Normen
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juli 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer habe am im 15. August 2002 (richtig wohl: 2000) vor einem türkischen Standesamt geheiratet. Nachdem die Ehefrau des Beschwerdeführers am 21. Februar 2002 die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hätte, habe der Beschwerdeführer von der Erstbehörde eine von 3. Juni 2002 bis 9. März 2003 gültige Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erhalten, welche in der Folge antragsgemäß bis zum 18. März 2004 verlängert worden sei.
Am 13. Jänner 2004 sei der Beschwerdeführer vom Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 87 Abs. 1 und 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof habe mit Urteil vom 27. Mai 2004 den Berufungen nicht Folge gegeben sowie eine dagegen eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Den beiden in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau am 18. Mai 2003 durch zwei Stiche in den Bauch - wobei diese eine Verletzung der großen Arterie sowie zwei Durchstiche des Dünndarms und einer dort befindlichen Ader erlitten habe - eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer am selben Tag versucht, seiner Schwiegermutter durch einen Messerstich in Richtung ihrer Brust eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen. Die Schwiegermutter habe dem Stich jedoch rechtzeitig ausweichen können.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 25. Jänner 2006 (rechtskräftig seit 22. März 2006) sei die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau geschlossene Ehe wegen des alleinigen Verschuldens des Beschwerdeführers geschieden worden. Dem diesbezüglichen Urteil sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau während der Schwangerschaft - der Ehe entstamme die am 1. März 2003 geborene gemeinsame Tochter - gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen und dabei körperliche und seelische Verletzungen zugefügt habe. Am 2. April 2003 habe der Beschwerdeführer seine Ehefrau dadurch herabgewürdigt, dass er ihr vorgeworfen habe, er hätte sie nur wegen des Aufenthalts in Österreich geheiratet. In eine Ehescheidung habe er jedoch nicht einwilligen wollen, bevor er nicht sein "Visum" erlangt hätte. Der Streit habe mit einer Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Ehewohnung geendet. Nach diesem Vorfall sei die Beschwerdeführerin am 8. April 2003 zu Gericht gekommen und habe ihre (erste) Scheidungsklage eingebracht. Nach der oben dargestellten am 18. Mai 2003 erfolgten absichtlichen Körperverletzung habe die Ehefrau des Beschwerdeführers die Scheidungsklage nach einem dreiviertel Jahr wieder zurückgezogen, weil sowohl ihre eigene Familie als auch die Familie des Beschwerdeführers sie unter Druck gesetzt hätten, um dem Beschwerdeführer eine geringere Strafe zu ermöglichen. Erst nach Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens des Beschwerdeführers sei eine neuerliche Scheidungsklage durch die Ehefrau erfolgt, welche schließlich zu dem besagten Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt geführt habe.
Am 5. Juli 2005 habe der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt - Außenstelle Traiskirchen einen Asylantrag gestellt, welcher nach Zulässigkeitserklärung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch in erster Instanz anhängig sei. Nach der insoweit unstrittigen Aktenlage komme dem Beschwerdeführer der Status eines Asylwerbers im Sinn des Asylgesetzes 2005 (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 14) zu.
Damit sei im Beschwerdefall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 FPG gegeben seien. Ausgehend von dieser Rechtslage könne kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes vorlägen. Zum einen sei auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Zum anderen gefährde das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass sich (auch) die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. Der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum sei auch viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal die Verbüßung einer unbedingten Haftstrafe nicht als Zeit des Wohlverhaltens gewertet werden könne. In einem solchen Fall könne gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.
Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer geschieden sei und eine aus der Ehe stammende derzeit fast dreieinhalbjährige in Wien aufhältige Tochter habe. Auch auf Grund seines etwa viereinhalbjährigen legalen inländischen Aufenthalts sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme in Grund des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und die Erlassung des Rückkehrverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der körperlichen Integrität und des Lebens anderer, als dringend geboten zu erachten. Aus den oben genannten Gerichtsurteilen ergebe sich insbesondere, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen aggressiven und gewaltbereiten Mann handle, der nicht davor zurückgescheut habe, seine Frau mit zwei lebensgefährlichen Messerstichen und seine Schwiegermutter mit einem weiteren Messerhieb zu attackieren und seine Frau sogar lebensgefährlich zu verletzen. Durch sein bisheriges Verhalten habe der Beschwerdeführer daher mehr als augenfällig verdeutlicht, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten, weshalb eine Verhaltensprognose nicht positiv ausfallen könne.
Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Auch könne einer Bindung zu seiner früheren Ehefrau kein entscheidendes Gewicht zukommen, sei doch durch das Scheidungsurteil aufgezeigt worden, dass die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner früheren Ehefrau durch die mehrfache Gewaltanwendung unheilbar zerrüttet sei. Der bedauerliche Umstand, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Tochter durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme nur eingeschränkt werde wahrnehmen können, sowie die sonstigen privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten müssen.
Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Rückkehrverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.
Auf dem Boden der nach § 63 FPG gegebenen Rechtslage sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch die mehrfachen Tathandlungen seine Geringschätzung für maßgebliche zum Rechtsgüterschutz aufgestellte Vorschriften nachhaltig habe erkennen lassen. Jedenfalls könne vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für das Rückkehrverbot maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid genannte Verurteilung wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Angesichts dieser Verurteilung erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.
1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, der besagten Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers besteht auch gegen die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Annahme nach § 62 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch sein gravierendes, gegen die körperliche Integrität seiner Ehefrau sowie seiner Schwiegermutter gesetztes Fehlverhalten seine Gewaltbereitschaft nachdrücklich unter Beweis gestellt und das große öffentliche Interesse an der Gewaltkriminalität erheblich beeinträchtigt. Dem Einwand, die Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbots sei "lediglich unter Berufung auf die rechtskräftige Verurteilung" bejaht worden, ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde - wie die Wiedergabe des angefochtenen Bescheids oben I.1. zeigt - ihre Beurteilung nicht auf der Tatsache der Verurteilung, sondern auf das vom Beschwerdeführer unbestrittene Fehlverhalten stützte. Die seit diesem Fehlverhalten vergangene Zeit erscheint viel zu kurz, um einen Wegfall oder auch nur eine maßgebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Da die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Entlassung begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeirechts zu treffen hatte, ist auch der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe sich während der Strafhaft "derart gravierend" zum Positiven verändert, dass sogar die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erfolgt sei, nicht zielführend. Vor diesem Hintergrund geht der Hinweis des Beschwerdeführers fehl, er habe während der Haftzeit kein aggressives Verhalten an den Tag gelegt und in Einsicht des Unrechts seiner Tat eine Versöhnung mit dem Opfer (seiner ehemaligen Ehefrau) angestrebt, welche auch tatsächlich (umfassend) erfolgt sei. Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass ein allfälliger Gesinnungswandel nicht am Verhalten in der Strafhaft, sondern nur daran geprüft werden kann, wie lange sich der Beschwerdeführer in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174, mwH). Das (behauptete) Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit seiner laut Beschwerde am 17. Februar 2006 erfolgten Entlassung aus der Strafhaft ist aber (für sich genommen) viel zu kurz, um auf einen nachhaltigen Gesinnungswandel schließen zu können.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Der Beschwerdeführer habe auch begonnen, wieder eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Die belangte Behörde habe eine eingehende Prüfung der Zulässigkeit des Eingriffs in das Recht auf Privat- und Familienleben unterlassen und nicht berücksichtigt, dass die Führung eines Familienlebens in der Türkei nicht möglich sei, weil das Kind österreichischer Staatsbürger sei und die Mutter nicht beabsichtige, in die Türkei zu ziehen. Deshalb werde dem Beschwerdeführer mit der Erlassung des Rückkehrverbots jede Möglichkeit genommen, am Leben seines Kindes teilzuhaben und mit diesem eine emotionale Bindung zu pflegen.
2.2. Bei ihrer Prüfung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich angenommen. Angesichts des besagten massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass das gegen ihn erlassene Rückkehrverbot gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG zulässig sei, ist es doch zur Erlassung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.
Vor diesem Hintergrund kann auch das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grund des § 66 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 FPG getroffenen Beurteilung, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots in den Hintergrund zu treten hätten, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie dem Vorbringen in der Beschwerde bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer aus einer Berufstätigkeit ableitbare persönliche Interessen am Verbleib in Österreich zukämen. Ferner hat der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten das Gewicht seiner persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich in der für sie maßgeblichen sozialen Komponente erheblich geschwächt. Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer die Führung eines Familienlebens in seinem Heimatland nicht möglich wäre, ist entgegenzuhalten, dass § 66 FPG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet und ferner mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001).
3. Weiters bestand entgegen der Beschwerde für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 62 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Rückkehrverbots Abstand zu nehmen, ist doch bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer in § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG genannten strafbaren Handlung das Vorliegen der Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots eindeutig. Bei dieser Sachlage würde eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen (vgl. etwa da hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066).
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über das Begehren, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 30. Jänner 2007
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)