im Sommer bis 23.00 Uhr, sonst bis 22.00 Uhr betrieben werden soll) gemäß § 77 iVm §§ 74 und 353 ff Gewerbeordnung 1994 - GewO, unter Auflagen erteilt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer als Nachbar der Betriebsanlage Berufung. Die belangte Behörde führte eine Berufungsverhandlung durch, in der sie u.a. ergänzende Gutachten des gewerbetechnischen und des gesundheitspolizeilichen Amtssachverständigen einholte. Die Mitbeteiligte schränkte ihr Ansuchen im Berufungsverfahren (Schreiben vom 19. Jänner 2007) dahingehend ein, dass der Betrieb des Gastgartens generell um 22.00 Uhr enden werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid einerseits unter Zugrundelegung der genannten Einschränkung der Betriebszeit und andererseits mit der Maßgabe, dass eine Zulieferung zum Restaurant über das Grundstück Nr. 174 der in Rede stehenden Gemeinde nicht antragsgegenständlich sei. In der Begründung führte die belangte Behörde zur gewerberechtlichen Genehmigung aus, dass der gegenständliche Gastgarten an eine öffentliche Straße angrenze. Bei der Berechnung der vom Gastgarten ausgehenden Emissionen sei daher von einem Gästeverhalten ausgegangen worden, das den Vorgaben des § 112 Abs. 3 GewO entspreche. Die Messungen des Umgebungsgeräuschpegels hätten nach den Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen bei den nächstgelegenen Nachbarn tagsüber einen Umgebungsgeräuschpegel von 46 bis 47 dB ergeben. Diese Werte träfen nach den Angaben des Sachverständigen mit hinreichender Sicherheit auch für das Objekt des Beschwerdeführers zu. Durch den Gastgartenbetrieb komme es beim Wohnhaus des Beschwerdeführers zu einer Erhöhung des Lärmpegels auf 55 dB bzw. zu Schallpegelspitzen bis zu 65 dB. Schallabschirmende Maßnahmen kämen nicht in Betracht, solche wären nur in Form der Einhausung des Gastgartens denkbar. Der medizinische Amtssachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass durch die gegenständlichen Lärmimmissionen während des Tages keine bleibenden physiologischen Veränderungen im Sinne einer Gesundheitsgefährdung zu erwarten seien. Hingegen werde nach 22.00 Uhr die Grenze der zumutbaren Störung deutlich überschritten, weil bereits die Überschreitung des gemessenen Umgebungsgeräuschpegels von 45 dB um 9 dB etwa einer Verdoppelung der Lärmempfindung entspreche.
Gegenständlich habe die mitbeteiligte Partei, so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung, die tägliche Betriebszeit des Gastgartens im Berufungsverfahren mit 22.00 Uhr begrenzt. Eine Gesundheitsgefährdung des Beschwerdeführers sei daher auf Grund der genannten Sachverständigengutachten auszuschließen. Was hingegen die Frage der Lärmbelästigung des Beschwerdeführers betreffe, so sei von der Bestimmung des § 112 Abs. 3 GewO auszugehen. Nach dieser Bestimmung könne ein Gastgartenbetrieb wohl aus dem Grunde der Gesundheitsgefährdung der Nachbarn versagt werden, die Bestimmung lasse es nach Ansicht der belangten Behörde allerdings nicht zu, die Betriebsanlagengenehmigung aus dem Grunde einer bloßen Lärmbelästigung zu versagen. § 112 Abs. 3 GewO gehe nämlich davon aus, dass "ein gewisses Maß an Lärmimmissionen zumutbar" sei. Wäre auch beim Auftreten einer Lärmbelästigung die Genehmigung eines dem § 112 Abs. 3 GewO 1994 entsprechenden Gastgartenbetriebes zu versagen, so müsste nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung gefragt werden. Nach Ansicht der belangten Behörde könne § 112 Abs. 3 GewO daher nur so ausgelegt werden, dass Lärmimmissionen durch den Gastgartenbetrieb, soweit sie nicht zu einer Gesundheitsgefährdung führen oder soweit nicht unzumutbare Belästigungen mit anderen als Betriebszeiten einschränkenden Auflagen hintangehalten werden können, "hinzunehmen sind". Nach Auffassung der belangten Behörde könne es somit dahingestellt bleiben, ob im gegenständlichen Fall die aus dem Gastgartenbetrieb resultierende Veränderung der Lärmimmissionen zu einer zumutbaren oder unzumutbaren Belästigung des Beschwerdeführers führe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat, soweit die Beschwerde die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung betrifft, erwogen:
Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei zur Erlassung des gegenständlichen Bescheides unzuständig gewesen, weil sie lediglich das im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Projekt, nicht aber die im Berufungsverfahren geänderten Betriebszeiten hätte berücksichtigen dürfen, nicht zu teilen. Durch die Vorverlegung des Endes der Betriebszeit des Gastgartens von 23.00 Uhr auf generell 22.00 Uhr hat die mitbeteiligte Partei ihren Genehmigungsantrag eingeschränkt, ohne damit das Wesen der Betriebsanlage zu ändern, weil gegenüber dem ursprünglichen Projekt weder neue noch größere Gefährdungen, Belästigungen usw. im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO zu erwarten sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2003/04/0007, mwN). Die belangte Behörde hat daher die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht überschritten.
Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, dass auf seiner Liegenschaft keine Lärmmessungen stattgefunden hätten und dass Berechnungen der künftigen Lärmimmissionen unzulässig seien, wenn deren Messung möglich sei. Der Beschwerdeführer lässt aber unbestritten, dass, zumindest was den Umgebungsgeräuschpegel betrifft, Lärmmessungen im Jahre 2006 stattgefunden haben. Was hingegen die von der gegenständlichen Betriebsanlage künftig ausgehenden Lärmimmissionen betrifft, so hat die belangte Behörde nicht zuletzt in der Gegenschrift darauf hingewiesen, dass die Betriebsanlage noch nicht errichtet wurde, sodass der betriebskausale Lärm auf rechnerischem Weg zu ermitteln war.
Soweit der Beschwerdeführer mit dem genannten Vorbringen die Aussagekraft der Messungen bezüglich des Umgebungsgeräuschpegels in Frage stellt, weil diese Messungen nicht auf seinem Grundstück erfolgt seien, so sind ihm die Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen im Gutachten vom 18. Dezember 2006 entgegen zu halten, wonach Schallpegelmessungen am 15. Dezember 2006 auf der Höhe des Hauses des Beschwerdeführers durchgeführt wurden. Da der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene dargetan hat, dass diese Messungen nicht repräsentativ seien, ist sein Einwand gegen die Wahl des Messpunktes nicht zielführend. Auch sein Vorbringen, Feststellungen zur Lärmsituation betreffend die An- und Ablieferung der Waren seien unterblieben, obwohl mit solchen Lieferungen durch Lastkraftfahrzeuge zu rechnen sei, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Nach der Beschwerde kommen für eine Zu- bzw. Ablieferung zwei Grundstücke in Betracht, wobei die belangte Behörde hinsichtlich eines der beiden Grundstücke (Grundstücks-Nr. 174) im Spruch ihres Bescheides (siehe die dort als maßgebend bezeichneten Projektsänderungen) festgehalten hat, dass eine Zulieferung über dieses Grundstück nicht (mehr) antragsgegenständlich sei. Beim anderen Grundstück (Grundstücks-Nr. 3144) handelt es sich nach den unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde um einen öffentlichen Weg, der, wie die Beschwerde selbst ausführt, nur 93 cm breit ist, sodass von dort herrührende Lärmimmissionen von zu- bzw. abfahrenden Lastkraftfahrzeugen nicht in Betracht kommen.
Im Ergebnis zielführend ist allerdings der Einwand des Beschwerdeführers, die Behörde müsse durch geeignete Maßnahmen auch dafür Sorge tragen, dass eine vom Gastgarten ausgehende Lärmbelästigung vermieden wird:
Der Amtsarzt ist im erstinstanzlichen Sachverständigengutachten bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, dass beim Gastgarten entsprechend dem Genehmigungsantrag vom Verhalten der Gäste, wie es in § 112 Abs. 3 GewO umschrieben ist, auszugehen sei und dass der Gastgartenbetrieb im Sommer um 23.00 Uhr, sonst um 22.00 Uhr ende. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis der vorgelegenen Messungen und Berechnungen des gewerbetechnischen Sachverständigen ist der Arzt im erstinstanzlichen Verfahren zum Ergebnis gelangt, es seien bei den Nachbarn Lärmimmissionen zu erwarten, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten und zu Gesundheitsschädigungen führen können (Gutachten vom 21. Juli 2006).
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid allerdings auf das ergänzend eingeholte medizinische Gutachten im Berufungsverfahren. In diesem Gutachten vom 18. Jänner 2007 hat der ärztliche Sachverständige die tagsüber auftretenden Lärmimmissionen auf ihre Eignung, die Gesundheit der Nachbarn zu gefährden, beurteilt und diese Frage verneint. Er hat sich jedoch nicht zur Frage geäußert, ob bzw. inwieweit Nachbarn tagsüber durch betriebskausale Lärmimmissionen des hier zu beurteilenden Gastgartens belästigt werden (eine solche Beurteilung erfolgte bloß betreffend den - durch den angefochtenen Bescheid nunmehr ohnehin ausgeschlossenen - Betrieb des Gastgartens nach 22.00 Uhr). Die Frage, ob Nachbarn durch den Betrieb des gegenständlichen Gastgartens vor 22.00 Uhr belästigt werden und gegebenenfalls welches Ausmaß diese Belästigungen erreichen bzw. welcher Art die belästigenden Geräusche sind, blieb daher auf der Gutachtensebene unbeantwortet. Im letztgenannten Gutachten finden sich allerdings gleichzeitig Anhaltspunkte dafür, dass Schallpegelwerte über 50 dB (diese werden nach dem Gesagten gegenständlich überschritten) grundsätzlich zu Störungen bei anspruchsvollen mentalen Tätigkeiten führen können.
Nach dem - unzutreffenden - Rechtsstandpunkt der belangten Behörde könne diese Frage dahingestellt bleiben, weil Nachbarn Belästigungen, die von einem gemäß § 112 Abs. 3 GewO betriebenen Gastgarten ausgehen, nach Ansicht der Behörde hinzunehmen hätten. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl. 2007/04/0111, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2005, G 4/05, zu § 112 Abs. 3 GewO 1994 in der geltenden und im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des BGBl. I Nr. 134/2005 ausgesprochen, dass diese Bestimmung an der Genehmigungspflicht von Gastgärten nach § 74 GewO 1994 nichts ändert und dass für diese daher auch weiterhin die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 gelten (vgl. zur Gastgartenregelung vor der genannten Novelle schon die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, 2. Auflage, unter Rz 13 zu § 112 GewO referierte hg. Judikatur). Nach dieser Rechtsprechung ist die Genehmigung für einen unter § 112 Abs. 3 GewO fallenden Gastgarten daher zu versagen, wenn er zu unzumutbaren Belästigungen bzw. zur Gesundheitsgefährdung von Nachbarn führen würde. Ob dies gegenständlich der Fall ist, wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 12. September 2007
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