VwGH 2006/19/1197

VwGH2006/19/119710.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der D, vertreten durch Dr. Erich Rene Karauscheck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den am 16. Jänner 2006 verkündeten und am 8. Mai 2006 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 201.745/31-II/04/06, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1971 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Afghanistan, reiste am 22. November 1997 zusammen mit ihrem Ehegatten in das Bundesgebiet ein und beantragte am 24. November 1997 Asyl.

Zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte in der Beschwerdesache wird auf das hg. Erkenntnis vom 16. April 2002, 99/20/0483, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis behob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 1999 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2003 behob die belangte Behörde den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. November 1997 in Anwendung des § 44 Abs. 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) und trug diesem die neuerliche Bescheiderlassung auf.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 23. März 2004 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I), erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan für nicht zulässig (Spruchpunkt II) und erteilte für den Fall des Eintritts der Rechtskraft der Spruchpunkte I und II der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 1 und 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22. März 2005 (Spruchpunkt III).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass die Beschwerdeführerin als in der ehemaligen Sowjetunion zur Ärztin ausgebildete, westlich modern denkende Frau und Mitglied der ehemaligen kommunistischen Partei Afghanistans, die sich nicht dem traditionellen afghanischen Frauenbild unterordnen wolle, in ihrer Heimatstadt Kabul keine Verfolgung zu befürchten habe. Es bestünden für sie als eine den westlichen Lebensstil praktizierende Frau keine Hindernisse dort ihren Beruf als Ärztin auszuüben und zu leben. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach afghanische Frauen auch nach dem Sturz der Taliban Repressalien und Einschränkungen ausgesetzt seien, werde "durch das ho. Amtswissen" widerlegt. Auf Grund der angespannten wirtschaftlichen Lage sei der Beschwerdeführerin jedoch Refoulementschutz zu gewähren.

In der gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Situation für afghanische Frauen auch nach dem Sturz der Taliban unverändert schwer sei. Dies gelte insbesondere für den westlichen Lebensstil praktizierende Frauen. Zusätzlich bestehe für sie die Gefahr einer Verfolgung auf Grund ihrer Mitgliedschaft bei der ehemaligen kommunistischen Partei Afghanistans. Ihr Vater sei zudem während der kommunistischen Herrschaft ein hoher Offizier gewesen.

Die belangte Behörde führte in Anwesenheit des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. Klimburg am 28. September 2004, am 7. Juli 2005 und am 16. Jänner 2006 mündliche Berufungsverhandlungen durch. Mit am Ende der letzten Berufungsverhandlung mündlich verkündetem und am 8. Mai 2006 schriftlich ausgefertigtem Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung "in

sachverhaltsmäßiger Hinsicht ... hinsichtlich der konkreten

Lebensumstände (nicht aber auch: der subjektiven Befürchtungen) der Beschwerdeführerin deren Vorbringen, soweit es mit der Beurteilung des zugezogenen Sachverständigen im Einklang steht ..." zu Grunde gelegt. In rechtlicher Hinsicht hielt die belangte Behörde fest, dass der Sachverständigenbeweis zunächst schon die Möglichkeit der Beschwerdeführerin ergeben habe, als "westlich geprägte" Frau in Kabul zu leben und dort insbesondere einer Berufstätigkeit als Ärztin nachzugehen. Sodann habe der Sachverständige auf der Grundlage des von der Beschwerdeführerin "angegebenen Profils" überzeugend verneint, dass der Beschwerdeführerin aus ihrer seinerzeitigen Mitgliedschaft bzw. Betätigung für die kommunistische Partei Afghanistans gegenwärtig in Kabul "irgendwelche Schwierigkeiten" erwachsen könnten. Auch würden der Beschwerdeführerin aus dem seinerzeitigen militärischen Rang ihres Vaters als Oberst und dessen Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei Afghanistans keine Probleme erwachsen. Gleiches gelte auch für die zwischen dem Vater der Beschwerdeführerin und einem Mudschahed bestehende "Feindschaft". Auch habe die Beschwerdeführerin auf Grund des "politischen Profils" des Gatten ihrer Schwester nichts zu befürchten.

Die Ausführungen der belangten Behörde zu einer möglichen Gefährdung der Beschwerdeführerin aus ihrer seinerzeitigen Mitgliedschaft bzw. Betätigung für die kommunistische Partei Afghanistans halten einer unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen in den mündlichen Berufungsverhandlungen auf die Schlüssigkeitsprüfung der Beweiswürdigung beschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Ebensolches hat für die Ausführungen der belangten Behörde zu einer Gefährdung im Zusammenhang mit der Stellung des Vaters der Beschwerdeführerin, seiner Feindschaft zu einem Mudschahed und den Auswirkungen des "politischen Profils" ihres Schwagers zu gelten.

Was die Situation von Frauen in Afghanistan anlangt, hat es die belangte Behörde jedoch unterlassen, sich mit der - schon im erstinstanzlichen Bescheid erwähnten - Stellungnahme des UNHCR (vom Juli 2003) auseinander zu setzen, die zu solchen der belangten Behörde diametral widersprechenden Ergebnissen gelangt. In diesem Zusammenhang genügt es gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des insoweit vergleichbaren hg. Erkenntnisses vom 16. Jänner 2008, Zl. 2006/19/0182, zu verweisen. Zudem hat die Beschwerdeführerin schon in ihrer Berufung auf konkrete von der belangten Behörde - in anderen Verfahren verwendete - gegenteilige Gutachten zur Lage von Frauen in Afghanistan verwiesen. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht befasst.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 10. Dezember 2009

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