VwGH 2006/18/0471

VwGH2006/18/04712.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde 1. des ZS, geboren am 20. September 1963, 2. der MS, geboren am 5. Juli 1967, 3. des AS, geboren am 3. Dezember 1990,

4. des AS, geboren am 20. Februar 1992, und 5. der ES, geboren am 4. Juli 1997, alle in L und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion Oberösterreich jeweils vom 8. November 2006, Zl. St-150/06 (betreffend den Erstbeschwerdeführer, hg. Zl. 2006/18/0471) und Zl. St-151/06 (betreffend die übrigen Beschwerdeführer, hg. Zl. 2006/18/0472), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund EUR 25,75 und die übrigen Beschwerdeführer haben dem Bund insgesamt EUR 25,75 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Alle sind mazedonische Staatsangehörige.

Mit den beiden im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 8. November 2006 wurden die Beschwerdeführer jeweils gemäß §§ 31, 53 (Abs. 1) und § 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde stellte in den - weitgehend gleich lautenden - Bescheiden folgenden Sachverhalt fest:

Der Erstbeschwerdeführer sei im Februar 2002 illegal in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Das diesbezügliche Asylverfahren sei mit dem hg. Beschluss vom 28. Juni 2005, mit dem die Behandlung einer gegen den negativen Asylbescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt worden sei, negativ abgeschlossen worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin sei mit ihren Kindern, den übrigen Beschwerdeführern, im März 2002 illegal in Österreich eingereist und habe Asylerstreckungsanträge gestellt. Auch die diesbezüglichen Asylverfahren seien auf Grund des hg. Ablehnungsbeschlusses vom 28. Juni 2005 negativ abgeschlossen worden.

Zumindest seit dem 28. Juni 2005 hielten sich alle Beschwerdeführer insoweit rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihnen weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, erteilt worden sei und ihnen auch nicht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung ein Aufenthaltsrecht zukomme.

Da sich die Beschwerdeführer seit ca. vier Jahren in Österreich aufhielten, werde durch ihre Ausweisung in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen. Dieser Eingriff sei jedoch insoweit zu relativieren, als sich alle Beschwerdeführer illegal in Österreich aufhielten und sie sich seit ihrer Einreise in keiner Weise hätten integrieren können, weil sie größtenteils in Asylverfahren "gestanden" seien. Diese Zeiten könnten nicht als "Integrationszeiten" herangezogen werden. Zweifelsohne sei zu beachten, dass die Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (die übrigen Beschwerdeführer) bereits in Österreich zur Schule gegangen seien und ihre Tochter (die Fünftbeschwerdeführerin) hier operiert worden sei. Es sei von den Beschwerdeführern jedoch nicht ausgeführt worden, dass eine Weiterbehandlung (der Fünftbeschwerdeführerin) nur in Österreich möglich sei.

Schon ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass die Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, oder wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei dann erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.

Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen.

Beim Hinweis auf den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung handle es sich um ein zukünftiges Ereignis, dessen Ausgang nicht sicher sei. Auch der Hinweis auf die Erwerbstätigkeit (gemeint: des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin) sei insofern zu relativieren, als diese Tätigkeit großteils während des Asylverfahrens ausgeübt worden sei. Eine Integration im Berufsleben könne bzw. müsse daher ausgeschlossen werden.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Behandlung der von den Beschwerdeführern gegen die sie betreffenden negativen Asylbescheide an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerden mit hg. Beschluss vom 28. Juni 2005 abgelehnt worden sei und ihnen weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet erteilt worden sei. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Anhängigkeit der Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen führt nach dem Fremdenrechtspaket 2005 zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0189, mwN).

Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass jeweils der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG ist zu berücksichtigen, dass die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration der Beschwerdeführer in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert wird, dass dieser Aufenthalt bis zur Ablehnung der Behandlung der gegen die negativen Asylbescheide erhobenen Beschwerde auf die Stellung eines Asylantrages bzw. von Asylerstreckungsanträgen zurückzuführen ist, die sich als unberechtigt erwiesen haben, und seither jedenfalls unrechtmäßig ist. Ebenso wird die aus der Berufstätigkeit des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweitbeschwerdeführerin ableitbare Integration in ihrem Gewicht gemindert, weil sich die genannten Beschwerdeführer der Unsicherheit ihrer Position bewusst sein mussten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Entscheidung des EGMR vom 11. April 2006, Nr. 61292/00, im Beschwerdefall Useinov).

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Fünftbeschwerdeführerin "diesen Herbst" (somit im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung offensichtlich gemeint: im Herbst 2006) im Krankenhaus operiert worden sei, so wurde diese Behauptung - abgesehen davon, dass in der Beschwerde nicht konkretisiert wird, um welche Operation es sich dabei gehandelt habe und welche Gründe dafür vorgelegen seien, wobei die bloße Verweisung auf ein (allenfalls) im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen oder auf den Inhalt eines dort vorgelegten Schreibens (die Beschwerde bringt insoweit vor, dass "die näheren Details aus Krankenhausberichten im Akt" zu entnehmen seien) keine gesetzmäßige Ausführung von Beschwerdegründen darstellt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0024, mwN) - weder (als Ankündigung) in der gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufung vom 18. Juli 2006 noch im weiteren Berufungsverfahren aufgestellt, sodass es sich bei dieser Beschwerdebehauptung insoweit um eine wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) unbeachtliche Neuerung handelt. Auch in Bezug auf die von den Beschwerdeführern in ihrer Berufung gegen die erstinstanzlichen Bescheide angeführte Operation der Fünftbeschwerdeführerin lässt die Beschwerde jede Konkretisierung vermissen, zumal dazu in der Berufung lediglich vorgebracht wurde, "unsere jüngste Tochter E hat zur Zeit gesundheitliche Probleme und wurde sie vor Kurzem operiert".

Was nun das weitere Beschwerdevorbringen anlangt, dass die Fünftbeschwerdeführerin noch immer unter den traumatischen Ereignissen während des Krieges leide und deshalb in psychologischer Behandlung sei, wofür "entsprechende Unterlagen" vorlägen, so wurde zwar nach Ausweis der Verwaltungsakten im Verwaltungsverfahren der ärztliche Bericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 22. April 2005 vorgelegt, dem zufolge die Fünftbeschwerdeführerin unter nächtlichen Albträumen leide, die Zustände eben nur nachts kämen, sie oft mit Angst erschrecke und sie sich jetzt fürchte, in die Schule zu gehen, wobei sie im albanischen Krieg schlimme Sachen erlebt habe. Den Verwaltungsakten kann jedoch nicht entnommen werden, dass eine Behandlung dieser Zustände nur in Österreich möglich sei. Vielmehr ergibt sich aus dem genannten ärztlichen Bericht, dass die Fünftbeschwerdeführerin bewusstseinsklar, orientiert, kontaktbereit und kontaktfähig sei und als Therapie lediglich eine medikamentöse Unterstützung vorgeschlagen und hiebei prognostiziert worden sei, dass sich diese Angstzustände innerhalb von zwei Monaten legen sollten.

Insgesamt kommt somit den privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kein allzu großes Gewicht zu. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. September 2008

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